Bewerberinterviews führen (1): Das sollten Sie über Ihre Kandidaten in Erfahrung bringen

BewerberauswahlDas Bewerberinterview ist das meist genutzte Instrument der Personalauswahl. Es kann bei entsprechender Methodik sehr gut dazu beitragen die Qualität der Auswahlentscheidungen zu steigern. Dazu ist es wichtig das Interview auf die Zielposition hin anzupassen und genau im Blick zu haben, was Sie von einem Kandidaten erfahren wollen. Hier werde ich zeigen wie dies gelingen kann und welche Teilaspekte wie angesprochen werden können und sollten.

 

Sitzen sich Bewerber und Unternehmensvertreter gegenüber wollen sie mehr vom jeweils anderen erfahren und sich im Ideal auch voneinander überzeugen. Aus Sicht des Unternehmens geht es vor allem darum jemanden zu finden, der oder die gute Chancen darauf hat die erwartete LEISTUNG in der Zielposition zu erbringen. Leistung oder Nicht-Leistung hat allerdings eine ganze Reihe Facetten, daher gilt es diese so zu zerlegen, dass sie besser beurteilt werden können.

Die Zusammensetzung von Leistung
Gute Leistungen im Beruf können dauerhaft nur von einer Person erbracht werden, welche dazu in der Lage ist, dazu den Willen hat und sich zudem in einem dem Leistungsziel förderlichen Umfeld befindet. Klingt logisch, oder? Hier ist diese Überlegung in eine Übersicht gebracht:

Leistung-im-Beruf-Bewerberauswahl

Daraus folgen grundsätzlichen Fragen für die erfolgreiche Besetzung einer Position:

Kennen: Bringt der Bewerber das nötige Wissen für die Stelle mit?
Können: Ist dem Bewerber die erfolgreiche Anwendung seines Wissens zuzutrauen? Wurde dies bereits anderweitig unter Beweis gestellt? Wie hilfreich oder hinderlich sind die bevorzugten Handlungsmuster des Bewerbers im konkreten Job?
Wollen: Verfügt der Bewerber über die nötige Motivation zur dauerhaft erfolgreichen Erledigung der Arbeit? Identifiziert sich der Bewerber mit Aufgabe und Unternehmen? Passen die Wertvorstellungen?
Dürfen: Ist die Stelle angemessen bzw. so ausgelegt, dass sich der Bewerber darin wohl fühlen wird und weder über- noch unterfordert wird? Passt die Stelle zu den Karriereansprüchen des Kandidaten?

 

Anforderungsbezug: Fragen fokussieren
Was zur Klärung einer oder mehrerer der oben genannten Fragen führt ist letztlich relevant für die Personalauswahl. Auf solchen Anforderungsbezug ist strengstens zu achten, sonst sinkt die Aussagekraft des Interviews. Auch leidet die Akzeptanz seitens der Bewerber, wenn diese nicht halbwegs erkennen können, warum sie zwar fantasievolle, aber offenbar beliebige Rätselspielchen mitmachen sollen. Tatsächlich ist es kaum nicht nachvollziehbar, warum Bewerber im Interview bspw. zum besten geben müssen wie man „perfekte Eier kocht„, sofern diese sich nicht gerade als Koch bewerben… Klar ist nach solchen Fragen lediglich, dass die Candidate Experience in höchster Gefahr ist.
Achten Sie also darauf, dass jede, wirklich jede Frage im Interview auf eine spezifische Anforderung des zu besetzenden Jobs einzahlt. Um dabei das Interview im überschaubaren Rahmen zu belassen, schauen Sie mit kritischem Blick darauf, was in dem jeweiligen Jobprofil wirklich den Unterschied ausmacht, d.h. was Bewerber unbedingt in stärkerem Maße mitbringen sollten. Lassen Sie es in Summe möglichst wenige, konkrete Anforderungen sein. Ignorieren Sie radikal alle nice-to-have-Anforderungen und hinterfragen Sie dafür intensiv nach Wissen, Fähigkeiten und Haltungen auf welche es wirklich ankommt. So vermeiden Sie es irrelevanten oder wenig-relevanten Anforderungen wertvolle Gesprächszeit zu widmen. Was wirklich unverzichtbar ist muss hinterfragt und mit dem Bewerber besprochen werden. Nicht mehr und nicht weniger.

 

Was im Interview abgeklärt werden kann
Viele der gewünschten Informationen zur Einschätzung einer Bewerberin lassen sich im Interview gewinnen, jedoch nicht alle. Teilweise wird die wertvolle Interviewzeit aber auch schlicht verschwendet, wenn falsche Schwerpunkte für das Bewerbergespräch gesetzt werden. Daher sind vor allem Fragen zum Themenblock „Kennen“, d.h. so ziemlich alle Wissensfragen so knapp wie möglich zu halten. Wenige (Fachwissens-)Fragen seien der Fachabteilung natürlich gegönnt. Interessant wird dies vor allem, wenn die Verknüpfung von „Kennen“ und „Können“ angesprochen wird. Theoretisches Wissen wird in den wenigsten Jobs reichen. Spannend wird es wenn Sie ermitteln, wo und wie Kandidaten ihr Wissen bzw. ihre Erfahrung in entsprechende Handlungen transformiert haben und mit welchem Ergebnis die geschehen ist. Hierzu sind natürlich auch Querverweise bzw. Checks vom Lebenslauf oder aus Referenzen hilfreich. Die Aufgabe im Interview erledigen sog. situative Fragen, zu deren Anwendung ich in der Fortsetzung dieses Artikels etwas sagen werde.

Eine weitere interessante und für die Erbringung von Leitungen enorm wichtige Komponente stellt der Bereich „Wollen“ dar. Darunter verbergen sich zum einen eher für bestimmte Tätigkeiten oder Aufgaben hilfreiche oder hinderliche Verhaltensvorlieben auf der Mikroebene und zum anderen der Blick auf grundsätzliche (Karriere-)Motivationen von Personen, die sich aus deren Werten und Überzeugungen speisen. Interviews sind hierfür vor allem in Kombination mit versch. Tests spannend. Aber auch allein im Interview können Sie einen guten Eindruck davon bekommen welche Verhaltensvorlieben Personen im Kontext Arbeit haben. Hierzu bietet sich die LAB-Profile-Fragetechnik an. Um die eher grundsätzlichen Haltungen und Werteeinstellungen einer Person kennen zu lernen sind Wertefragen nützlich. Jene beiden Interviewtechniken werden ebenfalls im 2.Teil dieses Beitrages beschrieben.
Schließlich sollten Sie im Interview natürlich insbesondere auch über den Bereich „Dürfen“ reden, d.h. mit dem Kandidaten abklären, wie gut die Stelle und Ihre Anforderungen zu dessen Vorstellungen und Erwartungen passt. Hier gilt es für Recruiter und Hiring Manager die Balance zwischen ehrlicher Auskunft und attraktiver Darstellung der Position zu behalten oder anders ausgedrückt: Machen Sie nichts besser als es ist, der neue Mitarbeiter wird es ihnen im Zweifel nur mit daraus resultierender Demotivation quittieren.

 

Überblick: Im Interview bzw. mit anderen Methoden abzuklären
Kennen: In geringem Umfang im Interview sinnvoll, gut in Kombination mit z.B. fachlichen Wissenstest
Können: Eingeschränkt über situative Fragen und LAB-Profile-Fragen, bei kognitiven Fähigkeiten über entsprechende Leistungstests, Arbeitsproben, anforderungsgenaue Assessment-Aufgaben
Wollen: Kontextbezogene, situative Handlungsmotivation über LAB-Profile-Fragen; Allgemeine Haltungen und Wertepräferenzen über Wertefragetechnik. Zudem zu versch. Persönlichkeitstests, je nach diagnostischer Zielrichtung.
Dürfen: Interview; Bewerbungsunterlagen

 

Ausblick
Im zweiten Teil dieses Artikel lesen Sie in Kürze wie Sie die Qualität Ihrer Interviews absichern und wie verschiedene Fragetechniken für Recruiter funktionieren.

 

Spezial: Wer Interviewführung und Fragemethodik live erlernen und einüben will, dem sei diese Veranstaltung im September in Berlin empfohlen.

 

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