Im Jahr 2014 habe ich gemeinsam mit Prof. Peter M. Wald die erste wissenschaftlich begleitete Candidate Experience Studie in Deutschland vorgelegt. Nun haben wir kürzlich die Candidate Journey Studie veröffentlicht. Gewissermaßen eine Folgestudie. Auch wenn unsere neue Studie einen etwas anderen Blickwinkel einnimmt, gibt es doch einige Aspekte, die sich miteinander vergleichen lassen. Dieser Artikel macht genau dies in einem Ausschnitt (die insgesamt verfügbaren Daten wären weit umfangreicher). Der Blick gilt dabei den Anforderungen von Bewerber/innen in den Phasen der Jobsuche und einem Teil des Bewerbungsprozesses.
2014 erschien mit der Candidate Experience Studie die erste große Untersuchung im deutschsprachigen Raum über den Weg vom Kandidaten zum neuen Mitarbeiter. Gemeinsam mit Stellenanzeigen.de sammelten wir die ersten empirischen Daten explizit zu diesem Thema. Bei dieser Pionierarbeit stellte sich heraus, dass erfolgreiche Rekrutierung nicht nur ein technisch-organisatorisch runder Prozess sein sollte, sondern darüber hinaus im Aufbau und im Halten einer Vertrauensbeziehung zwischen Arbeitgeber und Bewerber besteht. Ein solcher Aufwand zahlt sich aus für Arbeitgeber: Positive Bewerbererlebnisse steigern nachweislich die Zufriedenheit der Kandidaten und erhöhen die Attraktivität der entsprechenden Arbeitgebermarke.
Mit unserer vor kurzem erschienen Candidate Journey Studie haben wir an diese Ergebnisse angeknüpft und in Teilen vergleichbare Daten erhoben. Die aktuelle Untersuchung geht über die reinen Bewerbungsphasen hinaus und folgt dem Kandidaten bis maximal ans Ende seines ersten Jahres beim neuen Arbeitgeber. Somit konnten wir ebenfalls Wirkungen und Übergänge von Candidate zu Employee Experience beobachten bzw. den wichtigen dazwischen liegenden Prozess des Onboardings.
In diesem Artikel will ich einem Vergleich anstellen: Was ist in Sachen Candidate Experience in den letzten drei Jahren passiert? Haben sich die Prioritäten der Bewerber verändert und wenn ja, welche Ansprüche haben Kandidaten heute?
PHASE 1: ORIENTIERUNG UND JOBRECHERCHE
An der bevorzugten Art der Recherche nach einem potentiellen Arbeitgeber hat sich wenig getan. Nach wie vor sind die großen allgemeinen Online-Stellenbörsen mit Abstand die am häufigsten genutzte Variante für Jobsuchende (43 Prozent „immer“, 35 Prozent „häufig“). Auffällig ist die Zunahme der Empfehlungen von persönlichen Kontakten, was inzwischen mit 14,2% die zweit häufigste Form ist, auf eine vakante Stelle aufmerksam zu werden.
Welche Informationen interessieren Bewerber besonders an einem Arbeitgeber?
Spezifische Informationen zum Job („Jobbeschreibung“) und zu den geforderten Fähigkeiten stehen weiterhin an höchster Stelle. Bei Stellenangeboten, wünschen sich Jobsuchende vor allem Klarheit: Aufgaben, Verantwortlichkeiten und erwartete Qualifikationen sollen konkret benannt werden.
Gleichzeitig scheint die Bedeutung von Angaben zur Unternehmenskultur in den Augen der Bewerber wichtiger zu werden. Spielte das Thema in 2014 auch bereits eine Rolle für zahlreiche Jobsucher, so sind es inzwischen 71% die es als wichtig empfinden, auf der Website des Unternehmens Hinweise zur Firmenphilosophie bzw. Unternehmenskultur vorzufinden.
PHASE 2: ÜBERMITTLUNG DER BEWERBUNG
Die Bereitschaft Online-Formulare zur Bewerbungsabgabe zu nutzen ist von 2014 zum Jahr 2017 leicht von 13,2% auf 11% gesunken. Der Wunsch nach Übermittlung der Bewerbung per Mail ist im Gegenzug von 70,3% auf 79,4% gestiegen. Das zeigt deutlich, dass die Formularbewerbung nach wie vor weitgehend abgelehnt wird. Dagegen erfreuen sich Angebote mit Hilfe der sogenannten „One-Click-Bewerbung“ einer steigenden Beliebtheit. Die Zustimmung für die Bewerbung mit den eigenen Daten aus einem Profil bei XING oder LinkedIn ist von 46,9% auf über 50% gestiegen.
PHASE 3: TEILNAHME AM AUSWAHLVERFAHREN
51,5% Prozent der Bewerber setzen inzwischen eine Eingangsbestätigung zu ihrer Bewerbung binnen 24 Stunden voraus. Weitere rd. 46% würden sich über eine solche Aktivität des Arbeitgebers freuen (Zahlen aus 2017). Die Erwartungshaltung zeigt deutlich, dass die zeitnahen Reaktionen auf die Einreichung der Bewerbung zu den „Basics“ eines jeden Arbeitgebers gehören sollten.
Je länger die Dauer des Bewerbungsprozesses ist, desto größer ist die Gefahr, dass die finale Candidate Experience negativ beeinflusst wird. Daher gilt: Lange Bewerbungsprozeduren oder Wartezeiten machen es schwieriger, die Beziehung zwischen Kandidaten und Arbeitgeber positiv zu gestalten. Das war eine der wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie von 2014. Das sehen Kandidaten knapp drei Jahre später immer noch so – Schnelligkeit im Bewerbungsverfahren punktet! Wie in der 2014er Studie sagen auch die Daten 2017er-Studie, dass ein Bewerbungsverfahren von Einreichung der Unterlagen, bis zur Kommunikation der finalen Auswahlentscheidung nicht länger als 6 Wochen dauern sollte. Alles darüber gefährdet tendenziell eine positive Kandidatenerfahrung.
Erlebte Wertschätzung im Vorstellungsgespräch wird von Bewerbern vorausgesetzt. Eine Hohe emotionale und sachliche Qualität in den persönlichen Interviews sowie ein persönlicher Ansprechpartner stehen nach wie vor bei der überwiegenden Mehrheit der Kandidaten hoch im Kurs.
Neuer ist hingegen der nun häufiger geäußerte Wunsch das künftige Arbeitsumfeld (z.B. das Team) schon im Rahmen der Vorstellungsgespräche kennen lernen zu können. Zwar gehört dieser Aspekt meist nicht zu den Basiserwartungen von Kandidaten an Arbeitgeber, bietet aber gute Chancen, die durchschnittlichen Erwartungen positiv zu übertreffen.
Was sich Bewerber insbesondere am Anfang der Candidate Journey wünschen:
- Klarheit in der Beschreibung der Stelle, der gewünschten Anforderungen und des Jobtitels sind ein absolutes Muss bei jeder Stellenanzeige.
- Informationen zur Unternehmenskultur sind für die Mehrheit der Kandidaten eine wichtige Entscheidungshilfe.
- Die Übermittlung der Bewerbung sollte möglichst unkompliziert möglich sein. Die weitere Kommunikation mit dem Bewerber sollte zudem stets zeitnah erfolgen. Im idealen Wunschbild der Kandidaten werden solche und weitere Informationen zum Fortgang des Bewerbungsverfahrens durch einen persönlichen Ansprechpartner übermittelt (per Mail, Telefon).
PS: Wer einen neutralen Blick auf die eigenen Recruitingprozesse und ausgewählte Bewerbertouchpoints erhalten möchte, sollte uns nach unserem ´Recruiting Expertenblick´ fragen. Alle dort vorgenommenen Beurteilungen sind kriterienbasiert und beziehen selbstverständlich unser Wissen aus unseren Studien zum Schwerpunkt Candidate Experience mit ein.