Die Entwicklung von Führungsnachwuchs ist für viele Unternehmen ein ganz wichtiger Baustein im Talentmanagement. Was Unternehmen tun können, um ein entsprechendes Programm wirksam und nachhaltig zu gestalten ist hier an fünf wesentlichen Punkten skizziert.
Führungskräfte sind die zentralen Multiplikatoren in Unternehmen. Erfolgreiche Organisationen werden geprägt von engagierten und fähigen Führungskräften. Selbstredend, dass eine gute Nachwuchsarbeit im Bereich Führungskräfte absolut Sinn macht. Eine Gewinnung und Entwicklung von Führungsnachwuchs aus den eigenen Reihen kann ein wichtiger Faktor sein, wenn es um die Bindung von Top-Talenten ans eigene Unternehmen geht. Zudem ist es in Zeiten von partiellem Fachkräftemangel ohnehin clever sich den Führungsnachwuchs für mindestens das Mittelmanagement unternehmensintern zu generieren. Pluspunkte hinsichtlich der eigenen Arbeitgeberattraktivität sind willkommene Nebeneffekte.
Viele Unternehmen haben dies längst erkannt und haben entsprechende Programme aufgesetzt. Die Junior Leaders werden dann meist in jährlichen oder zweijährlichen Intervallen aus den eigenen Reihen rekrutiert und auf die Übernahme von Führungsverantwortung vorbereitet. Das war es dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten zwischen den Programmen verschiedener Unternehmen: Internationale Konzerne und sehr große Mittelständler leisten sich oft ausgeklügelte und ressourcenintensive Programme, gelegentlich in Zusammenarbeit mit renommierten Managementschulen oder Universitäten. Dahingegen verkommt die interne Führungsnachwuchs-Förderung bei einigen Unternehmen zu einem nur bedingt durchdachten Seminartourismus.
Worauf kommt es an, bei einer wirksamen internen Personalentwicklung dieser Zielgruppe? Schauen wir auf einige entscheidende Aspekte, welche ein gutes, weil wirksames und zum Unternehmen passendes Programm m.M.n. berücksichtigen sollte:
1) Unternehmensspezifische Ausrichtung
Sofern in einem Unternehmen, auch einem kleineren Mittelständler, mindestens ein Bedarf von sechs oder mehr Nachwuchsführungskräften je Intervall (jährlich/ zweijährlich) besteht, sollte das Programm wirklich unternehmensspezifisch aufgestellt und durchgeführt werden. Fertige modulare Programme von Seminaranbietern sind keine gleichwertige Alternative. Sie sind nur dann eine Lösung, wenn ein Unternehmen einzelne Personen entsprechend entwickeln möchte und eine interne Lösung mangels Masse nicht realisieren könnte. Machen Sie Ihr Programm also unternehmensspezifisch. Die Gründe sind einfach: Ihre Anforderungen und Herausforderungen stehen im Zentrum. Ihre Unternehmenskultur und Führungsphilosophie können berücksichtigt werden und die eigene Unternehmensmarke kann bei den Multiplikatoren der Zukunft gestärkt werden. Dies erfordert natürlich im Vorfeld eine zumindest einmalige Beschäftigung mit diesen Themen seitens der strategischen Spitze. Aber sollten die Top-Führungskräfte nicht ohnehin interessiert und orientiert sein darüber, wo die Chancen und Risiken der eigenen Unternehmenskultur liegen? Stellen sich Geschäftsleitungen nicht ohnehin die Frage, welchen Führungsnachwuchs sie haben wollen…?
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2) Konsequente Teilnehmer- und Umsetzungsorientierung
Gleich nach den unternehmensspezifischen Fragen zur Ausrichtungen eines entsprechenden Programms kommt die genaue Bestimmung der Lernziele und der konkreten Inhalte. Dabei empfiehlt es sich zwei Dinge fest im Blick zu haben: Zum einen geht es um die Teilnehmer selbst und zum anderen um deren Handlungsfähigkeit: Die Teilnehmer sind meist Personen, welche sich im ersten Viertel oder ersten Drittel ihres Arbeitslebens befinden und in absehbarer Zeit Führungsverantwortung übernehmen sollen. Gerade dieses Hineinwachsen der zukünftigen Führungskräfte in neuen Rollen und der Umgang mit neuen und veränderten Erwartungen benötigt eine gute Vorbereitung und Begleitung. Es sind oft einfache aber entscheidende Fragen, welche sich Junior Leaders beantworten müssen und wo diese handlungsfähig sein sollen. „Wie trete ich gegenüber meinen ehemals gleichgestellten Kollegen auf, wenn ich erstmal Führungsverantwortung übernommen habe?“ – „Was ändert sich für mich?“ – „Welche Erwartungen werden an mich gerichtet?“ Ein Entwicklungsprogramm sollte unbedingt an die Karriere-Situation seiner Teilnehmer denken. Dies gibt den Teilnehmern Sicherheit. Mit ausreichenden Reflektionsmöglichkeiten werden außerdem Führungs- und Rollenanforderungen klar und die eigenen Einstellungen der Teilnehmer zu diesen. Auch deren Verhaltensvorlieben mit ihren individuellen Vor- und Nachteilen im Führungskontext werden transparent. Ausgehend von dem Kennen lernen und dem Einschätzungen können von entsprechenden Anforderungen, muss ein wirksames Führungsnachwuchs-Programm dafür sorgen, dass die jungen Leader diesen Anforderungen konstruktiv und handlungsorientiert entgegen treten können. Ein umsetzungsorientiertes Programm gibt hierzu sowohl praxisnahe Tools an die Hand, als auch den methodischen Rahmen zum vielfältigen Ausprobieren und Einüben solcher Tools. Ein solches Mix, welches Wissens- und Kompetenzaufbau plus Reflektionsfähigkeit fördert nutzt natürlich auch mehr Methoden als nur Seminare.
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3) Die richtigen Teilnehmer finden
Angenommen Ihr Unternehmen hat ein entsprechendes Führungsentwicklungsprogramm für Nachwuchskräfte, welches die oben genannten Punkte gut berücksichtigt. Schön. Doch das ist alles nichts wert, wenn Sie nicht die richtigen Teilnehmer in Ihrem Programm haben! Potentielle Nachwuchskräfte, die sich für Führungsaufgaben empfehlen lassen sich auf verschiedenen Wegen generieren. Via Selbstvorschlag, Kollegenvorschlag oder durch Vorgesetztenvorschlag.
Der eigentlichen Auswahlentscheidung unter den Aspiranten auf die Programmteilnahme sollte höchste Bedeutung zugemessen werden. Arbeiten Sie dafür methodisch sehr sauber: Nutzen Sie mehrere diagnostische Verfahren und holen Sie unbedingt externe Experten an Bord. So vermeiden Sie auch politische Entscheidungen pro oder kontra einzelner Kandidaten und sie legitimieren das Verfahren und werten dazu noch das Programm an sich auf. Legen Sie bei der Auswahl stets mehr Wert auf die Potential-Feststellung, also die vermuteten Entwicklungsmöglichkeiten der Kandidaten im Kontext Führung als auf den reinen IST-Zustand. Eine Person am Anfang einer Führungskarriere ist in dieser Hinsicht besser wenig entwickelt aber mit viel Potential gesegnet, als umgekehrt. Beachten Sie neben den guten Potentialanlagen auch besonders auf die Motivation, aus welcher jemand gern Führungskraft werden möchte. Rein monetär motivierte Personen sind dabei genauso kritisch zu sehen, wie Menschen mit überbordendem Machtmotiv.
Scheuen Sie auch nicht davor zurück ggf. zur Halbzeit des Programms eine weitere Beurteilung vorzunehmen. Mit Aufnahme ins Programm ist noch niemand sofort fertige Junior Führungskraft, oder? Und auch seriöse Verfahren zur Potentialeinschätzung können gelegentlich irren. Daher betrachten Sie die Entwicklung der Teilnehmer während des Programm, um nachsteuern zu können. Durch individuelle Maßnahmen können dann noch Enttäuschungen auf beiden Seiten vermieden werden.
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4) Das Führungsnachwuchs-Programm ist Lust, keine Last
Aus der Umsetzungsperspektive betrachtet können viele Nachwuchsprogramme für Führungskräfte zwei Gruppen eingeteilt werden: Die Programme der sporadischen Kurse (oft 2-4 Seminarmodule) und die Programme der fulltime PE. Während erstere so nebenbei alle paar Monate „passieren“, sind letztgenannte so intensiv, dass die Teilnehmer für die Zeit dieses Programms quasi einen zweiten Job haben. Klar, zukünftige Führungskräfte darf man und soll man fordern. Aber die ganz intensive Variante geht auch oft einher mit inhaltlicher Überfrachtung (müssen kommende Führungskräfte wirklich alle theoretischen Management-Modelle pauken?) und dem Empfinden einer großen zusätzlichen Last (neben der regulären Arbeit). Eine über längere Zeit empfundene starke Belastung ist nicht unbedingt förderlich für Lernen und Entwicklung. Machen Sie also mit Ihrem Programm Ihren Teilnehmern Lust. Stellen Sie also entsprechenden zeitliche Freiräume bereit und verpflichten Sie die Führungskräfte Ihrer Programmteilnehmer diese zu respektieren. Weiterhin sollten Sie Ihren Teilnehmern nicht alles vorgeben. Teilhabe und eigene Steuerungsmöglichkeiten machen auch mehr Lust, als ein Programm nur fremdgesteuert durchlaufen zu müssen.
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5) Den Verbleib sicherstellen
Das Führungsnachwuchsprogramm endet und Ihre frisch gebackenen Junior Leaders erwarten nichts sehnlicher, als all die neuen Fähigkeiten endlich voll einsetzen zu können. Verständlich! Schade, wenn dann der interne Personalbedarf falsch eingeschätzt wurde oder während die Nachwuchskräfte sich noch durchs Programm arbeiteten von extern die entsprechenden Positionen an den Teilnehmern vorbei besetzt wurden. Die gerade fertig ausgebildeten Junior Führungskräfte dann nicht zeitnah mit einer entsprechenden Aufgabe betrauen zu können ist eine der schlimmsten Sünden, welche Unternehmen begehen können. So entwertet sich das Programm in den Augen der anderen, das Management und die Personalentwicklung verliert an Glaubwürdigkeit und die nicht eingesetzten Junior Leaders sind schnell weg oder nachhaltig demotiviert.
Denken Sie daran: Ein solches Programm ist ein Leistungsversprechen des eigenen Unternehmens und seiner Arbeitgebermarke an die Teilnehmer desselben. Löst das Unternehmen das Versprechen nicht ein, schadet es sich selbst. Daher: Stellen Sie von Seite der bestehenden Führungskräfte und von Seite der Personalabteilung noch während des Programms sicher, wie und wo Ihre Teilnehmer „unterkommen“. Nutzen Sie vor allem Projektleitungen und Führungsaufgaben auch ohne disziplinarische Befugnisse als Einstiegs- und Übergangspositionen für Ihre Junior Leaders.
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Info zum Autor:
Mein Name ist Christoph Athanas. Ich bin der Verfasser dieses Blogs, wie meine regelmäßigen Leserinnen und Leser wissen. Ich will nicht unerwähnt lassen aus welchen Perspektiven und mit welchen Vorerfahrungen ich gerade diesen Beitrag verfasst habe:
Ich schreibe hier häufig aus meiner Perspektive als in verschiedenen Kundenprojekten aktiver HR-Berater. Oder ich schreibe aus der Sicht des interessierten Beobachters von Personalthemen. Diese beiden Perspektiven haben hier natürlich auch eine wichtige Rolle gespielt. Darüber hinaus aber war ich selbst vor einer ganze Reihe Jahren eine junge Nachwuchsführungskraft. Ich habe zu diesem damaligen Zeitpunkt bereits Führung praktiziert und Verantwortung getragen. Zusammen mit Kollegen, welche sich in einer ähnlichen Situation befanden wurden wir von unserem damaligen Arbeitgeber erst allmählich für Führungsaufgaben fit gemacht und man hat uns dann so etwas wie ein Führungsentwicklungsprogramm durchlaufen lassen. Das war hilfreich, allerdings war es noch recht entfernt von einem wirklich strukturierten und erstklassig umgesetzten Programm. Ich habe mir damals deutlich mehr und anderes für das Programm gewünscht… Diese Erfahrung als Teilnehmer in eben einer solchen Nachwuchs-Führungsentwicklungsphase hat mir jedoch sehr dabei geholfen in meiner heutigen Tätigkeit als HR-Berater und als Trainer solche Programme für Kunden mit zu entwickeln und erfolgreich durchzuführen. Insofern hat diese von mir selbst durchlebte Teilnehmer-Perspektive diesen Artikel hier mit Sicherheit wesentlich geprägt.
Nicht nur für das Unternehmen selbst stellt es einen erheblichen Mehrwert dar, Nachwuchsführungskräten Zeit zu widmen in Form einer ganzheitlichen Ausbildung. Aber auch für die Führungskräfte selbst ist diese Investition oft mehr als nur ein Karrieresprungbrett im Unternehmen selbst. Allein schon die Tatsache, dass Zeit investiert wird und ihnen somit gezeigt wird, dass man sie schätzt und Hoffnung in sie legt und Potenzial erkennt, kann ein ganz wichtiges Kriterium der Mitarbeiterbindung darstellen.
Geeignete Kandidaten dafür zu finden unterstützen wir mit unserer Potenzialanalyse SIZE Prozess.