Koalitionsvertrag 2025 aus HR-Sicht: Was kommt bei Rekrutierung, Arbeitszeit, KI & Co

Der neue Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD möchte frischen Wind in die Arbeitswelt bringen. Für HR-Abteilungen bedeutet das unter Umständen, dass Anpassungen von Prozessen und Strategien nötig sind. Themen wie Fachkräftesicherung bzw. Rekrutierung, Bürokratieabbau, flexiblere Arbeitszeitregelungen, digitale Weiterbildung und der Umgang mit Künstlicher Intelligenz stehen ganz oben auf der Agenda. Hier folgte meine Auswertung des Koalitionsvertrages unter dem Personal-Blickwinkel bzw. der HR-Sicht.

Der kürzlich abgeschlossene und vorgestellte Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode enthält zahlreiche Ziele und Maßnahmen, die erhebliche Implikationen für Personalabteilungen, die Personalarbeit und den gesamten Human Resources Bereich von Arbeitgebern in Deutschland haben werden. Diese Festlegungen betreffen verschiedene Aspekte wie Fachkräftesicherung, Bürokratieabbau, Arbeitszeitgestaltung, Weiterbildung, Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen, soziale Leistungen und den Umgang mit Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt.

Fachkräftesicherung, Rekrutierung, Berufsqualifikationen

Ein durchaus sichtbarer Schwerpunkt des Koalitionsvertrages liegt auf der Sicherung der Fachkräftebasis. HR-Abteilungen werden hierbei eine Schlüsselrolle spielen, da die Koalition „alle Register“ ziehen will, damit dies gelingt – was immer das auch in der tatsächlichen Umsetzung dann heißen mag… Immerhin: Diese Zielsetzung beinhaltet die Weiterentwicklung der Fachkräftestrategie des Bundes in Zusammenarbeit mit den Ländern. Konkret bedeutet dies für HR-Abteilungen:

  • Intensivierung der Rekrutierungsbemühungen, möglicherweise auch im Ausland durch die geplante digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung – „Work-and-stay-Agentur“. Diese Agentur soll alle Prozesse der Erwerbsmigration und Anerkennung von Berufs- und Studienabschlüssen bündeln und auch beschleunigen. Eine definitiv wünschenswerte Entwicklung, da sich Deutschland bisher in diesem Feld als eher sperrig, bürokratisch und teilweise auch langsam gezeigt hat. Für Personalabteilungen könnte sich hieraus eine engere Zusammenarbeit mit dieser Agentur ergeben. Vereinfachte Prozesse und praxisnahes Handling könnten so realistischer in Reichweite kommen und damit z.B. eine erleichterte Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland.
  • Beschleunigung der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.
    Das Ziel hierbei sind einheitliche Anerkennungsverfahren innerhalb von nur acht Wochen. Sofern dies wirklich Realität wird, müssen HR-Teams sich auf veränderte Verfahren einstellen und interne Prozesse anpassen. Eine ad-hoc-Arbeitsgruppe von Bund und Ländern soll hierzu zeitnah Maßnahmen entwickeln. Klingt gut, mal sehen…
  • Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen
    Dies soll als ein entscheidender Faktor zur Fachkräftesicherung gestärkt werden. Unternehmen sind gefordert, Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, was sich in flexibleren Arbeitsmodellen und Unterstützungsangeboten für Mitarbeiter widerspiegeln muss. Die Prüfung eines jährlichen Familienbudgets für Alltagshelfer könnte hierbei unterstützend wirken.
  • Bessere Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt .
    Sofern nicht das immer noch attraktive Bürgergeld der Arbeitsaufnahme im Weg steht, könnte hieraus eine weitere Stärkung der potenziellen verfügbaren Workforce resultieren. Für HR-Abteilungen könnte sich die Anforderung ableiten Konzepte zu entwickeln bzw. anzupassen, die frühere Arbeitserfahrung, berufsbegleitenden Spracherwerb und Qualifizierung für jene Personen miteinander verbinden.

Bevor es weitergeht mit der Analyse des Koalitionsvertrages unter HR-Blickwinkel, hier noch der Hinweis für alle die besser und erfolgreicher rekrutieren wollen:
Ein zeitgemäße, kandidatenfreundliche Candidate Experience zu schaffen ist unerlässlich, wie viele Studien beweisen. Dazu gibt es bereits am 22.-23.05. die nächste von mir geleitet Veranstaltung unter dem Titel: Candidate Experience im Recruiting: JEDER Bewerberkontakt zählt!

>> Kein Politik-Schnack, sondern direkter, praktischer Nutzen – versprochen! 😉

Bürokratieabbau, Arbeitszeiten, Datenschutz

Weiter in der Analyse: Ein weiteres im Koalitionsvertrag genanntes Ziel ist der umfassende Bürokratieabbau. Ein solches oder ähnlich lautendes Ziel hatten auch die meisten Vorgängerregierungen, jedoch blieb die Wirkung meist gering. Sollte es diesmal anders kommen, dürfte auch dies die Personalarbeit betreffen, z.B. in diesen Punkten:

  • Es ist ein sofortiges Moratorium von mindestens zwei Jahren für alle neuen rechtlichen Statistikpflichten geplant. Alle bestehenden Statistikpflichten sollen auf den Prüfstand gestellt werden. Dies könnte zu einer Reduzierung des administrativen Aufwands in der Personalverwaltung führen.
  • Die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten soll unbürokratisch geregelt werden, mit angemessenen Übergangsregeln für kleine und mittlere Unternehmen. Gleichzeitig bleibt die Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich. Sicherlich eine wichtige Entscheidung. HR-Abteilungen müssen sich auf die Implementierung und Handhabung dieser Regelungen einstellen. Gegebenenfalls müssen dennoch neue Systeme eingeführt werden. Der Punkt sollte von jedem Arbeitgeber weiter genau beobachtet werden.
  • Im Bereich des Datenschutzes sollen kommerzielle Tätigkeiten (zum Beispiel in Vereinen), kleine und mittelständische Unternehmen und risikoarme Datenverarbeitungen vom Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung ausgenommen werden. Dies könnte Erleichterungen bei der Verarbeitung von Mitarbeiterdaten bringen. Noch ist nichts konkretisiert, aber sollte es hier wirklich zu Bewegung kommen, könnte sich hierdurch einiges – auch in der Personalarbeit – vereinfachen. Stay tuned…

Die Gestaltung der Arbeitszeit ist ein weiteres wichtiges Feld:

  • Es soll die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit geschaffen werden. Dies soll im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie erfolgen. Im Fall der Umsetzung bietet dieser Schritt Arbeitgebern mehr dringend benötigte Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung. Gleichzeitig stellt es dann aber auch eine neue Herausforderung an die Planung und Organisation von Arbeit da.
  • Ein neuer steuerlicher Anreiz zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten ist geplant. Arbeitgeber können dies nutzen, um Anreize für Teilzeitkräfte zu schaffen, ihre Arbeitszeit zu erhöhen.

Weiterbildung, betriebliche Altersvorsorge

Die Förderung von Weiterbildung und Qualifizierung soll ebenfalls eine größere Rolle spielen:

  • Es ist eine Weiterbildungsoffensive geplant, inklusive eines Digitalpakts. Weiterbildung und eines Förderprogramms zur digitalen Teilhabe. Klingt gut, ist aber noch in keiner Weise definiert. Hier sollten HR-Abteilungen die Antennen aufstellen und sich frühzeitig über solche Angebote informieren – so sie denn kommen. Dies könnte interessant für die Personalentwicklung werden.
  • Die Anpassung von Aus- und Fortbildungsordnungen an neue Anforderungen soll regelmäßig und systematisch mit den Sozialpartnern geprüft werden, heißt es im Koalitionsvertrag unter Abschnitt 2.3. Eine Formulierung im schönsten Beamtendeutsch, wenn die Bemerkung erlaubt ist. Dennoch: Unternehmen können hier – insbesondere über Berufsverbände – ggf. aktiv mitwirken, um sicherzustellen, dass die Qualifikationen der Arbeitnehmer den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes entsprechen. Ebenfalls ein Bereich, der von HR-Verantwortlichen mitgestaltet werden kann.
  • Die betriebliche Altersvorsorge soll gestärkt, digitalisiert, vereinfacht, transparenter gemacht werden. HR-Abteilungen müssen sich entsprechend auch hier auf Veränderungen einstellen und ihre Angebote ggf. entsprechend anpassen. Das Thema zahlt auf den wichtigen Bereich Mitarbeiterbenefits ein. Bleiben wir gespannt, was wirklich kommt und ob es wirklich weniger bürokratisch wird.

Mitbestimmung und künstliche Intelligenz (KI)

Im Bereich der Mitbestimmung und des Arbeitsrechts sind folgende Entwicklungen relevant:

  • Die Mitbestimmung soll weiterentwickelt werden, unter anderem durch die Ermöglichung von Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen sowie die Verankerung der Online-Wahl im Betriebsverfassungsgesetz. Diese neuen Formen der Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen bieten Chancen, vor allem auch im Hinblick auf die Geschwindigkeit von Entscheidungen (z.B. bei Neueinstellungen). Lobenswert, wenn es passiert…
  • Der Einsatz von KI im Unternehmen erfordert sowohl die Qualifizierung der Beschäftigten als auch die faire Regelung des Umgangs mit den Daten im Betrieb. HR-Abteilungen müssen hier in Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen Strategien entwickeln und implementieren.

Arbeitsmarktintegration, Vermittlung von Arbeitslosen

Auch im Bereich der der Arbeitsmarktintegration gibt es Implikationen:

  • Es ist geplant, Anreize für Bezieherinnen und Bezieher von Sozialleistungen zu schaffen, ein höheres Erwerbseinkommen zu erzielen oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Dies könnte sich auf die Rekrutierung von Langzeitarbeitslosen auswirken. In der Vergangenheit hat sich jedoch in der Realität wenig getan, um Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Allzu viel darf auf Basis dieser Erfahrungen auch jetzt nicht erwartet werden…
  • Die Fokussierung der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter auf die Vermittlung von Menschen in Erwerbsarbeit wird betont. Ob sich für HR-Abteilungen hieraus in der Realität wirklich eine stärkere Unterstützung bei der Personalsuche ableiten lässt, sei dahingestellt. Die Zielsetzung ist natürlich erstmal ehrenwert.

Schließlich wird die Digitalisierung in vielen Bereichen der Personalarbeit eine größere Rolle spielen, von der Rekrutierung über die Weiterbildung bis hin zur Verwaltung. Die Förderung von Künstlicher Intelligenz in der Wirtschaft und die Stärkung des Rechenzentrumsstandorts Deutschland unterstreichen die Bedeutung des technologischen Wandels für die Arbeitswelt aus Sicht der Koalition. Wer als Arbeitgeber zukunftsfähig sein will, wird sich unabhängig von Regierungsprogrammen sowieso mit den Themen KI und Digitalisierung weiter und vermutlich intensiver auseinandersetzen müssen.
Allein aus der Erwähnung im Koalitionsvertrag lässt sich keine neue oder bisher unbekannte Handlungsaufforderung für HR-Teams ableiten.

Fazit:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Koalitionsvertrag eine Vielzahl von Maßnahmen vorsieht, die die Personalarbeit in den kommenden Jahren maßgeblich beeinflussen könnten. Schwerpunkte liegen auf der Fachkräftesicherung, dem Bürokratieabbau zur Entlastung der Unternehmen, der Flexibilisierung von Arbeitszeitmodellen, der Stärkung von Weiterbildung und Qualifizierung, der Integration von Zuwanderern sowie der Bewältigung der Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung in der Arbeitswelt. Vermutlich werden Personalabteilungen in einigen Details sehr wohl und sehr aktiv werden müssen (z.B. Arbeitszeit, Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland), wohingegen andere Punkte nach den gängigen Erfahrungen mit der Politik im Allgemeinen wohl eher auf anderer Flughöhe besprochen und ggf. vorangetrieben werden. Es wird Einfluss auf die HR-Arbeit nehmen, jedoch ist aus dem vorliegenden Koalitionsvertrag nicht ersichtlich, dass nun alles anders wird.

PS: Wer selbst einen Blick in die Originalstellen werfen möchte, hier gibt es den Koalitionsvertrag zum Download.

 

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