Zurück in die Zukunft der Personalbeschaffung: Jobvite´s Social Recruiting Survey 2012 zeigt wie US-Unternehmen Social Media im Recruiting nutzen

Das US-Unternehmen Jobvite veröffentlichte kürzlich die Ergebnisse seiner Social Recruiting Survey 2012. Diese Befragung amerikanischer Personalabteilungen und Recruiter zur Nutzung von Social Media Recruiting ging damit seit 2008 bereits in die fünfte Runde. Die Ergebnisse zeigen einen klare Trendbestätigung auf: Social Recruiting ist in den USA in der Breite angekommen…

 

Social Recruiting Survey 2012: Zu den Ergebnissen gibt es auch die passende, trendige Infografik (s.u.)

In vielen Fällen sind wir in Europa ja Trendfolger US-amerikanischer Entwicklungen. Dies trifft oft insbesondere für Business- und IT-Technologie-Themen zu. Im vorliegenden Fall ist es konkret der Bereich Social Recruiting, für welchen die Umfrageergebnisse einen Vorgeschmack darauf geben, was in den kommenden Jahren auch für die Recruitment-Bestrebungen deutschsprachiger Firmen zu erwarten ist.

Schauen wir also, was hiesigen Unternehmen helfen könnte in Sachen Personalbeschaffung „zurück in die Zukunft“ zu gelangen. Zurück in die… einen Moment bitte, was ist das für eine Analogie? Würde diese doch getreu dem bekannten Michael J. Fox Film-Klassiker andeuten, dass Social Media sozusagen zum Fluxkompensator des Recruitings werden könnte! Ein wenig zu verrückt, oder? Bestimmt. Social Media wirkt – aber eben keine Wunder und Zeitsprünge schon gar nicht…

Allerdings zeigen die Jobvite Ergebnisse, dass Social Media Recruiting in den USA schon in der Breite der Unternehmen im Einsatz ist und eine zunehmend gewichtigere Rolle im gesamten Recruitment-Prozess spielt. Da bietet sich ein Rückgriff an auf meine Erläuterungen zu der Frage, ob Social Media nun eher ein Hype oder voll realem Nutzen ist? In den hier vorliegenden Daten sehe ich bei den US-Recruitern deutliche Anzeichen dafür, dass das Thema Social Media Recruiting das sog. „Tal der Produktivität“ (gemäß Gartner Hype-Cycle-Modell) zu erreichen beginnt, sprich damit schlussendlich eine akzeptierte und effektiv einsetzbare Technik in der Personalbeschaffung wird. Dies generiert für die anwendenden Unternehmen letztlich Wettbewerbsvorteile bzw. es vermeidet Wettbewerbsnachteile zu erleiden gegenüber Konkurrenten, welche ebenfalls diese (Social Recruiting) Technologie effektiv einsetzen.

Die Grundaussage der Survey-Ergebnisse  im Hinblick auf den Wert von Social Media fürs Recruiting ist ganz klar positiv: Social Media hat in US-amerikanischen Unternehmen seinen Platz neben den „herkömmlichen“ Recruiting-Strategien eingenommen und es zeigt Wirkung! Da gehe ich voll mit. Das deckt sich mit Studien und Berichten zum Thema aus Deutschland. Der Unterschied ist, dass es einige Entwicklungen im Social Recruiting nach Jobvites Aussagen in den USA bereits in einer Dimension zu geben scheint, die uns wohl erst noch bevorsteht (zurück in die Zukunft?)

Ich nehme die Ergebnisse von Jobvites Social Recruiting Survey 2012 aber keineswegs durch die rosarote Brille wahr. Ganz im Gegenteil. Die Ergebnisse will ich nicht unkommentiert lassen, schließlich ist das Unternehmen Jobvite als Initiator der Befragung nicht unbedingt neutral dem Thema gegenüber. Deren Kerngeschäft dreht sich immerhin um Produkte, die Unternehmen beim Social Recruiting und beim Bewerbermanagement helfen. Ich will damit sagen, dass eine gesunde Skepsis gut tut, auch wenn ich die grundlegende Tendenz der Ergebnisse nicht bezweifel.

 

Die Ergebnisse

Hier nun einige Highlights aus den Ergebnissen, welche ich ins Blickfeld genommen habe. Es wird der jeweilige Fakt vorgestellt und meine Einschätzung dazu schließt sich an. Ganz am Ende dieses Artikels gibt es dann die schöne Infografik zur Survey:

92%nutzen irgendeine Form von Social Media für die Rekrutierung
92%der teilnehmenden Unternehmen gaben an im Jahr 2012 soziale Netzwerke oder Social Media Tools für die Unterstützung ihres Recruitings zu nutzen. Im Jahr 2009 waren es „nur“ 81%.
Mein Kommentar: Unterstützung ist ein weit gefasster Begriff. Demnach kann die Intensität und Konsequenz mit welcher Unternehmen Social Media für die eigenen Recruitinganstrengungen nutzen durchaus sehr unterschiedlich sein. Fakt bleibt aber: An irgendeiner Form von Social Media kommt (fast) kein Recruiter mehr vorbei.

LinkedIn ist Nr.1
LinkedIn ist das mit Abstand favorisierte Netzwerk für die Kandidatensuche. 93%aller Umfrageteilnehmer 2012 gaben an es zu nutzen (2010: 78%). Dahinter liegen Facebook mit beachtlichen 66%und Twitter mit ebenso stolzen 54%Zuspruch (anscheinend war Mehrfachnennung möglich). Facebook machte dabei den größten Sprung nach vorn, nämlich um +11%gegenüber dem Vorjahr.
Mein Kommentar: LinkedIn ist Standard: Kein Wunder. Im englischsprachigen Umfeld kommt man de facto am Business-Network von LinkedIn nicht vorbei. Deutschland ist bedingt durch die Stärke von XING da eher ein Sonderfall. Eher verwunderlich sind die hohen Werte für Facebook und Twitter. Hier kann eine Erklärung sein, dass Personalmarketingaktivitäten bzw. generelle Unternehmenspräsenzen auf diesen Netzwerken ebenfalls schon als Recruiting-Unterstützung gelten und somit zumindest partielle Kandidatensuche/ -ansprache / -generierung mit in die Wertung gingen. Trotz allem: Hohe Werte…

Impacts von Social Recruiting auf die Performance (1): Time to hire
Die Auswirkungen von Social Recruiting auf die Recruiting-Geschwindigkeit (in der Survey genannt „time to hire“) wird wir folgt beschrieben: 21%sagen, die Dauer sinkt, d.h. die Stellenbesetzungen gehen schneller. 14%geben das Gegenteil an, nämlich dass die Dauer steigt. 38%bemerken keinen Unterschied.
Mein Kommentar: Social Media für Employer Branding und Recruiting zu nutzen bedeutet zweifelsfrei einen gewissen Aufwand damit zu haben. Zusätzlich Aufwände durch Social Media fallen ggf. dann ins Gewicht, wenn diese Aktivitäten nicht gut mit bestehenden Prozessen und Recruitingstrategien harmonisiert werden oder wenn HR dort als Einzelkämpfer auftritt. Dies kann bei den hier zitierten 14%zu längerer „time to hire“ beigetragen haben. Umgekehrt sagen 21%, dass ihre „time to hire“ sich verbessert hat. Für mich ist das ein implizites Plädoyer dafür nach einer überschaubaren Experimentierphase Social Media Recruiting dringend strategisch in der HR und im Unternehmen zu verankern.

Impacts von Social Recruiting auf die Performance (2): Qualität & Quantität
Imposante Werte werden zu Tage gefördert, wenn es um die Auswirkungen von Social Media Recruiting auf die Qualität und die Quantität der Bewerber geht. Da geben 50%an, die Quantität der Kandidaten hätte durch Social Recruiting zugenommen und 43%teilen mit, dass die Kandidatenqualität gestiegen sei.
Mein Kommentar: Ansteigende Quantität an Kandidaten zu erreichen ist sicher in einigen Fällen wünschenswert. Allerdings bin ich vorsichtig wo das Motto „Viel hilft viel“ gilt. Eine Kandidatenflut kann so manches Recruiting-Department schnell überlasten und letztlich wenig bringen. Der Wert ist außerdem schwer zu interpretieren, weil ja formal auch eine Steigerung von 100 auf 101 Kandidaten schon ein Mehr an Quantität bedeuten würde. Daher meine ich, dass an dieser Stelle etwas Effekthascherei mit der Zahl betrieben wird – klingt gut aber dann…?
Weniger skeptisch stehe ich der Angabe der 43%gegenüber, welche von gestiegener Bewerberqualität berichten. Das klingt tatsächlich nach einem weiteren Nachweis für Nutzen von Social Media Einsatz bei der zielgruppengenauen Bewerbergenerierung. Wie mit kaum einem anderen Werkzeug kann via Social Media gezieltes Personalmarketing und Employer Branding betrieben werden. Daraus resultiert oft die von der Arbeitgebermarkenkommunikation beabsichtigte Selbstselektion der Bewerber und damit eine zunehmende Kandidatenqualität. Schön wäre es allerdings, wenn Jobvites hier z.B. steigende Bewerberqualität auch durch eine Nachfrage in Richtung längerer Verweildauer im Unternehmen oder besserer Performance im Job etc. unterfüttert hätte. Natürlich ist das befragungstechnisch anspruchsvoller, aber es würde gut zur Absicherung von Aussagen beitragen…

71 Prozent der Personaler bescheinigen sich nur mäßige Social Recruiting Skills
Die Umfrage zeigt auf, dass Social Recruiting zu einer Hauptquelle für qualifizierte Kandidatengewinnung geworden ist. Dennoch sehen sich die Mehrzahl von 71 Prozent der teilnehmenden HR- und Recruiting-Mitarbeiter persönlich nur mit mäßigen Social Recruiting Skills ausgestattet.
Mein Kommentar: Die eher zurückhaltende Selbsteinschätzung der Personaler hinsichtlich der eigenen Social Recruiting Skills deutet an, dass hier bei vielen trotz weiter Verbreitung sozialer Medien immer noch eine gewisse Unsicherheit zu herrschen scheint. Der Einstieg ins Social Media Recruiting für Personaler geht eben auch was die indivduellen Skills angeht Stück für Stück. Darin scheinen die US-HR´ler vielen ihrer deutschprachigen Personalerkolleginnen und -kollegen recht nah zu sein.

Dennoch sind die Ergebnisse ihrer Anstrengungen in diesem Feld schon auffallend bemerkenswert und tragen offenbar zunehmend zur Recruiting-Performance im Unternehmen bei. Es ist wohl davon auszugehen, dass sich HR- und Recruiting-Mitarbeiter in den nächsten Jahren weiter in Social Media Skills qualifizieren werden. Wenn die technische Evolution des Themas in einigen Jahren weitgehend an sein Ende kommen wird, dann werden allein entsprechend professionelle Social Recruiter den Unterschied machen!

Infos zur Survey:
Laut Jobvite haben an der Befragung rund 1000 HR- und Recruiting-Professionals teilgenommen.
Hier findet sich die entsprechende Pressemitteilung zur State of Social Recruiting 2012.
Die komplette Ergebnisdokumentation kann hier bestellt werden.

 

2 Gedanken zu „Zurück in die Zukunft der Personalbeschaffung: Jobvite´s Social Recruiting Survey 2012 zeigt wie US-Unternehmen Social Media im Recruiting nutzen

  1. Geraldine

    Gerade weil die Ergebnisse mit Skepsis zu betrachten sind, wäre ein Einblick in die Vorgehensweise der Untersuchung ganz interessant gewesen. Wenn man zum Beispiel weiß, aus welchen Branchen die teilnehmenden Unternehmen kommen, wirft das ein anderes Licht auf die Ergebnisse.

  2. Christoph Athanas

    Das stimmt. Es könnte helfen die hervorgebrachten Ergebnisse besser einzuordnen. Der allgemeine Trend hin zu mehr Social Media Nutzung im Recruiting würde wohl aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohnehin nachzuweisen sein, nur eben ggf. in unterschiedliche Stärke, in Abhängigkeit zu den befragten Unternehmen.

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