Im HRM tauchen viele Anforderungen zwar im Tagesgeschäft immer wieder auf, doch in spezifischen Situationen hat HR-Arbeit eher den Charakter von Projekten. Zum Beispiel bei der Rekrutierung einer größeren Anzahl von Personal bei plötzlichem Wachstum, bei Change Vorhaben, bei der Einführung von HRM-Systemen usw. Vielleicht mit Ausnahme von sehr großen Konzernen können Unternehmen nicht alle Arten von Spezialisten vorhalten. Das in vielen Fachbereichen bewährte Konzept der Interims-Zusammenarbeit wird auch im Personalmanagement immer beliebter. Uwe Sunkel (Bild) von expertforce gilt als einer der führenden Köpfe für dieses Thema. Er stand mir Rede und Antwort.
Die Anforderungen an fachliche und methodische Kompetenzen des HR-Personals steigen und differenzieren sich immer weiter. Insbesondere die Komponente Technologie und deren Verständnis lässt sich heute kaum mehr komplett vom operativen HR Business Partner oder auch vom Senior Recruiter beherrschen. Demnach sind flexible Kräfte vor allem für Veränderungsvorhaben und bestimmte Herausforderungen auch für Personalabteilungen eine gute Option. Ob ein solcher Experten-Einsatz nun unter der Bezeichnung Freelancer, Gig-Worker oder Interims-Spezialist läuft, ist letztlich egal. Für Personalabteilungen zählen die interessanten Perspektiven welche sich hiermit ergeben, um temporären (fachlichen) Herausforderungen mit der entsprechend kompetenten Manpower zu begegnen. Das Interim-Business ist auch für HR zunehmend spannend.
Uwe Sunkel ist einer DER Experten in Deutschland, wenn es darum geht für Unternehmen hochkompetente Spezialisten oder Manager auf Zeit zu organisieren. Er war selbst ehemals Interims-Manager und kennt daher nicht nur die Dienstleisterperspektive, sondern auch die des temporär operativ mitarbeitenden Managers bzw. Experten. Zudem ist er einer der Treiber hinter der Matching-Plattform expertence.com, wo Unternehmen und (HR-)Experten auf Interimsbasis zusammengebracht werden. Ich habe mit ihm zu der Thematik ein Gespräch geführt.
Das Interview:
Christoph Athanas, meta HR: Wie verbreitet ist Deiner Einschätzung nach die temporäre Zusammenarbeit aka Interims-Management in Deutschland bei Personalfunktionen?
Uwe Sunkel, expertence.com: In unserer Branche werden regelmäßig Umfragen durchgeführt, um genau solche Fragen zu beantworten. Starke Cluster gibt es in der Geschäftsführung und im Projektmanagement. Das sind die klassischen Einsatzbereiche für Interim Manager und darauf entfallen ca. 30% aller Mandate. Im HR-Bereich sind es aber bereits starke 15% aller Mandate. Damit sind wir ungefähr gleich auf mit den Einsätzen in der Produktion. Dieser hohe Bekanntheitsgrad liegt daran, dass unsere Gesprächspartner fast immer in den Personalabteilungen sitzen – auch dann, wenn z. B. für den Bereich Controlling oder Supply Chain Management gesucht wird. D. h. das personalwirtschaftliche Instrument Interim Management ist dort gut bekannt und wird dann bei einem eigenen Bedarf natürlich auch angefragt.
Christoph, meta HR: Welche Profile sind besonders gefragt? Was müssen gute Interim-HRler mitbringen?
Uwe: Hier musst Du unterscheiden, aus welchem Grund ein Unternehmen einen Interim Manager sucht. Wenn bestimmte Kompetenzen im Vordergrund stehen, dann haben wir einen starken Cluster im HR-Projektmanagement. Wenn Unternehmen durch Veränderungsprozesse gehen und dafür ein Projekt aufsetzen, dann fehlen fast immer die notwendigen Ressourcen und Erfahrungen. Das beginnt bei den fachlichen Kompetenzen, z. B. bei der Auswahl und Einführung von HR-IT-Systemen und endet bei der Projektmanagement-Kompetenz, die Du brauchst, um die internen Ressourcen im Projekt zu orchestrieren. Wir werden daher immer dann angefragt, wenn es weniger um den HR-Scope im Allgemeinen geht, sondern vielmehr um bestimmte Kompetenzen, die Du als HR Business Partner nicht zwingend im Portfolio hast. Z. B. die Erfahrung, wie man HR-Prozesse designt, dokumentiert und in HR-Systemen abbildet. Auch Change-Kompetenzen werden stark gesucht.
Wenn es hingegen um die schnelle Verfügbarkeit von Ressourcen geht, dann ist das Qualifikationsprofil deutlich breiter. Da wird dann eher der erfahrene HR-Business-Partner angefragt. Wir können heute eigentlich jedes Qualifikationsprofil innerhalb von 1-2 Tagen finden und beim Kunden anbieten. Da wir stark auf die Qualitätssicherung achten, haben wir die Kandidaten meist schon früher interviewt und bewertet. Generell ist es so, dass unsere Interim Manager mindestens 10 Jahre Linienerfahrung haben und mindestens 3 erfolgreich abgeschlossene Mandate nachweisen müssen. Sonst nehmen wir die gar nicht in die Vermittlung auf.
Christoph, meta HR: Wie finden Unternehmen solche Experten auf Zeit? Wie sieht Euer Angebot dazu aus?
Uwe: Eines vorab: Unsere Modelle basieren darauf, dass wir mehr als 10 Jahren selbst als aktive Interim Manager tätig waren. Wir kennen das Geschäft und die Anforderungen der Kunden daher genau. Die Qualität der Kandidaten ist ausschlaggebend. Daher interviewen wir die meisten Interim Manager schon lange, bevor sie überhaupt vom Kunden angefragt werden. Die besten Manager werden mit einem Premium-Siegel gekennzeichnet.
Wir bieten ansonsten derzeit zwei Modelle an. Unternehmen können uns direkt kontaktieren und ihren Bedarf mit uns abstimmen. Wir arbeiten dann wie ein Personalberater und identifizieren in unserem Netzwerk 2-3 Kandidaten, die wir dem Kunden vorschlagen. Wenn es zum Einsatz kommt, berechnen wir eine Vermittlungsprovision, die normalerweise auf den Tagessatz aufgeschlagen wird. Das ist das klassische Vermittlungsmodell, wie es jeder andere Provider auch anbietet.
Daneben – und das ist gleichzeitig spannend und neu – betreiben wir eine Matching-Plattform für Interim Manager. Dort findest Du heute schon rund 2.500 Profile aus nahezu allen Funktionsbereichen und Branchen. Unternehmen, die im Recruiting erfahren sind, können diese Plattform kostenfrei nutzen, passende Kandidaten direkt kontaktieren und sogar direkt unter Vertrag nehmen. Bei diesem Modell berechnen wir ebenfalls eine Provision, wenn es zum Einsatz kommt. Das Preismodell ist jedoch ausgesprochen attraktiv und die Kosten liegen deutlich unter den üblichen Vermittlungsprovisionen. Wir haben dazu auch einen Online-Rechner auf unserer Seite, mit dem Du die verschiedenen Optionen durchrechnen und Dich für das passende Modell entscheiden kannst.
Christoph, meta HR: Worauf sollten Unternehmen bei der Auswahl und dem Einsatz von interims-Personaler/innen achten?
Uwe: Auf die Qualität bei der Auswahl. Das ist der wichtigste Rat, den ich geben kann. Die Auswahl eines Interim Managers hat im Vergleich zum herkömmlichen Recruiting doch einige Besonderheiten. Z. B. haben es die Unternehmen nicht mit einem Bewerber zu tun, sondern mit einem Dienstleister, der sich selbst verkaufen möchte. Da muss man schon sehr genau hinsehen und andere Gesprächsmethoden verwenden, als im Bewerberinterview. Ich habe das in meinem Buch anhand der sogenannten Prinzipal-Agent-Theorie ausführlich beschrieben (Anm. d. Christoph, gemeint ist das Praxishandbuch Interim Management, Haufe 2014).
Gut beraten sind Unternehmen daher, wenn Sie entweder einen Provider beauftragen oder eben auf unseren qualitätsgesicherten Online-Pool zurückgreifen. Dort finden Sie dann bereits handverlesene Kandidaten.
Christoph, meta HR: Schlussfrage, Achtung erhöhter Schwierigkeitsgrad… Wie schätzt Du insgesamt die Entwicklung der sog. Gig-Economy ein. Was haben Arbeitnehmer, Freie und Arbeitgeber zu erwarten?
Uwe: Lass mich mal kurz in die Kristallkugel schauen … (lacht). Aber mal im Ernst: das ist eine schwierige Frage. Jeder, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, sieht darin eine Riesen-Chance. Sowohl für die Unternehmen, die im Sinne der „atmenden Organisation“ sehr flexibel auf außergewöhnlichen Bedarf reagieren können. Aber auch für die Freiberufler/Selbständigen ist das Gig-Working ein ernstzunehmendes Arbeitsmodell. Das Konzept Festanstellung – von der Stammhauslehre bis zur Rente – ist überholt. Damit lockst Du heute keine Talente mehr an. Die Interim Manager, mit denen wir arbeiten, haben sich ausnahmslos freiwillig und bewusst für dieses Modell entschieden. Die sind hochmotiviert und sehr bereit, sich temporären Aufgaben zu stellen. Du kannst dazu auch gerne mal meinen Beitrag „Das überholte Konzept der Festanstellung“ lesen. Das ist natürlich eine bewusste und gewollte Übertreibung – aber die Botschaft wird klar.
Ich würde mir abschließend wünschen, dass sich das Modell noch weiter etabliert und dass uns insbesondere von der Politik keine weiteren Steine mehr in den Weg gelegt werden. Und den Unternehmen kann ich nur anbieten: Rufen Sie mich an und lassen Sie uns über Ihren Bedarf reden. Wir finden mit Sicherheit eine Lösung für die konkrete Situation.
Christoph, meta HR: Danke für das Gespräch, Uwe. Und viel Erfolg mit Eurer Interims-Matching-Plattform!
Über meinen Gesprächspartner:
Seit über 20 Jahren unterstützt Uwe Sunkel als HR-Projektmanager (inter)nationale Unternehmen bei der Planung und Durchführung anspruchsvoller HR-Projekte. Zu seinen Kunden gehören Unternehmen des Mittelstands ebenso wie internationale Großkonzerne. Als CEO der expertforce interim projects GmbH ist er für den Aufbau und die Weiterentwicklung der Matching-Plattform expertence verantwortlich.
Über expertence:
expertence ist die führende Matching Plattform für freiberufliche Projekt- und Interim Manager. Auf expertence.com finden suchende Unternehmen in wenigen Sekunden die passenden Kandidaten in einem Pool von derzeit über 2.500 Profilen. Sieben Competence Center gewährleisten, dass alle Online-Profile in Bezug auf Qualifikation und Projekterfahrungen bereits im Vorfeld geprüft werden. Die Qualitätssicherung erfolgt im Rahmen eines persönlichen Auswahlverfahrens, an dessen Ende die Akkreditierung als Premium-Manager steht.
Schön, dass es geklappt hat :-)