Kennen Sie CEM?
Nein, es ist keine Person gemeint. CEM steht für Candidate Experience Management, der professionellen Überprüfung und Anpassung Ihrer Recruiting Prozesse an die Bedürfnisse Ihrer Bewerber.
Dieser Beitrag handelt davon, was es im CEM zu tun gibt und warum dies für Ihren Recruitingerfolg zunehmend wichtiger wird.
.
Ausgangslage: Recruiting-Set-up kontakariert Employer Brand Anstrengungen
Employer Branding war und ist ein Top-Thema für viele Unternehmen. Richtig so. Mit der Herausarbeitung der eigenen Arbeitgebermarke und deren glaubwürdiger Kommunikation begegnen zahlreiche Arbeitgeber sinkenden Bewerberzahlen und zunehmendem Wettbewerb und die Fachkräfte. Die passende Darstellung eines Arbeitgebers als attraktive Wahl für die jeweiligen Zielgruppen benötigt oft viel Energie, Zeit und ggf. Geld. Wird die Arbeitgebermarkendarstellung um dialogische Elemente zur Pflege von echten Talent Relations erweitert (z.B. via Social Media Angebote des Unternehmens), steigt der Aufwand zusätzlich. Der Einsatz wird also abermals erhöht mit dem Ziel am Ende tatsächlich auch den eigenen Personalbedarf mit den zum Unternehmen passenden Kandidaten decken zu können.
Problematisch unter den Gesichtspunkten der Candidate Experience ist hier der Übergang von der allgemeinen Wahrnehmung eines Employer Brands durch den Interessenten in dessen Orientierungsphase und der Eintritt in den eigentlichen Rekrutierungsprozess. Hier vollzieht sich oft ein Bruch im Auftreten der Unternehmen. Eben noch die entsprechend – passend zum Employer Brand – gewinnende und kommunikative Außendarstellung. Im nächsten Moment aber nur noch ein Abarbeitungsprozess (Bewerbungsabwicklung). Was Bewerber daran so irritieren kann ist das oft komplett verschiedene Set-Up der Talent Relations, die in der jeweiligen Phase greifen. Die nachfolgende Aufstellung verdeutlicht dies:
Diese Verwerfungen können in schlimmen Fällen dazu führen, dass der gesamte Employer Brand Auftritt qua fragwürdiger Bewerbungserfahrungen an Glaubwürdigkeit verliert. Das Ziel der vermehrten Gewinnung passender Kandidaten wird dann ggf. nicht erreicht. D.h. ein Bruch im Set-up von der Orientierungs- zur Bewerbungsphase sollte zwingend vermieden werden. Hier kommt Candidate Experience Management ins Spiel.
ATS – nein danke
Eine Reihe Unternehmen haben umfangreiche e-Recruiting bzw. Bewerbermanagementsysteme im Einsatz. Teilweise schon seit einigen Jahren. Diese Systeme werden auch als Applicant Tracking Systeme (ATS) bezeichnet. Ihre Kernidee entstammt der „klassischen“ Management-Denke, wonach „Dinge“, „Sachen“ möglichst effektiv verwaltet und bearbeitet werden sollen. Natürlich braucht es das. Ohne (sachliche) Bearbeitung von Bewerbungen schließlich keine Einstellungsentscheidungen. Allerdings haben eine Reihe dieser Systeme nur den Komfort der Daten bzw. derjenigen IM Unternehmen im Blick, nicht aber die Personen auf der anderen Seite, sprich die Bewerber. Die Prozesse sind also meist nicht vom Bewerber aus gedacht. In der Folge hat man dann – ganzheitlich betrachtet – Fehlentwicklungen im Umgang mit dem Stakeholder „Bewerber“ im Zuge der eigentlichen Bewerbungsabwicklung. Typische Phänomene hiervon sind oft berichtet worden, z.B.: Scheinbar endlose e-Recruiting-Formulare, hoher Zeitaufwand, geringer Bedienkomfort (vor allem wegen technischer Unverträglichkeiten, siehe z.B. mangelhafte Mobil-Unterstützung), fehlende Ansprechpartner bzw. deren Ersatz, die standardisiert-lieblosen Textbaustein-Nachrichten oder erst gar keine Reaktion nach Bewerbungseingang usw.
Es braucht konsequenterweise demnach neben der möglichst sachlich-korrekten Be- und Verarbeitung der Bewerbungen auch einen Beziehungsanteil in dieser Phase des Umgangs mit dem Bewerber. Hier wo es wirklich ums Handeln des Unternehmens geht kann der Bewerber auch den Employer Brand jenseits aller Ankündigungen erleben. Taten wiegen schwerer als Worte. Glaubhaft wäre wohl oft eher eine an das CRM – Customer Relationship Management-Systeme – angelehnte Bewerbungsbehandlung. Die Candidate Experience im Vordergrund und entsprechend ernst genommen erfordert also weniger „Applicant Tracking“ (schon der Nutzen ist einseitig gedacht), sondern vielmehr die Beibehaltung von Relationship: Candidate Experience Management.
CEM-Vorbild: Schlanke, clevere e-Commerce-Prozesse
Wie könnte also ein entsprechendes Candidate Experience Management aussehen, was die oben genannten Schwächen „klassischer“ ATS- bzw. e-Recruiting-Set-Ups vermeidet und die Komponente „Beziehung“ zum Bewerber hinzufügt bzw. aufrecht erhält? Als Vorbilder können schlanke, transparente und kundenindividuell konfigurierbare e-Commerce-Prozesse dienen. Beispiele gefällig? Bitter sehr: Schlanker und schneller als der berühmte „1-Click“-Button von Amazon geht es kaum. Eine Bewerbung mit wirklich nur einem Klick abzuwickeln muss nicht zwingend das Ziel sein, möchte man diese Idee für das Recruiting adaptieren. Aber vielleicht doch z.B. ein Klick plus ganz wenige persönliche Angaben. Das könnte schon reichen um eine hohe Convenience herzustellen. Das dergleichen bereits geht zeigen Beispiele wie etwa die Bewerbung mit dem Xing- oder LinkedIn-Profil wie dies beim mitteldeutschen IT-Jobportal itmitte.de möglich ist.
Ein weiteres Beispiel für die Adaption von cleverer e-Commerce-Logik durch das CEM kann das Einkaufen ohne Anlegen eines Kundenprofils sein. In den allermeisten typischen e-Recruiting/ ATS-Systemen aber müssen sich Bewerben erst (umständlich) ein Profil im jeweiligen Bewerbungsportal anlegen. Wieder eine Hürde, wo CEM auf das Vorbild e-Commerce zugreifen und reagieren kann.
Ein drittes Beispiel kann aus der transparenten und ggf. individuell konfigurierbaren Logistik von guten Online-Shops entnommen werden. Dort kann der Kunde nach eigenen Wünschen jederzeit nachvollziehen, wo seine Bestellung im Augenblick ist etc. Angewandt auf CEM, könnte dies in etwa bedeuten, dass Infos zur eigenen Bewerbung von Bewerber nach Bedürfnissen konfigurierbar abgefragt, eingesehen oder wahlweise per push-Nachricht (als eMail, SMS etc.) zugesendet werden.
Neben genannten Ideen für den Bewerberkomfort im jeweils konkreten Bewerbungsverfahren sollte CEM konsequenterweise auch sicherstellen, dass jeder Bewerber einen persönlichen Recruiting-Kontakt erhält (ähnlich einem persönlichen Kundenbetreuer). Dies ist dann ein glaubwürdiges Statement seitens des Unternehmens, dass der Talent Relation Aspekt auch gerade während einer laufenden Bewerbung weiter eine hohe Bedeutung hat und nicht nur beim bspw. Facebook-Karriere-Chat während der Orientierungsphase quasi „vorgegaukelt“ wird.
CEM sollte eine zyklische wiederkehrende Aufgabe sein
Wenn Unternehmen klar wird, dass ihr Recruiting mehr CRM und weniger ATS benötigt, dann ist gedanklich der erste, wichtige Schritt getan. Praktisch ist eine Überprüfung der Candidate Experience im eigenen Rekrutierungshandeln sinnvoll. Die dabei möglicherweise festgestellten Verbesserungspotenziale bieten einen Einstieg ins CEM. Dieses nimmt nämlich erst richtig seine Arbeit auf, wenn Sie es in ihrem Recruiting als wiederkehrende Aufgabe aufsetzen. Dazu sind die Einrichtung von Schlüssel-Kennzahlen, die Nutzung von Bewerberfeedbacks sinnvoll. Vermutlich punktuell flankiert auch durch eine entsprechend angepasste technologische Unterstützung. Sodann können Sie Candidate Experience aktiv handhaben und sich in der Zukunft wohl auch deutlich schneller produktiv mit neuen technischen Trends bzw. Bewerbervorlieben (z.B neuen Social Networks?) auseinandersetzen. Die Idee der steten Optimierung des eigenen Recruitings, der Gewinnung von Daten über Ihre Bewerber und deren Verwendung zur Gestaltung von win-win-Beziehungen zwischen Unternehmen und (zukünftigen) Kandidaten analog der CRM-Strategie im Bereich Marketing und Sales sind Kernbestandteile eines gelebten Candidate Experience Managements (CEM).
Ausblick
CEM bietet die Chance einerseits die technologische Dimension im Recruitingfortschritt aufzugreifen, anderseits aber den Blick auf den Bewerber und dessen Bedürfnisse zu fokussieren. Somit kann der wichtigen Relationship-Aspekt gegenüber Kandidaten, welche Unternehmen im Employer Branding immer aufbauen müssen mit notwenigen und effizienten IT-Prozessen zusammengeführt werden.
Angesichts sich immer noch rasant weiterentwickelnder technologischer Möglichkeiten und der nicht absehbaren Besserung im „war for talents“, wage ich die Voraussage, dass ein CEM in einigen Jahren ein absolutes Muss für professionell geführte Recruitingorganisationen sein wird. Diejenigen Unternehmen, welche eine entsprechende CEM-Strategie frühzeitig entwickeln und konsequent umsetzen, dürften auch in diesem Feld Frist-Mover-Vorteile im Wettbewerb um die Talente mitnehmen können.
Pic by ** RCB ** CC BY 2.0