Die passenden Kandidaten sicher und schnell mit den entsprechenden Jobangeboten zusammenzubringen ist eine der klassischen Herausforderungen im Recruiting. Seit ein paar Jahren erleben wir einen Trend dazu, dass das Job-Matching mittels z.B. Assistenzsystemen, Algorithmen, Datenpools oder Testverfahren professionalisiert und vereinfacht wird. Auf den „perfect match“ hat es auch das Team von JobUnicorn abgesehen, einem Anbieter, der dieses Jahr mit seiner Lösung gestartet ist. Bei letzten HR BarCamp in Berlin hatten die Jobeinhörner dazu einen guten Einstand, mindestens aufmerksamkeits-technisch. Nun möchte ich mehr erfahren und habe dafür ein Interview mit JobUnicorn CEO Matthias Oberstebrink (Foto) geführt.
Wer die Freude hatte beim diesjährigen HR BarCamp im März in Berlin dabei gewesen zu sein wird sich unschwer an JobUnicorn erinnern. Das Unternehmen war einer der edlen Sponsoren, welche das nicht-kommerzielle Kult-Event der HR-Szene möglich gemacht hatten. Die Beachtung für JobUnicorn auf dem Event dürfte jedoch weniger allein auf den Sponsoren-Status zurückzuführen sein, als vielmehr auf das kurzerhand zum lebensgroßen Einhorn umgebauten Pferd vor dem Eingang zur Event-Location in Verbindung mit ihrem fast trumpschen Slogan „Make HR great again!“. Wir erinnern uns und die Mundwinkel gehen gen Norden…
Nach diesem gelungenen Auftritt möchte ich mehr über das Job-Matching von JobUnicorn hören und habe dafür ihrem Frontmann und Gründer Matthias Oberstebrink einige Fragen gestellt. Wir sprachen übers Job-Matching im Allgemeinen und über ihre Plattform im Besonderen.
Das Interview:
Christoph, meta HR:
Hallo Matthias, seit dem HR Barcamp, bei dem Ihr quasi Euren Deutschlandstart hattet, ist etwas Zeit vergangen. Wie ist es euch seither ergangen?
Matthias, JobUnicorn:
Genau, wir hielten ein Treffen von 200 innovativen HR-Verantwortlichen und Experten einfach für den idealen Rahmen für die Vorstellung unserer Job-Matching-Lösung. Seitdem waren wir auf der Personal Nord in Hamburg, der Personal Süd in Stuttgart und in weiteren Teilen von Deutschland unterwegs und haben viel positives Feedback erfahren.
Aktuell haben wir knapp hundert Unternehmen, die bereits eine Stellenanzeige veröffentlicht haben oder kurz davor sind und wir stehen auch in fortgeschrittenen Verhandlungen, um unsere Lösung „Unicorns inside“ bei einem großen Unternehmen direkt in die Karriereseite einzubauen.
Christoph:
Kompliment, das klingt gut. Ihr seid nicht die einzigen, die eine Job-Matching-Lösungen anbieten, was unterscheidet JobUnicorn von anderen Anbietern?
Matthias:
Bei uns steht die Persönlichkeit der Bewerberinnen und Bewerber im Mittelpunkt. Unser Algorithmus erfragt diese und matcht sie dann mit den Erwartungen und Anforderungen auf Unternehmensseite. Also ähnlich wie bei eurem Cultural Fit Evalueator sagen wir, es kommt auf die individuelle Passung von Unternehmen und Bewerberinnen und Bewerbern an.
Christoph:
Ja, es geht immer um Passung. Unser Cultural Fit Evalueator ist eine valide Speziallösung für genau diese Frage, den optimalen Cultural Fit. Kannst du bitte etwas näher ausführen was Ihr bei Jobunicorn in Sachen Matching tut?
Matthias:
Klar, schauen wir uns zuerst einmal an, welche Arten von Matching es gibt.
level-basiert:
Hier geben Bewerberinnen und Bewerber ihre Kenntnisse über level-basierte Auswahlfelder oder über Zahlenwerte ein, also zum Beispiel „Sprachlevel: gut/ verhandlungssicher/ Muttersprache“. Es können auch Freitextfelder zum Einsatz kommen, die allerdings eine hohe Fehleranfälligkeit aufweisen. Auf Unternehmensseite werden die Anforderungen ebenfalls so eingegeben, das Matching vergleicht dann die Übereinstimmung. Diese Art des Matchings ist die Älteste und wird sehr breit, in ganz verschiedenen Anwendungen verwendet.
Semantisches Matching:
Wenn ein Matching nur auf exakten Schlüsselwörtern basiert, kann das nur bis zu einem gewissen Grad funktionieren. Ein „Vertriebsleiter“ und ein „Leiter Vertrieb“ sind für uns Menschen identisch – für eine Maschine nicht. Beim Semantischen Matching arbeitet im Hintergrund eine Suche, die die Bedeutung der Begriffe kennt und daran weiterarbeitet. Dafür braucht das System einen gut gefüllten Thesaurus und Ontologie. So liefert das Semantische Matching dann nicht nur einen „Leiter Vertrieb“, sondern auch einen „Head of Sales“ als passendes Ergebnis.
Das semantische Matching wird oft mit Parsing verbunden, um Daten aus dem Lebenslauf oder Arbeitszeugnissen automatisch zu extrahieren und sie dem Matching entsprechend aufbereitet zur Verfügung zu stellen. Viele Anbieter im Personalbereich nutzen dieses Matching-Verfahren.
Typisierung:
Hier kommt es über ein Testverfahren zur Persönlichkeitseinschätzung der BewerberInnen und Bewerber. Diese Persönlichkeit wird dann einem vorbestimmten Typus zugeordnet. Auf Unternehmensseite werden die gewünschten Eigenschaften erfragt und nachgeschaut, bei welchem Persönlichkeitstypus diese vorkommen. Daraus wird dann ein Match abgeleitet.
Am bekanntesten ist hier der MBTI, der Myers-Briggs-Typenindikator, auf dem auch sehr viele Typisierungsverfahren beruhen. Jedoch wird er von der wissenschaftlichen Psychologie abgelehnt, denn er ist schlicht unzuverlässig. Es kommt sehr häufig vor, dass es Überschneidungen mit den anderen Persönlichkeitstypen gibt, der eigene Typus sich also nicht genug abgrenzt. Auch schwankt das Ergebnis bei der gleichen Person je nach Tagesform und Situation.
psychologisierte Fragebögen:
Hier werden personalpsychologische Fragebögen verwendet, um die Arbeitspersönlichkeit – also die Motivation und Fähigkeiten der Bewerber zu erfassen. Auf Unternehmensseite werden die Anforderungen ebenfalls über Fragebögen erfasst. Nun wird ein Algorithmus, basierend auf einem individuellen Verfahren, die jeweils passenden beruflichen Partner verbinden. Da es durch die Fragebögen zu einer individualisierten personalpsychologischen Auswertung kommt und man sich nicht auf eine Einordnung in einen bestimmten Persönlichkeitstypus beschränkt, wird das Matching jedem Einzelnen ganz individuell gerecht.
Christoph:
Danke für den Überblick, Matthias. Wie bewertest Du die Eignung der verschiedenen Ansätze?
Matthias:
Die Eignung dieser Matching-Arten ist unterschiedlich. Während sich Level-basiertes und semantisches Matching eher dafür eignen, die Hard Skills auf Übereinstimmung zu überprüfen, erhält man ein Soft Skill Matching mittels Typisierung und psychologisierten Fragebögen. Und so steigt auch die Genauigkeit, Aussagekraft und Individualität der Ergebnisse mit jedem Verfahren an. Während ich beim Level-basierten Verfahren als Ergebnis nur „ja“ oder „nein“ habe, kann ich durch Semantisches Matching Zwischenwerte erfahren. Beide Verfahren haben jedoch das Problem, dass der Input vom Teilnehmer direkt kommt und das Ergebnis dadurch beeinflusst werden kann. Während die Typisierung fast nichts mehr verfälschen kann (außer man kennt die gängigen Verfahren und standardisierten Fragen auswending), sind die Ergebnisse aus psychologisierten Fragebögen noch weniger beeinflussbar. Die Genauigkeit und damit die Aussagekraft steigt hier ebenfalls zwischen beiden Verfahren an, denn die Individualität der jeweiligen Punkte ist bei einer Zuordnung zu vier oder fünf sehr großgefassten Persönlichkeitsklassen weniger gut gegeben, als bei einem Verfahren, welches individuelle Ergebnisse hervorbringt.
Unser Verfahren bedient sich psychologisierter Fragebögen, die wir bi-polar abfragen und deren Beantwortung nicht permanent neu durchgeführt werden kann. So können wir eine Manipulation so weit wie möglich verhindern. So zeigt unser Matching eine reale Einschätzung der Übereinstimmung in den Bereichen Cultural Fit, Professional Fit, Team Fit und Personal Fit basierend auf 12 personalpsychologischen Dimensionen. Gleichzeitig haben wir unseren Fragebogen jedoch sehr stark konzentriert, damit er in nur 15 Minuten ausfüllbar ist. Kein Personalverantwortlicher hat die Zeit und kaum ein Bewerber will sich die Zeit nehmen, um Fragebögen auszufüllen, die 45 Minuten oder gar über eine Stunde dauern.
Christoph:
Klingt ambitioniert. Aber ich habe gehört, dass neuerdings Euer Verfahren ein TÜV-Siegel hat. Das hat bei mir nur der PKW ;-) Wie kam es denn dazu?
Matthias:
Bei der Entwicklung unseres Job-Matchings hat uns der Lehrstuhl Wirtschaftspsychologie der BSP Business School Berlin wissenschaftlich begleitet und es dann überprüft. Das ist wichtig, wenn es um die Korrektheit unseres Verfahrens geht. Aber gerade in dem sehr kompetitiven HR-Markt braucht man als Start-up ein Alleinstellungsmerkmal, das selbst Marktgrößen nicht vorweisen können. Zudem wollten wir auch vor einer neutralen Stelle unter Beweis stellen, dass unser Verfahren hält, was es verspricht. So haben wir den TÜV Saarland gebeten, uns einmal genau zu überprüfen. Nach einem halben Jahr intensiven Überprüfungsprozessen sind wir nun das weltweit erste und einzige Job-Matching-Portal mit TÜV-geprüftem Verfahren.
Christoph:
Prima. Wie die Überprüfung genau ausgesehen hat musst Du mir bei Gelegenheit nochmal im Detail erzählen, aber das würde jetzt hier den Rahmen sprengen. Daher mal in die praktische Perspektiv: Wenn ein Recruiter Euer Matching nutzt und den Kandidaten einstellt, der am besten passt, hat das Unternehmen dann aus Deiner Sicht den „idealen“ Mitarbeiter?
Matthias:
Die Chancen stehen sehr gut. Natürlich ist auch der beste Matching-Algorithmus kein Erfolgsgarant. Wir liefern jedoch die entscheidenden Hinweise, welche Bewerberinnen und Bewerber man sich genauer anschauen sollte. Wichtig ist auch, dass unser Fragebogen auch von Unternehmensseite richtig ausgefüllt wird, am besten nach Rücksprache mit der jeweiligen Abteilung oder dem jeweiligen Team. Man muss aber auch bedenken, dass man sich zwar seinen Wunschkandidaten er-matchen kann, aber wenn das restliche Team nicht dazu passt, dann hat man kein reales Match und es kann durchaus zu ungewünschten Ergebnissen oder Fluktuation kommen.
Christoph:
In unserem letzten Gespräch in eurem Blog hattet Ihr mich gefragt, ob ich „Cultural Fit“ bereits in der breiten Masse angekommen sehe. Ich frage mal direkt zurück: Wo seht ihr denn eure potentiellen Kunden?
Matthias:
In innovativen Personalabteilungen natürlich. Das Spannende ist, dass wir diese, auch durch das HR BarCamp, über alle Firmengrößen und Branchen verteilt gefunden haben. Den größten Benefit erzeugt unser Job-Matching ganz klar für Unternehmen mit einer weniger großen Namens-, Marken- und Standortstrahlkraft – also für KMU im nicht urbanen Raum. Auf jobunicorn.com steht nicht die neueste Anzeige oben, sondern diejenige, die am besten zu den Anforderungen der jeweiligen BewerberInnen passen. Dadurch finden Bewerberinnen und Bewerber Jobs, die zu ihrer Persönlichkeit passen und screenen die Anzeigen weniger nach bekannten Logos oder Namen. Durch uns finden sie Unternehmen, die zu ihnen passen und die vielleicht gleich in der nächsten Kleinstadt sitzen. Durch unser Job-Matching bekommen diese Unternehmen nicht nur Zugang zu viel mehr Bewerberinnen und Bewerbern, sondern sie passen auch noch ideal zum Unternehmen, was den Vorauswahlprozess vereinfacht. Job-Matching ist wohl mal das beste Bewerber-Marketing.
Christoph:
Klasse, ich freue mich auf einen Case in der Zukunft und dann nehmen wir den Gesprächsfaden wieder auf. Spannend bleibt das Thema in jedem Fall. Danke Dir, Matthias, für den Dialog.
SAVE-THE-DATE:
Da wir quasi mit dem HR BarCamp 2017 hier angefangen haben, sei der Hinweis erlaubt, dass das Original HR BarCamp in Berlin nächstes Jahr am 22.+23. März 2018 stattfinden wird. Alle Infos, zukünftig auch zum Ticketkauf, gibt es hier auf der HR BarCamp Webseite und in der HR BarCamp XING-Gruppe „Forum für innovative Personalarbeit“, dem digitalen Treffpunkt der HR-Innovation-Community.
PS: White Paper in der Pipeline
JobUnicorn wird ein White Paper mit dem Titel „Job-Matching“ pünktlich zur Zukunft Personal herausgeben. Dort enthalten wird dann auch eine kleine Übersicht zu bekannten Anbietern/ Verfahren enthalten sein. Also: Stay tuned!