Interne Markenbildung in Unternehmen. Wettbewerbsfaktor oder Modeerscheinung?

Experteninterview mit Christina Grubendorfer, Unternehmensberaterin und Initiatorin der brand inside Konferenz.

 

Christina Grubendorfer

Jeder von uns kennt Marken und deren mitunter starke Wirkung aus den eigenen Erfahrungen als Konsument. Jenseits der Etablierung ihrer Produktmarken verfolgen zahlreiche Unternehmen zudem seit einigen Jahren den Aufbau einer Marke als Unternehmen (Corporate Brand) selbst bzw. auch als Arbeitgeber (Employer Brand). In diesen Fällen richtet sich das wahrnehmbar Engagement vor allem auf eine wettbewerbsverbessernde Außenwirkung in den jeweiligen Märken.

Sollten Unternehmen aber auch verstärkt nach innen schauen, wenn es um das Thema Marke geht? Was ist eigentlich interne Markenbildung? Wieso ist das ggf. ein Human Resource Thema?
Welcher Nutzen
kann hierdurch für Unternehmen und Mitarbeiter generiert werden oder ist internal branding nur eine weitere Modeerscheinung?

Entlang dieser spannenden Fragen stand mir Christina Grubendorfer für ein Experteninterview zur Verfügung. Sie ist Inhaberin der Unternehmensberatung LEA für Leadership und Marke. Sie verantwortet als Initiatorin die Praxiskonferenz für interne Markenentwicklung die brand inside, welche im Juni in Berlin stattfinden wird.

Christoph Athanas, metaHR Human Resource-Blog:
Liebe Frau Grubendorfer, es ist viel über Markenbildung und die Bedeutung starker Marken bekannt, wenn es um das Außenverhältnis von Unternehmen geht (Produktmarken, Unternehmensmarken, Arbeitgebermarken…). Warum macht es aus Ihrer Perspektive Sinn, dass Unternehmen das Thema Marke intern entwickeln?

Christina Grubendorfer (C.G.):
Eine Unternehmensmarke sollte von vorneherein von innen nach außen entwickelt werden. Alle Ansätze, die einseitig im Außen ansetzen, sind meiner Meinung nach viel weniger sinnvoll und manchmal sogar gefährlich. Ich bin ehrlich gesagt erstaunt, dass es immer noch ein Thema ist. Die Kraft der Marke kommt von innen. Eine Marke ist auch nur im Innenverhältnis führbar, denn die Fremdwahrnehmung habe ich als Unternehmen wenig bis gar keinen direkten Einfluss. Aber ich kann jede Menge tun, um innerhalb einer Organisation die Markenidentität zu entwickeln, z. B. indem ich ein zur Marke passendes Führungsverständnis etabliere und die Führungskräfte darin unterstütze, sich als Repräsentanten der Marke zu sehen und sich an der Marke zu orientieren. So schaffe ich Konsistenz und in Folge auch Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit in meinem Angebot im Markt. Führungskräfte sind das wichtigste Bindeglied, eine Art Katalysator zwischen der Markenpositionierung und allen Zielgruppen.

metaHR Blog: Die Markenentwicklung und -darstellung ist klassisch ein Feld der Marketing-/PR-Abteilungen. Wieso könnte Ihrer Meinung nach interne Markenbildung auch gerade ein Human Resource -Thema sein?

C.G.: Genau aus dem Grund, den ich eben genannt habe. Marken sind vor allem innerhalb des Unternehmens führbar. Und hier haben Personalabteilungen meistens die passenden Kompetenzen, um diese interne Markenentwicklung und Markenführung zu unterstützen. Markenentwicklung ist nämlich vor allem Organisationsentwicklung. Und natürlich Personalentwicklung.

Die klassischerweise durch die Fachbereiche Marketing/PR/Unternehmenskommunikation bevorzugten Maßnahmen greifen viel zu kurz, um eine starke Marke zu entwickeln. Gut ist es, wenn alle diese Disziplinen zusammenarbeiten. Marke ist ein strategisches Querschnittsthema.

metaHR Blog: Was wäre das Ergebnis einer gelungenen internen Markenentwicklung? Wo läge der Nutzen für Mitarbeiter und Führungskräfte im Unternehmen?

C.G.: Das Schöne ist, dass die Marke das Potenzial hat, Führungskräften und Mitarbeitern Orientierung zu geben. Wie ein Fixstern vermittelt eine Markenpositionierung, wo die Reise hingeht, was dran ist, was Thema ist, was zählt. Eine Marke ist Spiegel der Identität und prägt Unternehmenskultur. Sie hat die Kraft positive emotionale Bindung zu stärken, das Commitment mit den Unternehmenszielen zu erhöhen, Stolz und Energie hervorzurufen. Eine Marke stiftet Sinn. Und danach sehnen sich viele Arbeitnehmer. Sie wollen wissen, warum es sich lohnt, sich für das Unternehmen zu engagieren. In Folge agieren sich die Beschäftigten im Sinne der Marke und damit des Unternehmens. Sie werden zu Repräsentanten oder Botschaftern der Marke. Das spüren Kunden, Bewerber, Investoren und die Öffentlichkeit. Das Unternehmen gewinnt. Nicht nur an Glaubwürdigkeit, sondern logischerweise auch an Wert.

metaHR Blog: Können Sie ein Beispiel eines Unternehmens nennen, welches konsequent und erfolgreich an seiner internen Markenbildung arbeitet?

C.G.: Hier sind glücklicherweise mittlerweile viele Unternehmen aktiv. Besonders hervorheben möchte ich die DATEV. Der Personalvorstand, Jörg Rabe von Pappenheim wird eine Keynote auf der brand inside halten, auf welchen Weg sich das Unternehmen gemacht hat, um seine Unternehmensmarke innen zum Leben zu erwecken. LEA hat DATEV dabei begleitet, ein zur Unternehmensmarke passendes Führungsverständnis zu entwickeln. Ein aktueller Case dazu kann von Unternehmensvertretern kostenlos bei uns angefordert werden: welcome(at)leadership-branding.de. DATEV ist hier sehr konsequent vorgegangen und es macht Spaß zu beobachten, wie sich das Unternehmen über die Bedeutung von Werten und Führungsattributen austauscht.

metaHR Blog: Werte und Führungsattribute sind ja seit langem Themen in der Organisationsentwicklung. Wo bringt die Markenperspektive da Neues und Nützliches für Unternehmen und Mitarbeiter ein?

C.G.: Genau in der Fokussierung und Zuspitzung auf Weniges. Führungspositionierung im Sinne der Markenpositionierung hilft Führungskräften, das wirklich Wesentliche zu verstehen. Es geht nicht um umfassende Wertearbeit wie bspw. in der klassischen OE, sondern um das Herausstellen des „Herzschlag-Themas“ der Organisation.

metaHR Blog: Starke Marken sind bekanntermaßen identitätsstiftend und bündeln die Wahrnehmung auf den eigenen Kern. Das ist für die Außendarstellung und
–kommunikation erfolgsförderlich und steigert bisweilen den Unternehmenswert. Eine solche Fokussierung und Bündelung nach innen könnte jedoch zu einer künstlichen Verkürzung von komplexen Unternehmenskulturen führen, so dass sich ein Teil der Belegschaft nicht ausreichend repräsentiert fühlt. Man denke dabei auch an die großen Anstrengungen für bewusste Vielfalt in Unternehmen, Stichwort „Diversity Management“, die unterlaufen werden könnten.

Wie sehen Sie diese Aspekte möglicher Risiken bei der unternehmensinternen Arbeit mit Marken?

C.G.: Eine tolle Frage! Danke. Ja, starke Marken fokussieren die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche. Sie schaffen es, sich zu reduzieren, zu pointieren und damit eine klare Botschaft zu vermitteln. Genau hier liegt der Nutzen einer Marke nach innen. In meinem Verständnis sollte eine Unternehmensmarke immer Spiegel der aktuellen Identität – oder man könnte auch Unternehmenskultur sagen – sein. Das allein reicht natürlich nicht, denn Marke ist ein Instrument der strategischen Unternehmensführung, d.h. eine Markenpositionierung muss auch immer einen Schritt in eine Zielrichtung abbilden. Es ist eine regelrechte Kunst, die Komplexität einer Unternehmenskultur aufzuspüren, den „genetischen Code“ des Unternehmens zu entschlüsseln und dann auf den Punkt zu bringen, was davon relevant ist für eine Markenpositionierung. Und ja, das ist ein Prozess, in dem wir sehr gut darauf achten, verschiedene Interessen und Wahrnehmungen zu wertschätzen. Trotzdem kommt es letztlich darauf an, sich zu entscheiden, denn man will ja einen Unterschied machen. Marken differenzieren. Und um den Unterschied zu machen, muss ich mich fokussieren. Alles andere, was dann auch noch schön wäre zu sagen, fällt leider weg, weil es die Klarheit der Markenbotschaft unterwandern würde. Das fällt in der Umsetzung vielen schwer. Immer wieder bekommen wir Texte oder Konzepte auf den Tisch mit der Bitte zu prüfen, ob diese auch zur Markenpositionierung passen. Und oft müssen wir dann ganz viel wegstreichen, weil es nicht die Kernbotschaften sind. Und wir müssen zu Redundanz ermutigen. Der Mensch funktioniert eben nicht anders. Nur was immer wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangt, hat eine Chance etwas zu bewirken.

metaHR Blog: Das klingt schlüssig. Trotzdem noch einmal nachgefragt: Wie gehen die Themen Marke, also fokussiert, pointiert und zugespitzt und „Diversity“, also Vielfalt und gewollte Unterschiedlichkeit zusammen?

C.G.: Diversity und interne Markenentwicklung stehen nicht im Widerspruch. Diversity betont die Unterschiedlichkeit von Mitarbeitern. Diese vielleicht ganz verschiedenen Mitarbeiter eines Unternehmens haben trotzdem immer irgendwelche Gemeinsamkeiten, gerade wenn man von außen auf ein Unternehmen schaut. Markenentwicklung hilft bei der Ausrichtung auf dieses Gemeinsame.

metaHR Blog: Frau Grubendorfer, bitte noch in einem zusammenfassenden Statement: Warum Ist das Thema internal branding ein Substanzthema und keine Modeerscheinung?

C.G.: Ich kann allen Unternehmen nur wünschen, dass sie verstehen, wie viel Potenzial in der internen Markenentwicklung steckt. Überleben werden langfristig die klugen Unternehmen. Die anderen schaffen sich und ihre Marken – so sie denn welche haben – selbst ab.

metaHR Blog: Sie sind die Initiatorin der brand inside 2011, der Fachmesse für interne Markenbildung. Was hat Sie bewogen das Thema auf eine solche Plattform zu bringen?

C.G.: Weil ich an das Thema glaube. Ein Querschnittsthema wie interne Markenentwicklung braucht den Austausch der Fachcommunities. Genau den wollen wir anheizen. Es gibt noch viel voneinander zu lernen. Für den ein oder anderen mag die brand inside die nötige Initialzündung sein, um im eigenen Unternehmen die richtigen Dinge in die Wege zu leiten.

metaHR Blog: Für wen ist die brand inside besonders geeignet?

Für alle, die mit Marken zu tun haben oder es bald zu tun bekommen werden. Für Personaler, die sich mit einem der spannendsten Themen, die es aktuell im Fortbildungsmarkt gibt, auseinandersetzen wollen. Für Chefs, die brachliegendes Kapital lebendig machen wollen.

Frau Grubendorfer, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

 

Über Christina Grubendorfer:
Christina Grubendorfer ist Gründerin und Geschäftsführerin der LEA Leadership Equity Association GmbH. LEA ist eine Unternehmensberatung für Leadership und Markenentwicklung, die bislang einzige Unternehmensberatung für markenorientierte Führung und hält zahlreiche Beratungsmandate in Unternehmen verschiedener Branchen. Seit 15 Jahren ist Frau Grubendorfer als Beraterin, Coach, Trainerin, Moderatorin, Sprecherin und Autorin tätig. Die Expertin für Leadership, Organisationsentwicklung und Markenstrategie gründete zuvor die Deutsche Employer Branding Akademie (DEBA) und war Inhaberin eines auf Personal- und Organisationsentwicklung spezialisierten Beratungsunternehmens in Köln. Sie studierte Psychologie sowie Qualitätswissenschaften an den Universitäten Austin (TX, USA), Trier und Bochum.

Infos zur Fachmesse brand inside:
„brand inside 2011 – Die Kraft der Marke kommt von innen“: Praxiskonferenz für interne Markenentwicklung am 21. und 22. Juni 2011 in Berlin. 2010 fand diebrand inside erstmals statt und etablierte ein einzigartiges Expertentreffen für Markenentwicklung in Deutschland. Auf der brand inside präsentieren Unternehmen wie AXA, ERGO, Daimler, Targobank u. a. Praxisbeispiele und Strategien, wie sie die Menschen in ihren Unternehmen auf dem Weg zu einer starken Marke mitnehmen.
Hier finden Sie mehr Informationen zu Programm und Inhalten der brand inside 2011.

Weitere Infos zum Thema Marken, hier im Glossar vom Markenlexikon.

2 Gedanken zu „Interne Markenbildung in Unternehmen. Wettbewerbsfaktor oder Modeerscheinung?

  1. Alexander Plitsch

    Die Grundaussage des Interviews, eine Marke müsse stets von innen nach außen entwickelt werden, halte ich für richtig und wichtig. Der Fokus in Markenbildungs-Prozessen richtet sich häufig zu einseitig auf die externen Zielgruppen. Allerdings hat sich hier in den vergangenen Jahren bereits viel bewegt – eben durch den Bereich Employer Branding. Dieser wird zu Beginn des Artikels auf externe Gruppen, also potenzielle Mitarbeiter, reduziert – Employer Branding richtet sich jedoch selbstverständlich auch an die bestehende Mitarbeiterschaft. Diese soll sich mit dem Unternehmen identifizieren, erfolgreiche Kräfte sollen an die Firma gebunden werden.

    Beste Grüße
    Alexander Plitsch

  2. Anne W.

    ich bin der Überzeugung, dass es sich hierbei um ein sehr wichtiges Thema für den Markenaufbau handelt. Nur wenn die Mitarbeiter selbst überzeugt von dem sind, was sie im Unternehmen leisten, kann das auch authentisch nach außenh wirken. [… restlicher Eintrag inkl. Link wg. Spam-Absicht entfernt. Bitte diskutieren Sie zum Thema ohne Ihre Produkte hier zu verlinken – Danke! / Blogbetreiber]

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