Für Employer Branding und Personalmarketing gilt Facebook als ein „heißes Eisen“ und zwar in doppelter Hinsicht: Einerseits weil es immer noch ein Trend-Thema für die HR-Kommunikation ist und andererseits, weil viel darüber gesprochen, aber nur recht wenig gehandelt wird.
Deutschsprachige Unternehmen haben in der Mehrzahl immer noch nicht wirklich verstanden, wie das weltgrößte Social Network für HR-Zwecke sinnvoll eingesetzt wird. Die Digitalagentur atenta aus Hamburg hat nun ihre Facebook Recruiting Studie 2012 vorgelegt, eine empirische Bestandsaufnahme zur Konstitution deutschsprachiger Karriere-Fanpages. Dazu wurden insgesamt 281 Karrierepages betrachtet, davon 224 allgemeine Karrierepages und 57 dezidierte Azubi-Karrierepages.
Da zahlreiche Blogger-Kollegen in den letzten Tagen bereits tolle Arbeit geleistet haben und zu dieser Studie Stellung genommen haben, will ich weniger auf die einzelnen Zahlen oder Detailergebnisse eingehen, denn mehr eine kritische Würdigung dieser Studie insgesamt anbieten. Wen detaillierte Einschätzungen zu den Ergebnissen interessieren oder z.B. gern die Definition von Karriere-Fanpages angesichts dieser Studie hinterfragen möchte, dem sei wärmsten empfohlen bei meinen geschätzten Blogger-Kollegen Henner Knabenreich (hier geht´s u,a. um die Definition) oder bei Jörg Buckmann vorbei zu lesen.
Ich werde im folgenden kurz auf die Highlights der Studie zu sprechen kommen. Anschließend werde ich sagen, was die inhaltliche Seite der Studie aus meiner Sicht über den Zustand der Facebook Nutzung für HR-Zwecke aussagt. Abschließend nehme ich zur Studie selbst Stellung, dazu was die Studie leistet, was sie nicht leistet (leisten kann) und was ggf. noch wünschenswert ist zum noch besseren Verständnis und für die erfolgreiche Nutzung von Facebook als Personalmarketing-Instrument.
Die Studie im Überblick und in einer kritischen Würdigung
Obwohl es an Studien und Umfrageergebnissen zu Social Media Themen wirklich nicht mangelt, lohnt sich der Blick auf diese Ergebnisse. Ein Grund dafür ist die Kombination aus empirisch gewonnenem Zahlenwerk und praktischen Handlungsempfehlungen von den Autoren. Das atenta Team liefert so gewissermaßen eine Mischung aus Studie und Whitebook. Das ist ein wirklicher Pluspunkt in der Landschaft der sog. „Studien“, die manchmal einfach nicht viel mehr als Social Media Zahlenschleudern sind. Hier aber können HR- und Social Media Verantwortliche leicht herausfinden, welche Eigenheiten ihr eigener Facebook-Karriereauftritt im Vergleich zur Masse hat oder wo sie gemessen an den Empfehlungen aufgestellt sind.
Die Top-Facts:
– Knapp 45 Prozent der untersuchten Unternehmen binden ihre Stellenanzeigen mithilfe einer Jobbörsen-App in ihre Karrierepage ein.
– Rund 43 Prozent der Karrierepages stellen ihrer Community mittels einer Image-App im Rahmen der Page das eigene Unternehmen und seine Karriereperspektiven vor.
– Lediglich jedes siebte Unternehmen stellt auf der Karrierepage das Facebook-Team bzw. seine Ansprechpartner für Karrierefragen vor.
– Nahezu die Hälfte aller Karrierepages nutzen Videos zur Darstellung des Unternehmens oder der Vermittlung von Karriereperspektiven. Durchschnittlich ist jeder zwanzigste Post ein Video.
– 78 Prozent der Karrierepages Duzen die Mitglieder ihrer Community, 13 Prozent Siezen ihre Fans und rund 10 Prozent kommunizieren ohne direkte Anrede (!).
– Durchschnittlich posted eine Karrierepage 12 Beiträge im Monat, insgesamt reicht die Spanne von 0 bis 86 Beiträgen.
Empfohlener Richtwert sind übrigens ca. 4 Posts pro Woche.
– 43 Prozent der Postings enthalten Bilder, bei denen es sich vielfach aber lediglich um automatisch importierte Vorschaubilder zu verlinkten Inhalten handelt.
– Knapp 50%der untersuchten Karrierepages reagieren nicht auf Aktivitäten ihrer Community(!).
– Vier Prozent der Karrierepages haben im Untersuchungszeitraum ein Gewinnspiel veranstaltet.
Alle untersuchten Bereiche werden vom Autorenteam jeweils einzeln kommentiert und eine eigene Handlungsempfehlung wird angekoppelt.
Mein Fazit zu den Ergebnissen aus inhaltlicher Sicht:
Erschreckende und ermutigende Elemente halten sich m.E. die Wage. Einerseits sind bspw. sehr viele Unternehmen mittlerweile entspannt und klar genug die Facebook-Communities im Du-Modus anzusprechen. Das ist gelebte Facebook-Realität und holt in aller Regel die Zielgruppe gut ab. Auch ist es erfreulich, dass schon rd. die Hälfte aller Unternehmen auch auf Videos setzen, deren Kraft man gar nicht hoch genug einschätzen kann, während die leidigen Gewinnspiele immer seltener werden. Andererseits sind offenbar Interaktion mit der Community und die Einbindung der eigenen Stellenanzeigen offenbar bei gut der Hälfte aller Seitenbetreiber noch weitgehend Fremdworte. Wofür sind die dann auf Facebook???
Ich lese aus diesen Zahlen Licht und Schatten heraus, aber einige erfreuliche Entwicklungen, die helfen können den Kanal Facebook wirklich sinnvoll zu erschließen. Klar sollte jedem HR-Bereich sein: Wenn Ihr Unternehmen auf Facebook geht, dann bitte richtig. Die potentiellen Fans aka Bewerber kennen nämlich nun ausreichend positive Beispiele, eine halbherzige Lösung wird nicht reichen. Dies signalisieren die Zahlen der Studie ganz klar!
Mein Fazit zur Studie selbst:
Eine empirische Leistung wie die hier vorgelegte zu erbringen bedeutet eine Menge Aufwand und viel Arbeit. Allein dies verdient größte Wertschätzung. Sehr schön finde ich den praktischen Bezug der betrachteten qualitativen Aspekte. Es geht bspw. um Tonalität (Du- oder Sie-Ansprache?) oder um die Häufigkeit der Beiträge oder auch um die Content-Mischung (Bild, Video) auf den Karrierepages. Diese Aspekte stehen auch nach meinem Erleben immer wieder im Zentrum von Diskussionen unter Personalern, befördert eben oft durch vorhandene Unsicherheit. Diese Unsicherheit zu vermindern und mehr Orientierung zu schaffen, das leistet die atenta Studie. Orientierung bietet sie besonders dadurch, dass die Verfasser mit ihren Handlungshinweisen auch selber Positionen beziehen.
Neben der Orientierungsfunktion leistet die Studie einiges im deskriptiven Bereich. Es ist eine Bestandsaufnahme der äußeren Formen, quasi der Physiognomie von Karriere-Fanpages, welche hier gezeichnet wird. Wir wissen damit, wie die Mehrzahl der Karrierepages auf Facebook beschaffen ist. Funktional (Apps) und in Teilen in der Handhabung (Menge Posts, Interaktion etc.).
Recht genau kann nun jeder Seitenbetreiber schauen, ob die eigene Seite entsprechende Features einsetzt (bspw. Job Apps) oder auf Interaktionen reagiert und ob so den Handlungsempfehlungen gefolgt wird. Damit ist ein wertvoller Beitrag in Sachen Beschreibung geleistet.
Was die Studie nicht explizit sagt, – und hier wird es weiterführend spannend – ist ob und wie die genannten Elemente aus der „äußeren Beschaffenheit“ auch zu Wirkung im Sinne des Auftrags der Seite führen. Es wäre dann quasi die Rede über eine „Physiologie“, also eine Aussage über die inneren Zusammenhänge des System Karrierefanpage. Das wir darüber noch mehr wissen sollten liegt auf der Hand, denn schließlich geht es letztlich immer um Wirkung. Aktuelle Debatten, wie etwa, ob Content auf Facebook-Seiten Qualität bieten muss oder doch eher nur Entertainment um Wirkung bei der Zielgruppe zu erzielen, legen dies nahe. Dies zu leisten ist eine als beschreibende Studie jedoch nicht so ohne weiteres im Stande. Daher schmälert es auch nicht den Wert der vorliegenden Ergebnisse.
Lediglich in einem Punkt wäre eine „Extra-Schleife“ von atenta wirklich schön und vermutlich auch bei vertretbarem Aufwand möglich gewesen: Welche der genannten Elemente der Facebook-Karrierepages sind wie oft kombiniert vorhanden? Ein Beispiel: Wie viele der untersuchten Seiten setzen bspw. auf Job Apps, stellen das Team persönlich, setzen regelmäßig Bilder ein und kommunizieren im Du-Modus? Ich kann mir vorstellen, dass aus diesen Kombinationen noch eine Reihe interessanter Informationen hervorgehen könnte. Nun ja, die Rohdaten gibt es ja. Ok, aus mir spricht nun wirklich der Sozialwissenschaftler, Asche auf mein Haupt. Vielleicht gibt aber dieses mein Schlusswort ja doch den Ansporn noch mal tiefer in den Daten zu graben, es würde mich freuen…
Die ganze Studie:
Interessierte können die Studie über ein Kurzformular hier downloaden.