Facebook im Büro zulassen oder verbieten?
Chancen und Ängste sorgen für ein gespaltenes Vorgehen bei Arbeitgebern.
Soziale Netzwerke sind auf dem Vormarsch. An vorderster Front ist Facebook dabei. Seit es immer deutlicher wird, dass Web 2.0 in Form von Social Media Netzwerken für immer mehr Menschen zum Informations- und Kommunikationsalltag wird, sind Arbeitgeber gefordert sich zum Umgang mit diesem Phänomen zu positionieren.
Auf der einen Seite wollen zunehmend mehr Unternehmen selber Social Media einsetzen, bspw. im Personalmarketing und Recruiting. Auf der anderen Seite sind die Unternehmen gespalten, wenn es um den Zugang ihrer Mitarbeiter zu sozialen Netzwerken während der Arbeitszeit geht. Einige verbieten die Nutzung gänzlich, wie dies kürzlich bei SPON über Volkswagen oder HeidelbergCement berichtet wurde.
Andere Unternehmen gehen offensiv mit dem Thema um und lassen Mitarbeiter im Büro twittern oder in Facebook aktiv sein, wie es im Bayer-Konzern seit Anfang 2010 Usus ist.
Welche Motive treiben Unternehmen in die eine oder andere Richtung zu entscheiden? Wie ernst sind vor allem Sicherheitsbedenken zu nehmen? Was erwarten die Mitarbeiter von Ihren Arbeitgebern in dieser Angelegenheit? Warum ist das ganze Thema eine Angelegenheit für die Führungskräfte und die Unternehmenskultur?
Gehen wir der Sache mal etwas auf den Grund…
Die skeptische Perspektive:
Was bewegt Unternehmen dazu, die Nutzung von Social Media Netzwerken während der Arbeitszeit einzuschränken oder zu verbieten?
Nahezu alle Unternehmen arbeiten heutzutage mit einer Unzahl von Daten. Zahlreiche davon sind sensibel, manche sogar hochgradig schützenswert und kritisch für die Unternehmen und ihre Kunden. Hinzu kommen IT-System und Anwendungen, welche vor Schäden durch Viren und ähnliche Malware bewahrt werden muss. Daten- und Systemschutz sind also durchaus schwergewichtige Argumente, wenn man Soziale Netzwerke als Einfallstore für solche schadhaften Angreifer sieht. In der Tat können Schadprogramme via Social Media Webseiten angreifen, genauso wie es unternehmensfremden Personen gelingen kann sich das Vertrauen von Mitarbeitern zu erschleichen und z.B. via Facebook Vertraulichkeiten zu erfahren.
Es gibt offenbar auch noch zahlreiche Unsicherheiten bei Unternehmen, wie mit Social Media insgesamt umzugehen ist. Es fehlt noch an einer Strategie und/ oder an Wissen und solange dies so ist bleiben die Tore in dieser Richtung zu. Es wird erst losgelaufen, wenn der offizielle Startschuss gefallen ist…
Schließlich ist da noch das Argument, dass Mitarbeiter ihre Arbeitszeit in sozialen Netzwerken vertrödeln können und damit ihre Produktivität senken.
Die Skeptiker argumentieren zusammengefasst also etwa folgendermaßen:
– Datensicherheit/ Datenschutz geht vor.
Facebook, Twitter und Co. sind potentielle zusätzliche Gefahrenquellen für schützenswerte Daten.
– IT-Systemschutz: Viren und andere digitale Ärgernisse verbreiten sich auch über
soziale Netzwerke.
– ggf. gilt, dass die Strategie zum Thema noch formuliert werden muss (und solange zumindest
werden inoffizielle Aktivitäten besser nicht geduldet).
– Prokastination: Arbeits- und Produktivzeit geht verloren, durch Aktivitäten im Web 2.0.
Motto: Sicherheit geht vor. Vertrauen ist gut aber Kontrolle…
Die optimistische Perspektive:
Was motiviert Unternehmen dazu, die Nutzung von sozialen Netzwerken wie Facebook usw. in den Bürozeiten freizugeben bzw. uneingeschränkt zu erlauben?
Bin ich eben bei Betrachten der skeptischen Argumentation von der Technik her gekommen, so nehme ich nun zuerst Bezug auf die Menschen. Was erwarten Mitarbeiter von ihrer Arbeitsumgebung? Diese Frage beantworten immer mehr Menschen, angeführt von den zunehmend in Jobs ankommenden Vertretern der Generation Y, mit einem klaren Votum Pro Web 2.0. Die Einstellung gegenüber Technologien in der Berufswelt ändert sich mit zunehmender Popularität solcher Technologien im privaten Alltag. In den USA wird Facebook jetzt schon häufiger im Büro genutzt als google.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob eine unternehmensseitig verstärkter Einsatz von Social Media in der Selbstdarstellung, für das Marketing, das Employer Branding oder die eigenen PR-Zwecke, nicht völlig konterkariert würde, wenn die Angestellten dann kein Social Media mehr nutzen dürften. So etwa: Wir rekrutieren dich über unsere Facebook-Karriereseite, aber sobald du deinen ersten Arbeitstag bei uns hast vergisst du ganz schnell wieder was Facebook ist… Das ist doch irgendwo schizophren!? Wo bleibt da dann die zuletzt vieldiskutierte Authentizität des Arbeitgebers?
Nicht nur diese Aspekte symbolischer Kommunikation lassen sich auf der optimistischen Argumentationsseite anführen. Es gibt auch ganz praktische Aspekte: Die Computerwoche berichtete vor einigen Tagen, dass bei Spezialistenfragen Twitter in Begriff ist eine echte Alternative zur google-Suche zu sein. Experten vernetzen sich dort und profitieren vom „Echtzeiteffekt“ und dem möglichen Dialog gegenüber statischen Inhalten. Problemstellungen können somit schneller gelöst werden und Kollaboration kann wirksam werden. Es wird dabei von Unternehmensseite auch bewusst auf das Bottom-up-Prinzip beim Erschließen neuer Technologien/ Arbeitstechniken gesetzt. Einige Initiativen haben in der Vergangenheit gezeigt, dass gute Lösungen auch für die breite Anwendung daraus entstehen können. Gerade dies waren oft keine von oben verordneten Schritte, sondern Evolutionen aus der Basis. Einige Unternehmen haben sich so bspw. den Einsatz von Wikis oder shared dokuments nach und nach erarbeitet, ohne entsprechenden Tagesbefehl aus dem HQ.
Die Optimisten argumentieren zusammengefasst also ungefähr so:
– Facebook und andere Social Media Netzwerke werden mehr und mehr Teil
unserer Alltagskommunikation, also auch im Büro, auch während der Arbeitszeit.
– Die Erwartung insbesondere von jüngeren Arbeitnehmern geht dahin diese
Netzwerke „normal“ Nutzen zu können. Eine Nicht-Erfüllung dieser Erwartungen
würde den Job unattraktiver machen.
– Social Media Recruiting bedingt eine Offenheit gegenüber sozialen Netzwerken
für die Belegschaft. Anderes Handeln wäre Kontraproduktiv bei entsprechender Darstellung
der Arbeitgebermarke.
– Facebook, Twitter und Co. sind aktive Arbeitshilfen und Vernetzen interne und externe
Wissensträger.
– Soziale Netzwerke fördern informelles Lernen und tragen dazu neue Lösungen
und Anwendungen aus der Mitte der Belegschaft zu schaffen (bottom-up).
Motto: Entwicklungen mitgehen, Chancen nutzen und Vertrauen vor Kontrolle…
Mein erstes Fazit: Eine Frage für Führung und Unternehmenskultur
Beide Argumentationspfade, auch wenn hier lange noch nicht vollständig dargestellt, können mit überzeugenden und ernstzunehmenden Punkten aufwarten. Datenschutz und -sicherheit sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen – klar. Jedoch sagen auch IT-Sicherheitsexperten, dass der beste Schutz das Sensibilisieren der Mitarbeiter ist.
Wenn jemand mutwillig Daten verschieben oder verraten will, wird diese Person wohl immer einen Weg finden (Mobiltelefon, Hardcopy…). Dazu braucht es kein Facebook. Ebenso wird sich trotz einer Sperre für soziale Netzwerke immer eine Möglichkeit finden lassen seine Arbeitszeit zu vergeuden – wenn jemand das will. An geringer Arbeitsmotivation oder fehlender Herausforderung ist im Zweifel kein soziales Netzwerk schuld.
Insofern glaube ich, dass die optimistische Haltung zum Thema die vielversprechendere ist. Die Vorteile scheinen mir zu überwiegen und ich sehe es eher als eine Führungsaufgabe und eine Herausforderung für die Unternehmenskultur eine produktive Haltung zu diesem Thema zu gewinnen. Führungskräfte können hier praktisch Orientierung bieten, indem z.B. gemeinsam mit dem eigenen Team „Spielregeln“ für den Umgang mit Facebook und Co. erarbeitet werden (oder die Social Media Guidelines des Unternehmens aus Team- / Abteilungsperspektive betrachtet werden). Mitarbeiter, die bereits Wissen einiges an Wissen in sozialen Netzwerken aufgebaut haben, können hier effektiv eingespannt werden um anderen Handlungssicherheit zu geben. Kollegen aus IT-Abteilungen könnten zusätzlich technisches Grundverständnis beisteuern. So könnte z.B. eine Vertrauenskultur im Unternehmen oder im Team exemplarisch am Umgang mit Facebook gelebt und weiterentwickelt werden.
Klingt das etwa zu gut um wahr zu sein…?
Was denken Sie über das Thema? Wie geht Ihr Unternehmen mit diesem Thema um?
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Gesetz zum Arbeitnehmer-Datenschutz – Recruiting in sozialen Netzwerken in Gefahr!?
Ich finde das Argument die Arbeitszeit würde im Internet oder auf Facebook vertrödelt ist nicht immer richtig. Zwar kann das passieren, aber es gibt auch andere Ergebnisse:
„People who do surf the Internet for fun at work – within a reasonable limit of less than 20% of their total time in the office – are more productive by about 9% than those who don´t.“
Study by the University of Australia:
http://uninews.unimelb.edu.au/news/5750/
„Wenn jemand mutwillig Daten verschieben oder verraten will, wird diese Person wohl immer einen Weg finden“. Hier stimme ich vollinhaltlich zu. Strikte Verbote führen nur dazu, dass Menschen in Unternehmen innovativ Möglichkeiten suchen, diese zu umgehen. Social Media sind nun ein Teil der heutigen Kommunikation und moderne Unternehmen können sie nicht unterbinden im Alltag ihrer Mitarbeiter. Eine gewisse Vorsicht ist natürlich angebracht, aber sich zu verschließen kann und wird nichts bringen. Ich habe mir zu dem Thema unter dem Titel „Facebook, ja aber“ selbst ein paar Gedanken gemacht. http://ht.ly/30tpw
Der Haken an der australischen Studie ist, dass der Generationsübergreifende Durchschnitt gebildet wurde, während jedoch im Zeitpunkt der Studie überwiegend unter 40 jährige Akademiker die sozialen Netzwerke nutzten, so dass Produktivitätsvorteile auch auf anderen Faktoren beruhen könnten.