2017: Das Jahr der HR-Reformation? Vom Wissen zum Tun!

lutherHR-Trends aufzählen oder diese analysieren sollen dieses Jahr doch andere. Die allermeisten Trends sind eh bekannt. Daher finde ich das Lutherjahr 2017 gibt die wunderschöne Steilvorlage für die Gedanken zur HR-Reformation. Was können HR-Verantwortliche also von Martin Luther lernen, wenn sie vom Wissen (um die Trends) zum Tun kommen wollen. Dieser Beitrag geht jener Frage nach.

 

Mittlerweile ist es in den HR-Medien beinah Tradition zu Beginn jeden Jahres über die HR-Trends für die kommenden zwölf Monate nachzudenken. Ich selbst habe dieses Spiel wie manche andere HR-Blogger auch schon mitgespielt. Meine Einsicht aber dazu lautet mittlerweile: Es ist ziemlich müßig dies zu tun. Solange Megatrends wie Digitalisierung, Demografischer Wandel oder Demokratisierung weiter andauern, werden in der Personalszene auch weitgehend die üblichen verdächtigen Themen als „Trend“ auftauchen. Mal mehr, mal weniger und immer auch mal ergänzt um das ein oder andere wirklich neue Buzzword.
Natürlich kann, darf und soll es auch fortan Trendaussagen geben. Einzelne Aussagen werden jeweils im Lichte des Blickwinkels des entsprechenden Experten zu werten sein. Insbesondere in ihrer Summe sind Trendprognosen interessant. Da mir dieses Jahr allerdings die Zeit fehlt eine Metaanalyse von Trendaussagen vorzunehmen, wie ich das für 2016 getan hatte, möchte ich den Blick auf einen anderen Bereich lenken, den der Umsetzung von Trends bzw. der Erneuerung im HR.
2017 jährt sich der Thesenanschlag von Martin Luther zum fünfhundertsten Mal. Der große Reformator hatte seinerseits längere Zeit gebraucht um von der Erkenntnis ins Handeln für die breite Masse zu gelangen. Dann allerdings mit der bekannt großen Wirkung. Insofern bietet das Lutherjahr meines Erachtens einen guten Anlass, um zu schauen, wie auch Human Resources vom Wissen zu mehr Tun kommen kann.

Warum HR meist anders werden muss
Die Gründe für eine Veränderung des HR-Wirkens sind im Detail sicherlich je Unternehmen unterschiedlich. Gemeinsam ist den allermeisten HR-Teams allerdings, dass ihr Bereich im Rahmen der Digitalisierung eher hinterher ist und dass HR allgemein ein Imageproblem attestiert bekommt. Auch wird von vielen Personalbereichen noch nicht genügend Wertbeitrag geschaffen bzw. gelingt es den HR-Teams nicht ihren Beitrag entsprechend passend darzustellen.
Nicht alle dieser Punkte sind in jedem Fall gerechtfertig, doch wird HR aus diesen Schwierigkeiten kaum herauskommen, wenn sich nicht eine entsprechend klare Ausrichtung auf zukunftsfähige und wertschöpfende Inhalte durchsetzt. Nicht zuletzt sollten HR-Verantwortliche auch mit Perspektive plus 3, 5 oder 7 Jahre durchaus mit der punktuellen bis vollständigen Ersetzbarkeit einiger HR-Profilbereiche rechnen. Siehe dazu den schönen Beitrag von Allianz-HRler Dominik A. Hahn mit dem viel sagenden Titel: Wann HR überflüssig sein wird – eine Prognose.
Um dem zu entgehen muss es zur HR-Reform kommen und zu allererst das leider noch häufig vorherrschende technikferne und reaktive Mind Set überwunden werden. Daher mein Appell an ggf. noch abwartende HR-Führungskräfte: Entwickeln Sie JETZT eine Vorstellung davon wo Sie mit Ihrem Team hinwollen. Gehen Sie in Klausur, entwickeln Sie einige Leitgedanken, schreiben Sie diese auf und beginnen Sie direkt im Anschluss mit dem Tun. Auch Luther entwickelte zunächst seine Leitgedanken (diesen zum Beispiel) und verfolgte dann ihre Implementierung im System (bzw. später dann deren Umsetzung außerhalb der katholischen Kirche, wie bekannt).

Braucht HR eine Reformation oder eine Revolution?
Um es mit der Antwort kurz zu machen: Der Reformation ist klar der Vorzug zu geben. Revolutionen sind selten erfolgreich und noch dazu mit erheblichen Verwerfungen verbunden. Zudem verstärkt revolutionärer Wandel die Gegenbewegung, d.h. den Wunsch wieder konkret zum alten, vorrevolutionären Zustand zurück zu kommen. Das kann einer Unternehmensfunktion wie HR nicht helfen. In der Konsequenz bedeutet dies aus meiner Sicht, dass bspw. Rufe nach der Abschaffung von HR nicht dienlich sind. Allerdings können auch Reformen, wie im Falle Luthers, sehr weitreichend sein. Für HR dürfte in vielen Fällen eine kräftige Reform sinnvoll sein, aber letztlich muss die Veränderung und die angemessene Dosis organisationsspezifisch betrachtet werden.

Vom Wissen zum Tun: Verbündete finden
Wenn wir davon ausgehen, dass oft genug Einsicht in die Veränderungsnotwendigkeit bei HR besteht und auch die entsprechenden Trends bei den Verantwortungsträgern weitgehend bekannt sind, dann geht es vor allem darum in der Organisation entsprechend gewichtige Verbündete zu finden. Nur wenn eine „reformierte“ HR dem Unternehmen größeren Mehrwert zu bieten verspricht, wird es dafür Top-Management-Support geben. Dieser Mehrwert kann in einigen Bereichen in Zahlen ausgedrückt werden, oft aber geht es um die allgemein gesteigerte Zukunftsfähigkeit. Themen wie Analytics, Unternehmenskultur oder Arbeitgebermarke sind hier dankbare Einstiegspunkte. HR-Führungskräfte benötigen für eine erfolgversprechende HR-Reformation die Unterstützung aus dem Top-Level. Wie einst Luther in seinem Landesfürsten einen starken Fürsprecher und Schützer hatte, so braucht auch HR eine gewisse Hausmacht.

Neue Rollenbilder, neue Kompetenzen
Da wo die Veränderung hingeht werden neue, andere HR-Rollen entstehen und neue Kompetenzen benötigt werden. Insbesondere im Bereich Personalmarketing und Recruiting steht eine Verschmelzung mit Marketingaufgaben an. Dieser Remix von HR- und Marketingaufgaben braucht eine Definition dieser neuen Rolle und sicherlich neue Kompetenzen. Der Digitalbereich wird aus HR-Sicht nur dann wirklich gut nutzbar sein, wenn entsprechende Mitarbeiter über die nötigen Fähigkeiten und das entsprechende Verständnis im Umgang und der Verwendung von Daten haben werden, Stichwort Data Analyst. Auch hier kommt viel Arbeit und viel Neu- bzw. Umlernen auf HR zu.
Auch konsequent Aufgaben abzugeben hört zum Setting einer solchen HR-Reformation. Wie sollen HR-Teams ihr Verwalterimage loswerden, wenn viele Verwaltungsaufgaben eben doch vom HR-Team ausgeführt werden? Lohn- und Gehaltsabrechnungen bspw. können ggf. outgesourct werden, andere Verwaltungsakte über digitale Employee-Self-Services abgedeckt werden. In Recruitingfragen können und sollten die operativen Teams stärker in die Pflicht genommen werden.

HR-Reformation in der Sprache sichtbar machen
Eine der wichtigsten Leistungen von Luther war unbestreitbar seine Bibelübersetzung. Nun konnte jeder im normalen Volk die Bibeltexte lesen und verstehen. Für eine HR-Reformation kann diese Analogie bedeuten, vor allem das neue Selbstverständnis über eine neue Bezeichnung deutlich zu machen. Ob sich Human Resources nun in Human Relations umbenennt wie bei Continental geschehen, oder ob der Bereich wie bei Airbnb nun „Employee Experience Group“ heißt, ist Geschmackssache. Wichtig erscheint mir hier das Statement dahinter: Wir machen Dinge nun anders, wir haben einen anderen Fokus! Das ist es, was jeder in der unternehmensweiten Organisation durch diese Umbenennung mitbekommt – täglich. Und allen Unkenrufen, die es vielleicht hier und da geben wird zum Trotz: Sprache ist wichtig. Eine HR-Reform geht besser mit einem Redesign des Begriffes.

Neue Sprache auch nach außen: Arbeitgeber- und Bewerberkommunikation
Eine von einer „HR-Behörde“ verantwortete Bewerberkommunikation wird stets nach Bürokratie klingen. Daher: Bei einer Reformation ist die Sprache in die Organisation hinein genauso wichtig, wie die nach außen verwendete Sprache. Daher muss die Kommunikation als Arbeitgeber rasch im Zuge einer HR-Erneuerung auf den Prüfstand. Akzentuieren Sie Ihre Bewerberkommunikation passend. Schließlich werden einige der aktuellen Bewerber die Kolleginnen und Kollegen der nahen Zukunft sein.

Neue Werkzeuge sind digital und Kultur
Keine weitreichende Veränderung ohne neue Tools. Luther hätte nie die Breitenwirkung erzielt ohne Gutenbergs Buchdruck. Der Buchdruck unserer Tage sind die neuen digitalen Werkzeuge. Haben Sie schon ein Bewerbermanagementsystem oder wird noch mit Excel-Tabellen gearbeitet? Verbinden Sie Daten aus unterschiedlichen Systemen? Wie organisiert sich Ihr Coworking? Sind Cloud-Lösungen noch pfui? Viele Fragen zu vielen Tools. Doch die hier ohnehin nicht zu beantwortende Frage nach einzelnen Tools steht sowieso in der zweiten Reihe. Viel wichtiger ist die Akzeptanz von Digitalem durch eine entsprechende Kultur. Dies gilt unternehmensweit, aber vor allem gilt dies bezogen auf die HR-Reformation zunächst einmal für die HR selbst. Digitalisierung benötigt entsprechende kulturelle Flankierung. Darin liegen die Führungsaufgabe und die nicht-technische Herausforderung. Finden Sie also schnellstmöglich kulturelle Fußangeln, die dem effektiven Einsatz von digitalen Tools im Wege stehen.

Weniger ist Mehr
Last but not least: Die hier skizzierten Aspekte zur HR-Reform sind Einstiegspunkte und bedürften sicherlich hier und da der Ergänzung und ganz bestimmt der fallspezifischen Konkretisierung. Trotzdem lässt sich immer wieder feststellen, dass es bei Veränderungen aller Art hilfreich und erfolgversprechend ist, sich auf wenige wichtige Punkte zu konzentrieren. Dies gilt übrigens im doppelten Sinne: Nicht nur für HR-Reformen selbst, sondern auch inhaltlich oft im HR-Handeln selbst. Bspw. neigen viele HR-Departments dazu ausführliche Formulare zu verwenden und den Fachabteilungen sehr umfangreiche Performancegespräche für deren Mitarbeiter aufzubürden. Die dabei gewonnenen Massen an Daten werden im seltensten Fall wirklich effektiv genutzt. Vielleicht kann sich ein Teil der HR-Reform genau hier so schön sichtbar machen: Vereinfachen Sie radikal die Prozesse rund um die Mitarbeiterjahresgespräche und vor allem deren Dokumentation. Das ist übrigens wohl auch wieder einer dieser HR-Trends – und so schließt sich hier der Kreis.

Viel Erfolg im HR-Jahr 2017!

 

Bild: Martin Luther, painted portrait CC BY 2.0 by thierry ehrmann

Ein Gedanke zu „2017: Das Jahr der HR-Reformation? Vom Wissen zum Tun!

  1. Jörg Hipper

    Sehr interessante Einschätzung der aktuellen Entwicklungen, danke. Was ich beobachte ist, dass es (fast) allen gleich geht und es entsprechend wichtig ist über ein gutes Netzwerk zu verfügen und mitzubekommen, wie andere Unternehmen mit neuen Fragestellungen umgehen. Reformation statt Revolution ist sicher der richtige Weg.

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