Fragwürdige These: Deutsche Führungskräfte zu alt für social media?

Die Nutzung von social media wie bspw. Twitter wird in vielen deutschen Unternehmen noch skeptisch bewertet. Laut einer Aussage von Prof. Sandra Sieber sind insbesondere Führungskräfte dem Thema soziale Netzwerke und social Web2.0 gegenüber oft nicht sonderlich aufgeschlossen. Die Professorin für Informatiksysteme an der IESE Business School in Barcelona begründet dies damit, dass viele verantwortliche Führungskräfte „zu alt“ sein um die Vorteile von social media zu erkennen und nicht an den Erfolg der Technologie glauben. Der Artikel dazu ist hier beim FAZnet erschienen.
Diese pauschale Aussage, viele Führungskräfte sein „zu alt“ dafür soziale Netzwerke und Web2.0-Technologie mit ihren Vorteilen zu erkennen, scheint mir jedoch überaus fraglich und kritikwürdig.

Natürlich gibt es eine Tendenz dahin im Alter eher auf Bewährtes zu setzen und die attraktiven Aspekte von Innovationen weniger zu gewichten (siehe dazu bspw. die Hirnforschungsresultate von Hans-Georg Häusel in dessen Buch „Brain Script„). Allerdings ist die Pauschalaussage von Prof. Sieber geradezu eine Dreistigkeit gegenüber älteren Verantwortungsträgern. Können diese Personen keine Innovationen mehr mittragen oder fördern? Und wo bitte beginnt „alt“?! Dieser Erklärungsansatz greift sehr kurz. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass Fr.Prof. Sieber die Einführung und Erstnutzung von social media in Unternehmen eher als „bottom-up“ Ansatz darstellt. D.h. sie verweist darauf, dass häufig „jüngere“ (?) Mitarbeiter der unteren Hierarchiebenen mit einer (experimentellen) Nutzung von social media im Unternehmenskontext beginnen, bevor die „älteren“ (?) Führungskräfte gewissermaßen eine Einführung verordnen. Damit bricht sich social media Bahn, wo es sonst ggff. an Hierarchien gescheitert wäre. Insofern greift Fr.Prof.Sieber diese Erklärung auf und beschreibt die Entscheider als reaktiv in hinsicht auf social media, wohingegen Mitarbeiter proaktiv mit dem social media Einsatz anfangen. Ihre Schlussfolgerung ist mir allerdings deutlich zu banal und zu pauschal. Sorry, so nicht! Eine ganze Reihe Kommentare im FAZnet-Artikel sehen das ebenfalls so und fügen eine Reihe wichtiger Ergänzungen hinzu, bspw. die Frage welche Branchen Web2.0-affin sind und welche sich damit schwer tun.
Ich möchte jedoch in einem Punkt auch die kritische Haltung von Prof.Sieber gegenüber den Entscheidungsträgern unterstützen: In der Tat deckt es sich auch mit meinen Erfahrungen, dass oftmals eine Strategie zur Einbindung und konsequenten Nutzung von Web2.0-Elementen in vielen Unternehmenteilen fehlt (social media kann mehr als nur eine Marketing-Hilfe sein). Solche Vorgaben sollten von der Unternehmensspitze, aus dem Führungskreis kommen. Beispiele hierfür sind fehlende social media Leitfäden für die Mitarbeiter oder ein Fehlen von Vorgaben zum Einsatz in sozialen Medien in Recruiting, Personalentwicklung, Kundendialog oder dem Innovations- und Talent Management.

Übrigens: Von wegen „zu alt“! Alt sein ist in weiten Teilen auch ein Glaubensatz und durchaus mittels eigener Beschäftigung damit (positiv) zu beeinflussen! Einen spannenden Artikel dazu habe ich gerade bei Kopp-Wichmann im Persönlichkeitsblog gelesen. Sehr spannend. Vielleicht liest ja auch Fr.Prof.Sieber mal dort nach…

Grüße ohne Altersbeschränkung,
Christoph Athanas