Geld verdienen mit EDEKA: Personalmarketing der anderen Art oder Reichweite über alles

In einer aktuellen Kampagne wirbt die Lebensmittelkette EDEKA für seine Ausbildungsberufe. Ein ganz besonderer Versuch des Influencer-Marketings, wie man beim Betrachten des ungewöhnlichen Azubiwerbe-Videos feststellen wird. Edeka kooperiert dabei mit den YouTubern „die Ost-Boys“, welche in etwa eine russisch verschärfte Variante von Erkan und Stefan sind und und bei vielen Teenagern offenbar gut im Trend liegen. Das Video polarisiert. Das ist schon mal gut, denn das hilft Werbung immer. Doch möglicherweise überzieht Edeka hier und schädigt im schlimmsten Fall sogar seine Marke.

Der Clip kurz zusammengefasst: Zwei junge Voll-Prolos aus dem Plattenbaukiez in Berlin-Marzahn, gespielt von den YouTubern Slavik und Vadik („Die Ost Boys“), tragen eine Einkaufstüte voller Geldbündel durch die Gegend. Sie fahren in Adiletten mit ihrem Lamborghini zum Jobcenter, um mit einer Magnum-Flasche Champagner wieder rauszukommen. Das Leben ist eine einzige Party mit Golduhren, Hubschrauberflügen und Poolpartys mit hübschen Mädchen. Nach einem Schnitt sitzen die beiden dann bei Edeka in einem Büro und präsentieren den Clip. Hier stellt sich dann heraus, dass sie ursprünglich den Auftrag hatten ein Video über die Ausbildungsberufe der bekannten Lebensmittelkette zu drehen. Auf die Frage welche Aussage sie mit dem Video treffen wollten, wird das mit dem Motto zusammengefasst, „wenn du Geld ausgeben willst, musst du erst welches verdienen“.

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Die Reichweite stimmt
Einen Mangel an Kreativität kann man den Machern von Edeka nicht vorwerfen. Die anvisierte Altersgruppe wird man durch die Bekanntheit der beiden YouTuber sicher gut erreichen. Höchstwahrscheinlich werden dadurch auch weit mehr junge Leute angesprochen, als mit einem klassischen Video, welches den tatsächlichen Arbeitsalltag als angehender Kaufmann im Einzelhandel beim Regale Einräumen oder an der Fleischtheke zeigt. Aktuell über 225.000 Aufrufe bei YouTube lassen sich sehen. Ein Wert der sich durch das weitere Teilen des Clips in sozialen Netzwerken noch deutlich verstärken dürfte. Betrachtet man nur die Reichweite ist die Kampagne ein grandioser Erfolg.

Wo bleibt die Qualität? Grüße von User David Junior1737
Es bleibt die Frage, wie hilfreich die Darstellung für die Arbeitgebermarke und für das Anwerben von Auszubildenden im Einzelhandel wirklich ist und ob die anvisierte Zielgruppe überhaupt den Ansprüchen der Lebensmittelkette gerecht wird. Nach eigenen Angaben auf der Karriereseite steht die Marke EDEKA für freundlichen Service, kompetente Beratung und höchste Qualität. „Das bezieht sich nicht nur auf unsere Waren, sondern auch auf das Miteinander.“ Werden Jugendliche dem gerecht, deren Idole in Trainingshose auf den Boden spuckend eine Tüte mit Pfandflaschen zum Arbeitsamt tragen? Geradezu ungeachtet bleiben in diesem Kontext die Ergebnisse einer Studie der DIHK, nach der eines der wichtigsten Ausbildungshemmnisse eine mangelnde Ausbildungsreife der Kandidaten ist.

Darüber hinaus dürfte das Video durchaus zu Irritationen bei jugendlichen Bewerbern führen und damit gleich dem zweithäufigsten Grund für Ausbildungsabbrüche Tür und Tor öffnen: Falsche Vorstellungen vom gewählten Beruf. Mit anderen Worten: Im Alltag sind die Hubschrauber bei Edeka eher selten. Von der Vermittlung einer realistischen Erwartungshaltung kann in dem Video keine Rede sein. Weder gehört Shisha-Rauchen zum Arbeitsalltag, noch bekommt man einen Lamborghini als Dienstfahrzeug gestellt. Der einzige tatsächliche Bezug zur Arbeit bei Edeka ist die gezeigte Einkaufstüte. Nur prall gefüllt mit Geldbündeln wird sie der Azubi im Einzelhandel mit seinen ca. 750 € im ersten Ausbildungsjahr nicht nach Hause tragen.

Bei aller Komik der beiden Protagonisten und dem Mut zum „etwas anderen Personalmarketing“, steht die Frage im Raum, ob damit wirklich die richtigen Jugendlichen angesprochen werden. Denn wofür stehen die Figuren der „Ost Boys“ in ihren Clips? Im Grunde geht es um zwei Verlierer aus Berlin Marzahn, die mit Anfang Zwanzig im Plattenbau leben und Hartz IV beziehen. Der Wunsch ein erfolgreiches Leben als Gangster oder Hip-Hop-Stars zu führen bleibt eine Illusion, selbst für eine Karriere als Kleinkriminelle sind sie zu faul oder zu inkompetent. Das Geld zum Leben kommt entweder vom Arbeitsamt oder wird mit dem Sammeln von Pfandflaschen „verdient“. Aber Humor haben sie und ´ne große Klappe. Das kann man als Trash-Comedy sehr unterhaltsam finden. Es liegt aber nahe, dass sich ihre Zuschauer zumindest ein Stück weit mit den Beiden identifizieren können. Der Verdacht erhärtet sich beim Lesen der Kommentare zum Video auf YouTube. So fragt beispielweise YouTube-User
David Junior1737 „Ist das jz alles real mit gucci und das geld?“

Sinnfreie Werbung – sinnfreies Personalmarketing?
Man sollte davon ausgehen, dass sich die Verantwortlichen bei Edeka im Vorfeld der Kampagne ähnliche Überlegungen gemacht haben. Über die Gründe, weshalb sie sich dennoch dafür entschieden haben, kann ich nur mutmaßen. Möglicherweise sind viele der angebotenen Ausbildungsberufe so unattraktiv oder viel zu unbekannt bei Schulabgängern, dass das Unternehmen aus Mangel an Bewerbern notgedrungen seine Ansprüche deutlich nach unten korrigieren muss. Womit man ziemlich hart an den eigenen Qualitätsansprüchen vorbeischrammen würde, nur um überhaupt ausbilden zu können. Mit Hilfe der Ost Boys stimmt die Reichweite im Netz, aber die Qualität der Kandidaten könnte auf der Strecke bleiben. Bei eingehenden Bewerbungen die überwiegend im Stile von David Junior1737 formuliert sind, hätte sich die Personalabteilung letztlich keinen Gefallen getan.

Der Fachkräftemangel und das Ausbleiben von Bewerbungen trifft Handel und produzierendes Gewerbe in den letzten Jahren deutlich. 2017 blieben bei 31% der deutschen Unternehmen Ausbildungsplätze unbesetzt (DIHK Ausbildungsumfrage). Vielleicht ist der Schritt zu mehr Kreativität im Personalmarketing eine logische Konsequenz daraus, um überhaupt erstmal auf sich aufmerksam zu machen, bevor im zweiten Schritt auf der Karriereseite realistischer die angebotenen Ausbildungen dargestellt werden.

Am Ende kann nur das Unternehmen darüber Auskunft geben, ob sich die gewünschten Bewerber gemeldet haben und die Methode Quantität erfolgreich war. Erfahrung mit Kampagnen dieser Art (wenn auch etwas „subtiler“) hatte Edeka bereits im Jahr 2012 mit der Spotserie „1A gelocht“ gesammelt. Damals wie heute warb Edeka mit einem recht sinnfreien Clip auf YouTube für seine Ausbildungsberufe.

Und die Bewerber so…
Bei aller Skepsis, verfehlt hat der Spot seine Wirkung definitiv nicht, wie ein weiterer Kommentar auf YouTube belegt: „Erstmal bei Edeka beworben weil Ost Boys das gesagt hat 😂 hab mich da beworben bei den und wollten nicht annehmen.“

Vielleicht klappt es mit dem nächsten Bewerber. Man kann Edeka nur die Daumen drücken.

 

PS: Die Story hinter der Story.
Die Darsteller der „Ost-Boys“ sind im wahren Leben zwei Kreative mit akademischen Hintergrund, welche offenbar jedoch eine will sagen emotionale Nähe zu ihren Figuren haben. Erfolgreiche YouTuber sind sie allemal. Sie werden hier im Artikel bei Zeit-Online vorgestellt.

2 Gedanken zu „Geld verdienen mit EDEKA: Personalmarketing der anderen Art oder Reichweite über alles

  1. personalmarketing2null

    Moin mein lieber Christoph,
    mit diesem Artikel hast du mir quasi gerade einen Job abgenommen. Denn du triffst zu 98 Prozent genau das, was ich auch ausdrücken wollte. Scheinbar sind wir da, zumindest in unserer kleinen HR-Filterblase, aber so ziemlich die einzigen :)
    Kleine Anekdote am Rande: Ich wollte es natürlich genau wissen und bin in einen EDEKA-Markt hereinspaziert, um die Meinung der Mitarbeiter zu erfahren. Leider gab es kein Netz im Laden, so dass ich das Video nicht zeigen konnte. Was mich aber wirklich überraschte: 1. die junge Verkäuferin kannte die Ost-Boys (und findet sie sogar lustig ;)), 2. dass die Ostboys Werbung für EDEKA als Ausbildungsbetrieb machen, wusste sie allerdings nicht.
    Schöne Grüße nach Berlin!
    Henner

  2. Christoph Athanas Beitragsautor

    Hallo Henner, danke für Dein Feedback. Freut mich, dass wir hier so im Einklang sind. In der Tat meine ich auch wahrzunehmen, dass eine Reihe Leute aus „unserer“ digitalen HR-Community das anders sehen. Das ist aber auch ok, denn so kann man im Zweifel schön diskutieren (hatte ich zu dem Case schon auf FB ausgiebig). Ich freue mich also mal auf Deinen nächsten Text zu einem anderen spannenden und/oder grenzwertigen Fall ;-)
    Viele Grüße, Christoph

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