Der viel zitierte ´war for talents´ bringt zahlreiche Unternehmen in die Situation, dass die Personalbeschaffung Jahr für Jahr noch bedeutender für den Unternehmens-erfolg wird. Das führt dazu, dass es für Personalabteilungen noch wichtiger ist Maßnahmen in Recruiting und Retention Management klar begründet treffen zu können. Dafür ist die Nutzung von Recruiting-Kennzahlen unverzichtbar. Hier werden 20 solche Kennzahlen vorgestellt und ein paar Gedanken zur sinnvollen Verwendung von Recruiting-Controlling angeschlossen.
Controlling im Recruiting: Ein Blick auf Definition und Zweck
Bevor wir uns auf einzelne Kennzahlen stürzen, noch ein Blick darauf, was Recruiting-Controlling eigentlich meint: Controlling im Recruiting-Kontext beschreibt die Beschaffung, die Verarbeitung und die Auswertung von entsprechenden Daten. Die Absicht dahinter ist es Entscheidungen die eigene Personalschaffung betreffend fundiert vornehmen zu können und auf gesetzte Performanceziele steuernd hinzuarbeiten. Daher ist das Controlling im Recruiting eben viel weniger als häufig fälschlicherweise angenommen der Endpunkt der Aktivitäten, sondern gleichzeitig sein Ausgangspunkt. Optimalerweise leistet eine solche Erfolgsmessung eben nicht nur eine rückblickende Leistungsbewertung der Recruiting-Organisation, sondern erlaubt das Steuern zukünftiger Aktivitäten wie bspw. der Anzeigenschaltung oder den Einsatzes von Personalberatern. Neben diesen eher operativen Blickwinkeln, leistet ein ganzheitliches Recruiting-Controlling auch eine Hilfe für die HR bei deren Beitrag zur Unterstützung für die Erreichung von Unternehmenszielen. Hier verbinden sich strategische Aspekte und Tagesgeschäft. Eine Zuordnung von verschiedenen einzelnen Kennzahlen zu strategischen Personalbeschaffungszielen, welche sich wiederum aus den allgemeinen Unternehmenszielen und Personalplanungen ableiten, wird dann notwenig.
Warum Recruiting-Controlling ein wichtiger Beitrag zum professionellen Personalmanagement ist
Warum eigentlich dieses Thema? Sollte es nicht selbstverständlich sein, dass Erfolge gemessen und beurteilt werden, eben auch im Recruiting? Natürlich! Allerdings wird Controlling im HR leider noch zu oft stiefmütterlich behandelt. Das sollte aber nicht sein. Man stelle sich nur einmal vor ein Weitspringer würde nach einem Sprung keine Weite erfahren. Undenkbar! Daher sollten auch Recruitingaktivitäten als Teil des HR-Wertbeitrages gemessen werden und als Grundlage für weitere Handlungspläne dienen. Leider realisieren dies laut der DGFP-Studie „HR-Kennzahlen auf dem Prüfstand“ (2011) nur eine Minderheit der Unternehmen. So wird dort bspw. festgestellt, dass lediglich 38%der Unternehmen die Standardkennzahl Time-to-Fill tatsächlich messen, also wie lange es insgesamt braucht eine Stelle zu besetzen. Ob dabei diese und weitere Kennzahlen nur erhoben werden oder ob damit dann tatsächlich das Recruiting gesteuert oder weiter optimiert wird ist hierbei nicht einmal klar. Fakt aber ist, dass heute gerade die Personalbeschaffung oft viel wettbewerbsintensiver ist als früher. In der Folge des oft als Fachkräftemangels beschriebenen Phänomens stellen mittlerweile rund 41%der Unternehmen fest bestimmte Stellen nur noch schwer oder gar nicht mehr besetzen zu können (Studie Recruiting Trends 2014, Monster / Universitäten Bamberg und Frankfurt). Daher können HR-Abteilungen, welche konsequent Recruiting-Controlling betreiben in einem Umfeld wo viele Wettbewerber dies offenbar noch nicht tun, direkte Wettbewerbsvorteile für ihr Unternehmen generieren.
Die Übersicht: 20 wichtige Recruiting-Kennzahlen auf einen Blick
Hier folgt nun die (unvollständige) Auflistung von 20 wichtigen Recruiting-Kennzahlen, grob eingeteilt in die drei großen Kategorien Zeit, Kosten und Qualität/ Effektivität.
Zeit
1) Time-to-Fill: Zeit die es braucht von der Personalbedarfsmeldung, bis zur Besetzung einer Stelle (teilweise unterschiedlich definiert auch bis zum Arbeitsantritt des neuen Mitarbeiters).
2) Time-to-Interview: Durchschnittliche Dauer von der Personalbedarfsmeldung bis zum Interview
3) Time-to-internal-feedback: Zeit die es durchschnittlich benötigt, bis vom verantwortlichen Hiring Manager ein qualifiziertes Feedback über einen Bewerber an den Recruiter ergeht. I.d.R. die Basis für Jobangebot oder Absage.
4) Prozentsatz unbesetzter Stellen nach X Tagen: Definiert bspw. ein Unternehmen für sich, dass es strategisch wichtig ist 90%aller offenen Stellen binnen maximal 60 Tagen nach Bedarfsmeldung zu besetzen, so ist dieser Grenzwert sehr interessant. Bei nachhaltigem überschreiten dieses Wertes würde eine Überprüfung der eigenen Recruitingorganisation und auch deren finanzieller Ausstattung Sinn machen, um den Beitrag zum Unternehmenserfolg und zur strategischen Zielsetzung leisten zu können (oder eben letztere anzupassen).
5) Service-Rate within time X: Prozentsatz der vom Recruiting-Department in einem definierten Zeitraum beantworteten Fragen von Bewerbern bzw. Job-Interessenten.
Kosten
6) Cost-per-Hire: Die Kosten, welche je Stellenbesetzung für das Unternehmen durchschnittlich anfallen. Neben einem allgemeinen Durchschnitt bieten sich Aufschlüsselungen an nach Kosten je Besetzung in jeder Jobfamilie oder je Standort usw. an.
7) Kosten pro Bewerbung: Die Kosten welche umgelegt betrachtet anfallen um X Bewerbungen zu generieren.
8) Cost-of-vacancy (je Jobprofil): Die Kosten einer spezifischen, unbesetzten Stelle je Tag. Erlaubt die entlang der Kostensituation beim Nicht-Vorhandensein eines Stelleninhabers die Besetzungsprioritäten objektiv zwischen Jobprofilen abzuwägen. Alternativ können so bspw. auch die Gesamtkosten aller nicht-besetzten Positionen ins Verhältnis zum jährlichen Recruiting/ Personalmarketing-Etat gebracht werden.
Qualität / Effektivität
9) Beschaffungskanal-Effektivität: Kosten-Nutzen-Betrachtung je Personalbeschaffungskanal. Wie viel Prozent Einstellungen wurden je Kanal im Verhältnis zu den über diesen Kanal generierten Bewerbungen vorgenommen.
10) Anzahl Bewerbungen je Kanal bzw. je Stellenanzeige. Selbsterklärende Kennzahl…
11) Empfehlungs-Bewerber-Rate: Anteil Bewerbungen durch Mitarbeiterempfehlungen
12) Offer-Rate: Anzahl ausgesprochene Jobangebote nach geführten Interviews
13) Offer-Accept-Rate: Anzahl angenommene vs. ausgesprochene Jobangebote
14) Besetzungsquelle: Verhältnis neuer externe Bewerber vs. bekannter externer Bewerber (Talent Pool) vs. interne Bewerberherkunft
15) Zufriedenheitsrate Fachabteilung (gemessen an jedem einzelnen Recruitingvorgang)
16) Zufriedenheitsrate mit Rekrutierungsprozess bei den Neueingestellten und den Bewerbern, welche bis ins Interview genommen wurden (erfasst u.a. die Bewerbererfahrung im Prozess und dient dem Candidate Experience Management)
17) Quality-of-hire: Performance Evaluation / Mitarbeiterbeurteilung der Neueinstellung nach einen festgelegten Zeitraum. Optimal mit Aufschlüsselung nach Beschaffungskanal bzw. nach verantwortlichen Recruiter und Hiring-Manager.
18) Retention Rate: Prozentsatz der Neueinstellungen, welche nach der Probezeit oder einem anderen einheitlich definierten Zeitraum noch im Unternehmen sind.
19) Güte des Talent Pools je Jobprofil: Prozent an im Talent Pool vorhandenen Kontakten, die nach Aufforderung tatsächlich eine qualitativ akzeptable Bewerbung eingesendet haben.
20) Rate Active Sourcing Erfolg: Aktive Ansprachen zu Kandidatenantworten zu hiernach tatsächlich eingegangen Bewerbungen (und zu daraus erfolgten Stellenbesetzungen).
Abschließende Gedanken über Recruiting-Controlling und das Wesen der Kennzahlen
Wie oben bereits angemerkt stellt diese Liste nur einen Ausschnitt dar und erhebt in keiner Weise Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch: Mehr Kennzahlen verwirren oft nur. Daher sollte in aller Regel für eine effektive Recruitingsteuerung und -kontrolle gelten, dass Sie sich besser auf wenige aussagekräftige Werte konzentrieren, als auf viele eher trivial-nichtssagende Kennzahlen. Die konkrete Auswahl ist dabei dem Unternehmen und dem damit verfolgten Zwecken vorbehalten. Ein Thermometer bspw. ist ein schönes Messinstrument, aber in einem Motorrad-Cockpit ist ein Tachometer eben viel wichtiger…
Vorsicht auch bei ausschließlichem Augenmerk auf die „klassischen Kennzahlen“ wie time-to-fill und cost-of-hire. Wie bereits oben zu sehen ist, habe ich die Mehrzahl der Kennzahlenbeispiele aus der Kategorie Qualität / Effektivität gewählt, da die Kennzahlen aus den Kategorien Zeit bzw. Kosten nicht unbedeutende Nebeneffekte aufweisen können, sofern diese eine zu starke Beachtung finden. Ein Beispiel: Wird im Recruiting zu viel Wert auf hohe Geschwindigkeit und Kostenminimierung gelegt, so haben Recruiter (interne genauso wie externe Personalberater) die Neigung dazu möglichst schnell Kandidaten zu finden, nur um die Vakanz irgendwie zu besetzen. Dabei erfüllen sie dann zwar formal die Prozessvorgaben, vernachlässigen aber die Gefahr hoher Fluktuationen im Nachgang mit weit größeren Kosten und ggf. abträglichen Nebenwirkungen für die Arbeitgebermarke. Nichtsdestotrotz sind natürlich Kennzahlen rund um Kosten und um Anwicklungszeiten wichtige Wegmarken, nur bitte stets in der Kombination mit dem Blick auf die mittel-langfristige Qualität / Effektivität. Auch hierfür ist ein ausbalanciertes Kennzahlen-Setting wichtig. Idealerweise ist ein solcher HR-/Recruiting-Kennzahlen-Katalog systematisch mit den strategischen Unternehmenszielen verknüpft. Die Methode der Balanced Scorecard kann hierfür z.B. hilfreich sein.
Wenn Sie sich für die Überprüfung Ihrer Recruiting-Kennzahlen aus neutralem Blickwinkel interessieren oder Sie Unterstützung bei der Zusammenstellung eines effektiven Recruiting-Controllings wünschen, stehen meine Organisation und ich natürlich gern zur Verfügung.
P.S.: In Zusammenarbeit mit den Kollegen von ABSOLVENTA Jobnet wurden eine Reihe der Leitgedanken und Kennzahlen dieses Beitrages in ein schönes HR-Controlling-Poster überführt.
Klasse Beitrag, sehr hilfreich!
Guter Artikel, der nicht nur sinnvollen Überblick gibt sondern auch Kennzahlen aus dem Bereich Qualität/ Effektivität in der Rekrutierung berücksichtigt.
Danke für die Aufstellung. Habe Sie gleich ausgedruckt, um mich detailliert damit zu beschäftigen.