Employer Branding und Weltpolitik: Finger weg von TikTok?

TikTok kommt auch für Arbeitgeber immer mehr in Mode. Der Vorzeige-Case des Klinikum Dortmund hat in Deutschland daran durchaus seinen Anteil und kann weitere Akteure inspirieren. Doch TikTok ist nicht Facebook. Die Risiken, die mit einem Engagement in dem von China aus kontrollierten Netzwerk einhergehen sind nicht zu leugnen. In diesem Beitrag wird die Entwicklung rund um TikTok nachgezeichnet und ich beschreibe die Risiken für Arbeitgeber.

Das junge mobile Network aus China

Das aus China stammende und von dort kontrollierte TikTok ist ein auf Videoclips und Musik-bzw-Tanz-Adaptionen ausgerichtetes soziales Netzwerk mit einem tendenziell sehr jungen Publikum. Die App ist vor allem auf mobile Verwendung ausgelegt und wurde nach bekannten Statistiken bis Mai 2020 weltweit rund 2 Milliarden Mal (!) heruntergeladen. Aktive Nutzerzahlen bewegen sich natürlich unter diesen imposanten Zahlen, sind aber dennoch bedeutend. Per se also erst einmal eine Ausgangssituation, welche sich auch für Personalmarketing- oder Employer Branding-Content spannend anhört: Junge Zielgruppe – Videocontent – hohe Nutzerzahlen. Genau daher sind nun auch immer öfter Arbeitgeber auf TikTok unterwegs bzw. liebäugeln mit dem Einstieg. Nicht zuletzt der inzwischen bundesweit bekannte, erfolgreiche Case des Klinikums Dortmund macht das TikTok-Engagement für Employer Brander interessant.

TikTok Erfolg vom Klinikum Dortmund

Das Klinikum Dortmund wurde kürzlich mit dem „Personalmanagement Award 2020“ ausgezeichnet. Den Preis vergibt der Bundesverbandes der Personalmanager (BPM). Damit wurde das erfolgreiche Engagement des Klinikums für die Nachwuchsrekrutierung und das Employer Branding mit Hilfe des Networks TikTok gewürdigt. Dieser Erfolg sei diesem Arbeitgeber gegönnt. Als Early Adopter in Sachen TikTok hat das Klinikum Dortmund bereits beachtliches erreicht. Mit seinen rund 87000 Followern gilt der Case im deutschsprachigen Raum als umfangreichste und erfahrenste Kampagne in der Nutzung von TikTok für den Zweck der Personalwerbung. Eine Reihe andere Arbeitgeber schicken sich an ebenfalls ihr TikTok-Engagement auszuweiten bzw. ein solches zu beginnen.

Netzwerk unter totalitärer Kontrolle: Datenschutzthematik und Zensur

Weitet man den Blick etwas und betrachtet TikTok in seiner Gesamtheit und nicht nur den regionalen bis nationalen Anwendungsaspekt im Employer Branding, entsteht ein sehr zweifelhaftes Bild. Ok, auch andere soziale Netzwerke wie vorneweg Facebook haben ihre wunden Punkte. Doch TikTok stößt hier in ganz neue Dimensionen vor. Das Webangebot und die vielen schönen Nutzerdaten unterstehen dem totalitären Regime in Peking. Damit werden bspw. Inhalte einfach zensiert, wenn sie den dortigen Entscheidern nicht passen. Der Umgang etwa kürzlich mit den Protesten in Hongkong spricht Bände. Nun könnte man natürlich Abseits einer allgemeinen moralischen Komponente sagen: Was interessiert den Employer Brand Manager in Deutschland die Politik in China? Muss sich eine Arbeitgebermarke über Politik äußern oder den Umgang mit Minderheiten im Reich der Mitte anprangern? Nein, vermutlich nicht. Doch die Zensur greift weiter. So sind bspw. auf TikTok auch schon LGBT-Inhalte zensiert worden. Hier kann ggf. ein Employer Brand welcher auf Diversity als Positionierung setzt und/ oder LGBT-Zielgruppen zur Mitarbeitergewinnung ansprechen will schnell Probleme bekommen. Die unsichere Datenschutzthematik tut übriges zu dem Bild beitragen, wie hier bzw. hier berichtet wird.

TikTok als Risiko: Im Strudel der Weltpolitik

Das TikTok eine hochpolitische Komponente hat und damit ein Engagement auf dieser Plattform einer unsicheren Zukunft entgegensieht, zeigen vor allen die jüngsten Entwicklungen: Seit Mitte 2020 sperrt Indien die App komplett aus seinem Markt aus. Damit soll TikTok übrigens ein geschätztes Drittel seiner User verloren haben. Indien ist immerhin eine Demokratie. Insofern gibt dieser Schritt zu denken, denn bei TikTok wird immer stärker seine global politische Einflussstärke gesehen. Auch in den USA hat Präsident Trump im Rahmen seiner gegen China gerichteten Politik eine Sperrung in Aussicht gestellt, ist aber inzwischen wieder davon abgerückt. Die Unternehmen Oracle und Walmart haben anscheinend einen „Deal“ mit den Chinesen eingefädelt, welcher TikTok zumindest in den USA entschärfen würde. Ob und wie dieses Thema ausgehen wird ist noch nicht sicher. Die Datenschutzbedenken sind noch nicht endgültig vom Tisch. Auch in den USA kann es also zeitnah dazu kommen, dass TikTok komplett verboten wird. Selbst die EU stellt sich inzwischen weniger unkritischen gegenüber China auf, wenn auch weitaus leiser im Ton. Es bleibt aber eine durchaus realistische Möglichkeit, dass auch ein EU-weiter TikTok-Bann kommen kann.

Wer als Arbeitgeber noch nicht in TikTok engagiert ist bzw. noch keine allzu großen Energien dort hinein gesteckt hat, sollte sich ein TikTok-Engagement im Employer Branding gut überlegen. Abgesehen von der sehr fraglichen Datensicherheit gibt es die große Last der Instrumentalisierung dieses Netzwerks durch ein diktatorisches Regime samt aller Zensur- und Eingriffs-Möglichkeiten. Schließlich bleibt außerdem ein nicht zu leugnendes weltpolitisches Risiko, was den deutschen Arbeitgeber im schlimmsten Fall über Nacht von seinem TikTok-Account und all den dortigen Ergebnissen abschneidet. Im Zweifel ist dieses Risiko aus meiner Sicht zu hoch. Instagram bspw. bietet einen ähnlichen Zielgruppenzuschnitt und ähnliche Content-Dynamiken, ohne jene unkalkulierbaren Risiken.
Entscheiden Sie selbst – entscheiden Sie weise.