Robindro Ullah und Michael Witt haben bei VOITH mit aufsehenerregenden Personalmarketingaktionen für Furore gesorgt und kürzlich den PMI-Award dafür bekommen. Die beiden haben ihre vielen Recruiting- und HR-Marketingerfahrungen in ein gemeinsames Buch gegossen, dem Praxishandbuch Recruiting. Anlässlich des Erscheinens dieses Werkes habe ich mit den beiden Autoren ein Interview geführt.
Es mangelt in der Welt des Personalmanagements sicher hier und da an einigem. Jedoch fehlt es bestimmt nicht an HR-Büchern. Ich bekomme in meiner Rolle als HR-Blogger jeden Monat Anfragen von Verlagen oder Pressemitteilungen über das Erscheinen von neuen Büchern mit HR-Bezug. In der Regel ignoriere ich dies. Nicht weil das alles so unnütze Werke wären, nein, schlicht die Zeit fehlt mir, diese ganzen Bücher zu lesen und dann darüber zu berichten, was dann allerdings hier im Blog etwas einseitig werden würde… Daher braucht es schon eine besonders interessante Konstellation, um mich mal wieder blogtechnisch mit einem HR-Buch auseinander zu setzen. Diese seltene und wertvolle Kombination ist beim „Praxishandbuch Recruiting“ gegeben: Michael Witt und Robindro Ullah sind nicht erst seitdem sie dieses Jahr mit dem Personalmarketing-Innovator-Preis (PMI-Award) ausgezeichnet wurden Recruiting-Innovatoren ersten Ranges. Nein, bereits seit Jahren arbeiten die beiden immer wieder dran Recruiting und HR-Marketing in effektive Formen und oft auch in neue Formate zu gießen. Das gelingt ihnen in der Praxis oft und daher war es dankbar diese beiden Profis nun auch als Fachbuchautoren zu erleben.
Mein Fazit zum Buch:
Das Buch habe ich gern gesichtet und bin vollauf zufrieden mit dem zeitlichen Invest: Das Praxishandbuch Recruiting von Ullah/ Witt hält was es im Titel verspricht: Praxisbezug. Dazu kommt immer aber auch die richtige Menge an theoretischem Background und, obwohl sehr operativ orientiert geschrieben wurde, auch hinreichend Rückkopplungen mit strategischen und übergeordneten Themen (z.B. Planung oder Arbeitgebermarke). Inhaltlich gefällt das Buch durch eine gute Orientierung entlang eines idealtypischen Recruitingprozesses und vielen, vielen nützlichen kleinen Hinweisen, welche die Erfahrung und die Über-den-Tellerrand-Sichtweise der beiden Autoren klar erkennen lässt. Ein sehr gelungenes Buch, wie ich finde und zwar sowohl für Recruitingeinsteiger, als auch für Kenner und Könner, die nicht aufhören wollen zu lernen. Vor allem das umfangreiche Kapitel zu Social Recruiting ist hier sicher für viele interessant, die sich bisher mehrheitlich nur auf Xing, Linkedin und Facebook fokussiert hatten.
Da mir das Buch so gut gefallen hat und ich aus eigener Erfahrung mit meinem Herausgeberwerk „Innovative Talentstrategien“ weiß, wie viel Arbeit ein solches Buchprojekt bedeutet, bat ich Robin und Michael ins Interview. Die beiden kamen meiner Bitte gern nach und wir sprachen über das Buch, was es bedeutet gemeinsam ein Fachbuch zu schrieben und wagen kleinen Ausblick auf den aktuellen Status und die Bedeutung von Social Recruiting heute und das HR-Trendthema Candidate Experience.
Das Interview:
Christoph Athanas, meta HR: Hallo Michael, hallo Robindro. Ihr habt nicht nur kürzlich gemeinsam den PMI-Award abgeräumt, sondern auch gerade Eurer zusammen verfasstes „Praxishandbuch Recruiting“ veröffentlicht. Dazu ein paar Fragen. Als erstes ganz profan: Warum dieses Buch und das so klassische Medium, wo es Euch beiden doch an digitalen Kommunikationskanälen nicht mangelt?
Michael Witt: Da ich selbst sehr viel lese und gern eben auch ein Buch in der Hand halte, stellte sich für mich die Frage nach dem Medium gar nicht. Zudem gibt es das Buch ja auch als e-book Version, so dass auch die Handhelt-Leser auf ihre Kosten kommen Die Frage nach dem warum ist ein bisschen komplexer und schwieriger zu beantworten: Ich habe eben beim Lesen festgestellt, dass ich 2-3 Bücher benötige um das Arbeitsfeld „Recruiting“ gesamtheitlich zu erfassen. Darüber hinaus ist die Fachliteratur in diesem Bereich ja sehr von Herausgeberbänden dominiert. Daher war mein Ansatz der: 2 Autoren – ein Thema.
Robindro Ullah: Das ist recht schnell erklärt. Für mich war klar, dass ich nicht nur beim Rekrutieren von der Zielgruppe her denken muss, sondern dies natürlich auch dann von mir verlangt wird, wenn ich meine mittlerweile 8 Jahre Recruitingerfahrungen mit den Personalmanagern teilen will. Mir war auch wichtig, dass das was wir zu Papier bringen „Gehör“ findet. Beides spricht heutzutage dafür, dass man als Medium das Buch wählt.
Christoph, meta HR: Ein Fachbuch gemeinsam zu schreiben bedeutet einerseits Arbeitsteilung, andererseits gute Abstimmung, damit am Ende ein konsistentes Werk entsteht. Bei welchen Inhalten gab es bei Euch den größten Diskussionsbedarf oder wart Ihr stets überall einer Meinung?
Robindro: Das Schöne an dem Buch ist sein logischer Aufbau, ausgehend von einem sehr nachvollziehbaren Recruitingprozess. Da wir uns im Prozess einig waren und sich alles nachfolgende davon ableitete, gab es tatsächlich keine größeren Diskussionspunkte. Wir mussten uns manchmal gegenseitig etwas bremsen, um nicht einen 500-Seiter draus zu machen.
Michael: Wir hatten immer eine prima Arbeitsatmosphäre und waren uns auch eigentlich immer einig, wohin die Reise gehen soll. Dass wir ein sehr gleiches Recruiting-Mind-Set haben, haben wir ja in unserer gemeinsamen Arbeit schon festgestellt. Ich denke, ohne diese gemeinsame Basis ist so ein Werk nicht möglich. Diskutiert haben wir immer mal wieder die Tiefe und inhaltliche Abgrenzung einzelner Kapitel oder Absätze und mussten uns gegenseitig immer wieder ermahnen nicht zu viele Anglizismen zu verwenden. Wir haben die einzelnen Kapitel aber nach unserem Expertenwissen aufgeteilt, so dass sie Fachlichkeit immer sichergestellt war.
Christoph, meta HR: Die übliche strategische Handlungsrichtung der Personalgewinnung lautet: Erst Employer Branding, dann Personalmarketing und schließlich mit Benefit aus diesen Vorleistungen dann das Recruiting zur konkreten Stellenbesetzung. Obwohl Ihr den Wert von bspw. Employer Branding auch benennt, argumentiert Ihr aber ein Stück weit anders, nämlich für die Umkehrung des oben genannten Prinzips: Das Primat bekommt bei Euch das Recruiting, dem Personalmarketing und EB folgen sollen. Das finde ich interessant. Weshalb sollte Eure Ausrichtung der Aktivitäten den Vorzug bekommen?
Robin: Nach wie vor ist es so, dass ganz grundsätzlich das Employer Branding vor dem HR Marketing und vor dem Recruiting steht. Wir befinden uns allerdings in einem Praxishandbuch und sprechen aus diesem Grund vom operativen Employer Branding. D.h. in der Praxis kannst du erst dann deine Employer Brand richtig ausrichten, wenn du weißt, wen du suchst. Natürlich kannst (und solltest du auch) du deine Positionierung vorab erarbeiten. Wie diese dann aber auf die verschiedenen Handlungsfelder heruntergebrochen wird, kannst du erst nach deiner Bedarfsplanung entscheiden.
Michael: Wir haben bei unserem Buch ja eine operative Brille auf und stellen Recruiting im Sinne einer operativen Umsetzung vor. Hierbei geht es uns dann im Besondern um die Anteile von Employer Branding und HR Marketing die im Recruitinggeschehen zum Tragen kommen. Aus ganzheitlicher Prozesssicht stimmt deine Ausführung so schon.
Christoph, meta HR: Mit Euren Erläuterungen wird der von Euch verfolgte Ansatz besser nachvollziehbar, danke dafür. Zum nächsten Thema: Ein umfangreicher Teil Eures Buches geht aufs Social Media Recruiting ein. Diese Disziplin erfuhr in der Fachdebatte erst einen großen Hype und wurde dann faktisch für gescheitert erklärt. Ich teile diese Meinung persönlich nicht, möchte aber gern von Euch wissen, wie sehr Social Recruiting wieder belebt werden muss?
Michael: Ich glaube Social Recruiting lebt. Aber Social Recruiting ist eben oftmals ein plattformbezogenes Geschäft, so dass hier nicht wie bei den großen HR Marketing Kampagnen Buzz und Sichtbarkeit drauf kommt. Ein schönes Beispiel ist das „Tinder-Projekt“ von Jan und Tobi von „Der Grünen Drei“ die in einem perfekten Projekt zeigen wie Social Reruiting funktioniert. In unserem Buch gehen wir in Sinne des operativen Recruitings nicht ins Detail. Wir versuchen eher ein grundlegendes Verständnis für Plattformen, Networks und Social Media zu vermitteln um davon ausgehend zu bewerten ob für das eigene Recruiting die eine oder andere Plattform passend(er) sein kann.
Robin: Ich möchte deine Worte gern anders umschreiben: erst erfuhr Social Media Recruiting einen großen Hype und dann haben alle gemerkt, dass das mal richtig viel Arbeit ist. Viel Know-How, viel Zeit und viel Geduld. Was wir mit unserem Buch versucht haben, dem Leser an die Hand zu geben, ist wie Michael schon sagt, eine Blaupause mit der er einen einfacheren Zugang zu den neuen Medien erhält. Es ging uns weniger um Best Practice und „guck wie du damit zurechtkommst“ – sondern mehr darum dem Leser zu erklären, warum wir uns wann für welche Sozialen Netzwerke entschieden haben. Eine Art Logik mit der man Soziale Netzwerke leichter einschätzen kann.
Christoph, meta HR: Erfreut hat mich natürlich, dass Ihr in Eurem Buch auch das Thema Candidate Experience aufgreift und dabei aus unserer Studie zitiert. Was ist Euer Eindruck zur Candidate Experience Debatte: Wie sehr hat die breite Mehrheit der HR-Verantwortlichen das Thema bereits auf der Agenda?
Michael: Ich glaube, dass aus programmatischer Sicht dieses Thema noch nicht in den Handlungsplänen aller HR-Verantwortlichen Einzug erhalten hat. Zudem scheint mir, dass einige Dinge schon umgesetzt und auch geplant werden, aber mitunter mit einem anderen Wording. Dennoch müsste dieses Thema tiefer in die Organisationen eindringen. Dafür haben wir ja dann euch ;-)
Robin: Gar nicht – wäre meine kurze Antwort. Wie du weißt, schreibe ich gerade an meinem zweiten Buch. Es geht da um Candidate Experience, aber zur Abwechslung aus Sicht der Bewerber. Hierzu habe ich etliche qualitative Interviews geführt. Zusammengefasst kann man sagen: ja, einige nutzen den Vorteil, der sich durch einer guten Cand Ex ergibt. Die meisten scheint dieser Vorteil aber nicht zu interessieren.
Christoph, meta HR: Letzte Frage und noch einmal konkret zu Eurem Buch: Mir ist aufgefallen, dass dem für den Einstellungserfolg doch so entscheidende Aspekt der Bewerberauswahl bei Euch nur knappe 18 Seiten gewidmet werden. Das schließt so umfangreiche Methoden wie Interviews und ACs ein. Wieso diese relative Kürze: Findet Ihr diesen Teil des Recruiting nicht so bedeutend?
Michael: Doch, das ist die eigentliche Kerndisziplin des Recruitings. Oftmals wird Recruiting auch nur auf diese Bereiche reduziert. Das ist uns natürlich zu kurz gegriffen. Warum wir hier nicht tiefer und breiter ins Thema sind hat einen Grund: Es wurde zu diesen Themen ausreichend geschrieben und es gibt in Hülle und Fülle Bücher auf die wir, wenn es ins Detail geht immer direkt verweisen. Aus dem Ansatz des Buches heraus, einen Leitfaden zu schreiben, der die Recruiting-Basics vermittelt ist es im Verhältnis denke ich so passend.
Robin: Ich glaube, dem muss ich nichts hinzufügen ;-)
Christoph, meta HR: Danke Euch beiden für das Gespräch und ich wünsche viel Erfolg für das Buch.
Über meine Gesprächpartner:
Michael Witt ist Teamleiter Recruiting bei der VOITH Industrial Services GmbH. Er ist lebhaft in den sozialen Netzwerken unterwegs, twittert und @recruitingwitt und hob dieses Frühjahr den Event Recruiter Slam aus der Taufe.
Robindro Ullah ist nach einigen Jahren in Recruiting und Personalmarketing bei der DB, seit Mitte 2013 Head of Employer Branding and HR Communication bei VOITH und wechselt in Kürze als Berater zur DEBA. Er ist anerkannter HR-Blogger, zu lesen unter hr-in-mind! er gilt als einer der Experten im Social Recruiting Kontext.