Wie entwickeln sich die Online-Jobbörsen in Deutschland? Fragen an Expertin Eva Zils

Die Recruitingwelt ist vielfältig. Viele Wege führen zu den Bewerbern. Unumstritten ist dennoch, dass Online-Jobbörsen nach wie vor die größte Bedeutung unter allen Personalmarketingkanälen haben. Die Stellenanzeige als klassisches Werbeformat der Personalgewinnung und zentrales Produkt der Jobbörsen erfreut sich weiterhin hoher Beliebtheit. Trotz dieser Konstanten unterliegt das Segment der Online-Jobbörsen stetig Veränderungen. Den Markt der Online-Stellenmärkte in Deutschland kennt Eva Zils sehr gut. Eva ist nicht nur eine langjährige geschätzte HR-Blogger-Kollegin, sondern auch permanente Beobachterin der Jobbörsen-Szene und ihrer Entwicklungen. Ich habe Eva um einige Einschätzungen zu dem Thema gebeten. Hier unser Gespräch…

Das Interview:

Christoph Athanas, meta HR: Hallo Eva, ich freue mich, dass Du mir und meinen Blog-Leser/innen Deine Jobbörsen-Insights teilst. Bevor wir aufs eigentliche Thema zu sprechen kommen, stell Dich doch bitte den Lesern kurz vor: Wer bist Du und was machst Du? Danke sehr!

Eva Zils: Hallo Christoph, vielen Dank für die Gelegenheit, über Jobbörsen sprechen zu dürfen. Ich bin eine der ersten deutsch sprachigen HR-Blogger: Seit 2007 beschreibe und kommentiere ich die nationale und internationale Jobbörsenszene. Bereits 2004 bin ich in die faszinierende Branche der Online Stellenmärkte eingestiegen: genau zu dem Zeitpunkt, als Monster den damaligen deutschen Jobbörsen Marktführer Jobpilot von Adecco übernommen hat. Ich habe damals Arbeitgeber bei der Auswahl der geeigneten Jobbörsen beraten, damit diese ihre Stellenanzeigen dort schalten, wo sie mit qualifiziertem Bewerberrücklauf rechnen konnten.
2012 habe ich mich selbständig gemacht, um weiter Arbeitgeber bei der Auswahl der Online Recruiting Medien zu beraten. Dazu habe ich internationale Investmentfirmen mit relevanten Marktinformationen versorgt, habe neue und bestehende Marktplayer rund um Marketing und Vertrieb beraten und schließlich den HR Hackathon konzipiert, organisiert und durchgeführt.

Christoph, meta HR: Online-Jobbörsen sind für die meisten Arbeitgeber immer noch der wichtigste Personalmarketingkanal. Wird das aus Deiner Sicht so bleiben? Warum oder warum nicht?

Eva: Ja, Jobbörsen sind vielen Studien nach die wichtigsten Personalmarketing- und Online Recruiting-Kanäle, also Orte, an denen potenzielle Kandidaten auf arbeitgebende Unternehmen aufmerksam gemacht werden und sich direkt bewerben können. Ich bin mir sicher, dass dies auf lange Sicht auch so bleiben wird. Natürlich gibt es viele weitere, erfolgreiche  Personalbeschaffungsstrategien wie z.B. das Sourcing, Mitarbeiterempfehlungen oder Inbound Recruiting Methoden über gezielte und fachthemenspezifische Inhalte. Aber allen Recruiting Maßnahmen liegen IMMER Stellenbeschreibungen zu Grunde, sprich Anzeigen. Bewerber wollen wissen, was Arbeitgeber suchen und was sie bieten. Daher wird es die Stellenanzeige und auch Stellenbörsen immer geben und Dreh- und Angelpunkt des Recruiting und der Talentakquise sein.
Allerdings glaube ich, dass sich die Art und Weise, WIE Online Jobbörsen zukünftig für Personalmarketing und Recruiting eingesetzt werden, schon sehr bald stark verändern wird. Der Umbruch ist seit vergangenen Sommer schon greifbar, das hat also nichts mit Corona zu tun. Jobbörsen werden in recht naher Zukunft vor allem als „Job-Content-Marktplätze“ fungieren, als „Job Ad Exchanges“. Auf denen werden in Echtzeit-Auktionen die für den Online-Kandidaten relevanten Stellenausschreibungen angezeigt. Im Sommer 2019 wurden einige Anbieter von so genannten „Programmatic Job Advertsing Technologien“ von großen HR Marketing Agenturen oder auch von StepStone übernommen. Ich sehe hier einen Trend, und habe diesen auf meinem Blog seither mehrfach thematisiert (Anmerk.: z.B. Hier oder hier).

Christoph, meta HR: Im Zuge der Corona-Krise sehen wir zahlreiche Einschnitte in der Personalgewinnung. Budgets werden gekürzt. In unserer Studie „Recruiting in der Coronakrise“ (Download hier) zeigen wir, dass viele Arbeitgeber ankündigen ihre Engagements u.a. bei Nischen-Stellenbörsen, aber auch bei den Generalisten-Börsen wie Stepstone usw. zu reduzieren. Was denkst Du, wie wird die Krise die deutsche Jobbörsen-Landschaft verändern?

Eva: Ich denke, dass sich die Jobbörsen- und auch die Job Posting Agentur Landschaft durch die Krise nachhaltig verändern werden. Die großen Stellenbörsen-Marken, die seit Jahren bzw. Jahrzehnten Investoren und Verlagshäusern gehören, werden die Krise überstehen. Sie werden gegebenenfalls die Krise sogar dazu nutzen, um sich neu aufzustellen und zu einem wichtigen Informationshub für Fachkräfte und Arbeitgeber zu werden.

Christoph, meta HR: Ja, ich denke auch, dass die großen Jobbörsen ordentlich durch die Krise kommen werden. Wie steht es mit den Kleinen Anbietern?

Eva: Die kleineren, inhabergeführten Anbieter dürften es etwas schwieriger haben. Jetzt eventuell einen Käufer zu finden, um sich ohne Riesenverluste aus der Krise zu retten, wird wohl kaum funktionieren. Zudem denke ich, dass diese Krise den oben beschriebenen Trend, dass Jobbörsen zunehmend zu „Job Ad Exchanges“ umfunktioniert werden, beschleunigen wird.
Die Technologien, um Stellenanzeigen wie jede andere Art von Werbung genau den Kandidaten vor die Nase zu setzen, die sich gerade im Netz aufhalten, sind vorhanden. Die Bereitschaft, für das Produkt „Stellenanzeigen online schalten“ viel Budget in die Hand zu nehmen, war schon immer eher gering. Wenn nun Anbieter Stellenausschreibungen für einen Bruchteil des Budgets und datenbasiert auf vielen verschiedenen Kanälen streuen und Arbeitgeber lediglich pro Klick oder eingegangene Bewerbung bezahlen, wird die Bereitschaft noch weiter sinken, für eine Stellenveröffentlichung an die Tausend Euro zu bezahlen – außer, die Stellenbörse kann noch weiterreichende Services mit anbieten.

Christoph, meta HR: Klar, der Umbau der Geschäftsmodelle läuft. Aber das klassische Produkt der Online-Stellenbörsen funktioniert im Grund ja immer noch: Ich buche eine Anzeige für z.B. 30 Tage zu einem Preis X. Wann wird dieser Produkt-Klassiker ein Auslaufmodell sein?

Eva: Ich denke, dass wir in Deutschland, beziehungsweise im gesamten DACH-Markt, eher langsam sind, wenn es darum geht, uns mit technisch versierten HR Marketingtrends auseinanderzusetzen. Es wird noch eine Weile dauern, bis Begriffe wie „Programmatic“, „Job Ad Exchange“ und erfolgsbasierte Anzeigen- oder Klickpreise hierzulande in den HR-Köpfen verankert sind. Aber vielleicht irre ich mich auch.

Christoph, meta HR: Ok, lass uns zur Praxis sprechen. Worauf sollten rekrutierende Arbeitgeber achten, wenn Sie die Schaltung bei Stellenbörsen in Eigenregie machen wollen. Was sind Deine Tipps?

Eva: Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Es kommt zum Beispiel darauf an, wie viele Anzeigen ein Arbeitgeber voraussichtlich pro Jahr zu veröffentlichen hat, ob es viele verschiedene Tätigkeitsprofile gibt oder ob es sich um eine Stelle handelt, die häufig neu besetzt werden muss. Auch ist es wichtig, sich mit einigen Marktzahlen vertraut zu machen – zur Stelle, der Verfügbarkeit von Kandidaten am Markt, Wettbewerber,…
Generell würde ich dazu raten, sich als Arbeitgeber von mehreren Anbietern – seien es Agenturen oder Jobbörsen selbst – konkret beraten zu lassen und dann zu entscheiden, wo es am besten passt. Preise, ja, sind wichtig. Aber auch im Internet hat Qualität ihren Preis.
Wir haben es alle selbst schon erlebt: Wer billig kauft, kauft immer zwei Mal… Daher ist es wichtig, genau abzuwägen und sich im Zweifel eine objektive (!) zweite Meinung einzuholen.

Christoph, meta HR: Klasse, danke für die Informationen und Einschätzungen. Bitte noch eine kleine Nachfrage: Du bist auch die Initiatorin der HR Hackathons. Zuletzt gab es eine reine Online-Ausgabe davon. Wie geht´s damit weiter, was hast Du in der Pipeline?

Eva: Die Online Variante des HR Hackathon war ein voller Erfolg! Ich hatte mehr als 3 mal so viele Teilnehmer als beim „physischen“ Event in Berlin. Zudem hatten wir Menschen aus mehr als 50 Ländern und weitaus mehr Software Entwickler als sonst mit dabei. Zum Schluss wurden 23 Projekte von der internationalen Fachjury geprüft, und wir hatten jeweils drei Gewinner in den beiden Kategorien „new tool built from scratch“ und „best improved exisitng prototype“.
Es war ein Fest, und zum ersten Mal konnte ich mitverfolgen, wie die Prototypen entstehen und wie die Teams dabei vorgehen. Dazu habe ich beim physischen Event leider keine Zeit, aber virtuell war dies möglich. Daher plane ich vom 13.-15. November dieses Jahr den nächsten HR Hackathon online. Mehr Infos gibt es hier. Teilnehmer sind immer willkommen!

Christoph, meta HR: Danke Dir, Eva. Alles Gute und viel Erfolg weiterhin!

 

Über meine Gesprächspartnerin:
Eva Zils ist HR Bloggerin seit 2007. Auf Online-Recruiting.net kommentiert sie die internationalen Jobbörsenmärkte und HR Tech Anbieter. Seit 2015 führt sie ihren HR Hackathon durch, bei dem Entwickler und HR Manager gemeinsam HR Tech erarbeiten. Aktuell erstellt sie zudem Video-Content, den sie an über 18.000 Kontakte in ihren Online Netzwerken verteilt.

 

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