Immer wieder berichtet dieses Blog über Praxisbeispiele von Unternehmen, die das Thema Talent in einer seiner vielen Facetten besonders erfolgreich oder ungewöhnlich bearbeiten. Oft sind solche Ansätze Verbesserungen oder Ideen, welche intelligent umgesetzt sind und so als Inspiration auch für andere HR-Verantwortliche dienen können. Heute ist es mal wieder soweit: Der ´Recruitomat´auf der Karrierewebseite der Unternehmensberatung hkp/// hat einen näheren Blick verdient.
Die partnergeführte, internationale Unternehmensberatung hkp/// ist in ihren Kundenmissionen selber in HR-Belangen aktiv, z.B. im Performance Management oder zu Vergütungsfragen. Da gehört es zum guten Ton die eigene Talentgewinnung im Blick zu haben. Dazu haben die Kollegen dort seit Kurzem eine, wie ich finde, sehr schöne, spielerische Variante zur Bewerberorientierung auf ihre Karrierewebseite gestellt: Den Recruitomaten.
Was vielleicht klingt wie ein Roboter, der das Recruiting übernimmt, ist in Wahrheit ein Orientierungstool, welches Jobinteressenten des Unternehmens mit großer Leichtigkeit die Möglichkeit bietet mehr über die Leitwerte der hkp-Unternehmenskultur zu erfahren und wie gut diese zu den eigenen Vorstellungen passen. Der Recruitomat ist kein valides Werkzeug zum Self-Assessment, wohl aber ein cleverer Blick- und Clickfang für potentielle Kandidaten. Mit Leichtigkeit kann man per drag and drop-Verfahren die angebotenen Aussagen in eine hierarchische Ordnung bringen, welche zu einem selber passt. Das geht auch mobil, zumindest auf den gängigsten Tablets. Die Rückmeldung des Ergebnisses erfolgt ad hoc und so dauert der gesamte Vorgang kaum mehr als 1 bis 3 Minuten. Das klingt wenig, ist aber durchaus viel wert. Die Beschäftigung des Bewerbers mit den eigenen Wertvorstellungen und Einstellungen zur Arbeit wird hier spielerisch erreicht und im Ergebnis gibt es dann einen Matching-Score. Das Verfahren bietet so quasi einen Cultural-Fit light an (eben ohne Qualitätsgarantie, aber mit Direktwirkung). Die Maschine im Hintergrund spuckt auch jeweils zum Resultat passende Hinweise für den Kandidaten aus, worauf dieser achten kann, wenn er oder sie sich mit Job und Arbeitsumfeld auseinandersetzt. Sehr wertvoll.
Dies alles war ein Grund dies einmal selber auszuprobieren und mit zwei Köpfen hinter dem Tool zu sprechen. Hier kommen meine Recruitomaten-Einsichten und das Interview dazu mit Frank Gierschmann und Leon Jacob von hkp///.
Der Recruitomat begrüßt einen mit der Aufforderung sich mit den eigenen Prioritäten im Hinblick auf die Wahl des Arbeitgebers auseinander zu sezten.
Die neun angebotenen Aussagen (in den blauen Blubbles) sind dann per drang & drop in die freien Felder oben einzusortieren. Die Hierarchie der Bedeutungen ergibt sich dabei durch die Anzahl der möglichen Einorndung. Je ein Mal total wichtig bzw. unwichtig, zwei Platzhalter für eher wichtig bzw. eher unwichtig und drei offene Felder für ausgeglichene Einordnungen. Sieht simpel aus, bringt einen dennoch zum Überlegen.
Bei einem Mouseover-Effekt über einem der noch nicht zugeordneten Aussagen, öffnet sich außerdem ein kleines Erklärfeld. So werden die Aussagen im Sinne hkp-Kultur noch knapp näher definiert. Beispiel: „Dauerhafte Kundeneinsätze“ wird durch die Erläuterung „Jede Woche Reisetätigkeit bzw. Tätigkeit beim Kunden vor Ort“ zusätzlich erklärt.
In meinem Selbstversuch erreiche ich einen Match von 78%zur hkp-Kultur. Nicht ganz verwunderlich, da sich meine Beraterarbeit und die der Kollegen dort sicher häufig in der Form und im Anspruch ähneln. Allerdings werde ich meta HR nicht untreu und scheide daher als Bewerber aus. Spaß gemacht hat es dennoch und einen Bonus bzw. Text mit Mehrwert gibt es obendrein:
Der Recruitomaten-User bekommt neben dem Prozentwert auch eine kleine aber feine Liste zu passenden Fragestellungen, welche z.B. im Rahmen eines Jobinterviews beachtenswert sein können. Die Liste orientiert sich an den Aspekten, welche die höchsten Wichtigkeiten zugewiesen bekommen haben. Der folgende Text wird mit der folgenden Formulierung angekündigt: „Egal, ob Sie sich bei der hkp/// oder bei einem anderen Unternehmen bewerben – die Dimensionen, die Ihnen am wichtigsten sind, sollten Sie auf jeden Fall beachten und im Vorstellungsgespräch gezielt ansprechen.“
Es gibt dazu es den Hinweis sich bei Interesse auch unabhängig vom Recruitomatenergebnis gern bei hkp/// zu bewerben. Dies unterstreicht den orientierenden und spielerischen Ansatz.
Wer den Recruitomaten selber ausprobieren möchte, kann das hier direkt auf der Karrierewebseite von hkp/// tun.
Das Interview:
Christoph Athanas, meta HR: Was hat Sie bewogen den Recruitomaten zu entwickeln?
Frank Gierschmann, hkp///: Ob man zur Unternehmenskultur passt oder nicht entscheidet maßgeblich darüber, ob Mitarbeiter Spaß an Ihrer Arbeit haben und sich engagieren. Einen Eindruck von der Kultur bekommen Interessenten aber leider oftmals erst im Bewerbungsgespräch oder über Dritte. Mit dem Recruitomat möchten wir jedem Interessenten die Möglichkeit geben sich noch vor der Bewerbung mit dem Thema zu befassen. Der Abgleich der eigenen Präferenzen mit dem was Mitarbeiter bei hkp/// erwartet ermöglicht eine individuelle Aussage zum kulturellen Fit und fordert den Nutzer zur Selbstreflexion auf.
Christoph Athanas, meta HR: Warum ist der Recruitomat als spielerisches Tool gestaltet und nicht als genauer, valider Test? Wo ist Ihrer Meinung nach dabei der Vorteil?
Leon Jacob, hkp///: Uns war es wichtig die Hürde zur Nutzung des Recruitomaten möglichst gering zu halten. Ein Test, der wissenschaftlichen Ansprüchen an Validität und Reliabilität gerecht wird, hätte schnell den Rahmen gesprengt. Zudem ist der Recruitomat kein Assessment-Instrument, sondern vielmehr eine Kombination aus einem Kommunikationskanal und einem Angebot zur Selbstreflexion. Wer möchte, kann locker eine halbe Stunde damit verbringen sich Gedanken zu machen, das Ergebnis zu reflektieren und verschiedene Kombinationen auszuprobieren. Nutzer bei denen es eher schnell gehen soll, können aber auch schon in 30 Sekunden ein Ergebnis erhalten.
Christoph Athanas, meta HR: Der Recruitomat zeigt als Ergebnis einen Prozent-Wert an, der den Fit zwischen dem Jobinteressenten und der hkp///-Leitkultur angibt. Welchen Mehrwert hat das für den User im Fall einer eher geringen Übereinstimmung?
Frank Gierschmann, hkp///: Kultur ist ja kein fixer Zustand, sondern befindet sich im ständigen Wandel. Natürlich haben wir beim Recruitomat ein „Ist-Bild“ der Unternehmenskultur von hkp/// hinterlegt, aber es ist nicht auszuschließen, dass sich dieses Bild mit der Zeit verändern wird bzw. dass wir es gemeinsam verändern. Der prozentuale Fit, den ein User als Ergebnis des Recruitomaten erhält, ist daher als Indikation zu verstehen. Wer eine eher geringe Übereinstimmung als Ergebnis erhält, sollte sich darauf einstellen, dass die Arbeitskultur von hkp/// nicht in allen Aspekten zu den eigenen Wünschen passt. Neben dem Prozentwert erhält jeder Nutzer für seine Top drei Dimensionen auch jeweils drei Fragen vorgeschlagen, mit denen der/die Bewerber/in mehr Informationen erfragen kann. Damit möchten wir den Benutzern ein Instrument zur Hand geben, das dabei hilft, ein Unternehmen zu finden, bei dem man sich wohl fühlt.
Christoph Athanas, meta HR: Gehen Sie in den Bewerbungsverfahren, z.B. im Rahmen der Interviews, auf den Recruitomaten und dessen Ergebnisse weiter ein: Wie tun Sie das bzw. was ist geplant?
Leon Jacob, hkp///: Wie vorher schon gesagt ist der Recruitomat für uns kein Assessment-Instrument. Die Teilnahme ist anonym und freiwillig und kann nicht mit individuellen Bewerbern in Verbindung gebracht werden. Wir wissen weder, ob ein Bewerber den Recruitomaten genutzt hat, noch welches Ergebnis dabei rauskam. Und da man den Recruitomaten so oft machen kann wie man möchte, planen wir aktuell auch keine statistische Auswertung der Ergebnisse. Wir freuen uns aber, wenn Bewerber das Thema ihrerseits ansprechen und uns vielleicht sogar mit einigen der Fragen, die durch den Recruitomaten vorgeschlagen werden, konfrontieren.
Christoph Athanas, meta HR: Meine abschließende Frage: Wie schätzen Sie die Zukunft des Themas Cultural-Fit insgesamt ein. Welche Bedeutung für Bewerber und Unternehmen sehen Sie?
Frank Gierschmann, hkp///: Die Bedeutung von Kultur im Arbeitskontext hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Themen Recruiting und Employer Branding bzw. – aus Sicht des Bewerbers – die Wahl des Arbeitgebers sind dabei nur der Anfang. Unternehmenskultur spielt entlang des gesamten Mitarbeiterzyklus eine wichtige Rolle. Besonders hervorzuheben sind die Themen Führung und Feedback, Umgang mit Leistung, Mitarbeiterzufriedenheit, -engagement und -fluktuation. Peter Drucker, der Erfinder des modernen Managements sagte nicht umsonst: „culture eats strategy for breakfast.“ Wir denken daher, dass es nie früh genug sein kann über Kultur zu sprechen und aktive Kulturarbeit zu betreiben – warum also nicht beim Employer Branding anfangen.
Christoph Athanas, meta HR: Eine sehr produktive Haltung, wie ich übrigens finde. Danke für das Gespräch und noch viel Freude mit dem Recruitomaten.
Über meine Gesprächspartner
Frank Gierschmann
ist Senior Manager bei hkp///. Er berät Organisationen in Feldern des Performance- und des Talent Managements. Er begann seine berufliche Laufbahn 1999 in der Führungskräfte-Entwicklung der Deutschen Post (heute DP DHL). Hier durchlief er verschiedene Experten- und Führungsfunktionen, zuletzt als Vice President Corporate Executives, Staffing. 2011 folgte der Wechsel in die Schweizer Konzernzentrale von Kuehne+Nagel. Als Global Head of Talent Management verantwortete er die konzernweiten Leadership-Programme und steuerte die Identifizierung und Entwicklung von High Potentials. Darüber hinaus verantwortete er die Prozesse zur Erhebung und Validierung von Performance und Potenzial im oberen Management.
Leon Jacob
Ist Consultant bei hkp///. Er studierte Wirtschaft, Philosophie und Psychologie an den Universitäten Bayreuth, Stellenbosch und Nottingham. Als Mitglied der Performance und Talent Management Practice der hkp/// group ist Leon stets auf der Suche nach innovativen Ansätzen im Talent Management.
Er ist Autor des Buches „Die Kunst Talente talentgerecht zu entwickeln“, einer Studie für wertebasiertes und selbstgesteuertes Talent Management.