Weiterbildungstrends 2010 nachgefasst.
Interviews auf der Zukunft Personal.
Es war wieder Messezeit. Genauer: Zukunft Personal 2010. Die Messe hat von 12.-14.Oktober in Köln stattgefunden und zahlreiche Branchenvertreter zusammen gebracht. Was gäbe es da nicht alles zu berichten. Doch eine klassische Messenachlese möchte ich anderen überlassen.
Ich habe die Gelegenheit genutzt, um nachzufassen, was eigentlich aus den Weiterbildungstrends vom Anfang dieses Jahres geworden ist?! Und zwar ganz subjektiv betrachtet. Also, keine Angst, es folgt keine Studie mit Zahlenreihen und Kuchengrafiken, sondern die persönlichen Einschätzungen von einigen interessanten Branchenvertretern. Diese nehmen aus ihren ganz eigenen Perspektiven Stellung dazu, was sie jeweils als die diesjährigen Trends im Weiterbildungskosmos wahrgenommen haben.
Sehen Sie hier die Kurzinterviews mit meinen Gesprächspartner im Video. Ich sprach mit Personen, welche die Branche aus unterschiedlichen Perspektiven repräsentieren. Sie stehen entweder für etablierte oder für neue Akteure in der deutschen HR- bzw. Weiterbildungsszene.
Ausgangspunkt der Gespräche war eine von Nicole Bußmann (sie ist Chefredakteurin bei managerSeminare.de) im Januar 2010 vorgenommene Prognose darüber, welche Trends die Weiterbildungsszene in diesem Jahr beschäftigen würden.
Ich hatte hier im Human Resource-Blog die von ihr postulierten sieben Trendthemen aufgegriffen und ebenfalls im Januar 2010 um zwei weitere eigene Einschätzungen ergänzt. Diese Liste von somit insgesamt 9 Trendthemen haben die Gesprächspartner vor ihrer jeweiligen Stellungnahme gesichtet und sich in ihren Antworten darauf bezogen. Sie können die Trendliste weiter unten finden, ebenso mein eigenes Fazit.
Das Video zeigt der Reihe nach Statements von:
Martin Karger (Geschäftsführer des IME – Institut für Management-Entwicklung),
Yvonne Neubauer (Chefredakteurin des noch recht neuen aber sehr
ambitionierten Online Magazins HRInside.de),
Jannis Tsalikis (Employer Branding Consultant bei Scholz&Friends und nebenbei Betreiber
des Blogs Mein Freund die Arbeitgebermarke),
Florian Schiffer (aus dem Bereich Unternehmensentwicklung der 1000jobboersen.de,
einem Portal für clevere Jobbörsennutzung und Personalgewinnung) und schließlich noch
Friedbert Gay (der Geschäftsführer der persolog GmbH und bekannter Fachbuch-Autor von Büchern wie bspw. „Das neue 1×1 der Persönlichkeit„).
Ich danke allen Gesprächspartnern noch einmal ganz herzlich. Gern hätte ich noch mehr Videomitschnitte gemacht. Eine Reihe weiterer spannender Gesprächspartner wäre mir noch eingefallen. Doch die Zeit war knapp…
Aber auch so sollte ein kleiner Querschnitt ohne großen Anspruch auf Objektivität gelungen sein. Schade war, dass ich dieses recht spontane Projekt nicht mehr an Frau Bußmann herantragen konnte (als ich am Messestand von managerSeminare nach ihr fragte, gab man mir die Auskunft, dass Sie nur in Terminen sei und niemand wüsste, wann oder ob sie zu sprechen sei). Natürlich hätte mich Frau Bußmanns Nachlese besonders interessiert. Vielleicht, liebe Nicole Bußmann, lesen Sie ja diesen Beitrag und finden Zeit sich über einen Kommentar zu äußern. Würde mich sehr freuen und interessieren…
Ok, hier nun das Video, darunter die Trends in Kurzform und mein Fazit als Auswertung der Interviews mit Kamera und meiner sonstigen Gespräche auf der Messe am Ende. Dann wissen wir vielleicht ein wenig mehr, welche Trends dominant waren und welche ggf. im Januar weder Fr.Bußmann noch ich auf dem Schirm hatten…
Lesen Sie weiter um zur Liste der Trends und zum Fazit zu gelangen. Sagen Sie mir, welche Trends bei Ihnen besondere Aufmerksamkeit genossen haben…
Es folgt die Liste der Trendprognosen:
Von sieben wesentlichen Trends sprach Newsblog-Autorin Bußmann von managerSeminare.de für das Jahr 2010.
Lesen Sie hier die Trendvorhersagen in verkürzter Form und in meinen Worten (die ausführlichen, originalen Schilderungen von Frau Bußmann finden Sie wie gesagt hier im unter dem Titel Weiterbildungstrends: Was uns im Jahr 2010 beschäftigen wird):
1. Mobile Learning
Die Prognose: Das sog. m-Learning wird wachen, insb. im Consumer Markt, dem „App“ sei Dank.
2. Social Learning
In Kombination aus webbasierten Diensten und sozialen Netzwerken wird mehr und mehr die persönliche, individuell gestalltete Lernumgebung realisiert und an Wichtigkeit zulegen. In solchen Personal Learning Environments nimmt informelles Lernen
3. Marken-Branding / Employer Branding
Der Trend zur Markenbildung und Markenbewusstsein, z.B. in Form von Employer Branding setzt sich weiter fort.
4. Werte und Wertschätzung als Wettbewerbsfaktoren
Das Comeback der Werte schlägt sich auch in Aktivitäten von Unternehmen und Organisationen stärker nieder. Wer es versteht Orientierung zu geben und sich als Glaubwürdig in seinem Umfeld zu präsentieren gewinnt an Wettbewerbsfähigkeit. Ein Thema, welche auf bspw. Kommunikation, Führung oder Personalmarketing durchschlägt.
5. Employee Assistance Programme bzw. Life-Coaching
Professionelle Beratung und Begleitung helfen immer mehr Menschen und Unternehmen dabei die Themen Gesundheit, Work-Life-Balance oder Absicherung der Produktivität zu meistern.
6. Systemisches Denken
Statt auf den Einzelnen zu schauen, soll es wieder um mehr Blick „für das große Ganze“ gehen. Soziale Systeme und ihre Interaktionsmechanismen spielen eine größere Rolle für auch die Weiterbildung.
7. Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility
Corporate Social Responsibility. Das Unternehmen und seine Vertreter als verantwortungsvoller Teil eines großen Ganzen.
Diese Entwicklung wurde von Frau Bußmann nur als zaghaft angenommener Trend prognostiziert. Die Schlagworte hierzu lauten „green meetings“, „social entrepreneur“ und „corporate social responsibility“.
Als Ergänzung zu den vorgenannten Trends hatte ich zusätzlich zwei weitere Prognosen gewagt
8. Internationalisierung der Weiterbildung
Zunehmend mehr Unternehmen wünschen sich Bildungskonzepte, welche auch international anschlussfähig sind. Das fängt damit an, dass die Weiterbildung auch in englischer Sprache abgefasst und umgesetzt wird und geht bis hin zur interkulturellen Sensibilisierung.
9. Soziale Kompetenzen im Fokus
Neben allen technischen Treibern (social media usw.) werden nach wie vor die sozialen Kompetenzen im Fokus von Weiterbildung stehen. Um in komplexen und dynamischen Umfeldern sicher und erfolgreich handeln zu können wird der Ausbau bzw. der Erhalt an sozialen Kompetenzen weiterhin ein wichtiger Baustein im Trendmosaik bleiben.
Fazit Teil 1: Auswertung der Video-Interviews
Martin Karger vom IME hat in seiner Antwort besonders den 4.Trend zu Werten und Wertschätzung als Wettbewerbsfaktoren herausgehoben. Dies wird ihm anhand von Äußerungen seiner Kunden deutlich. Diese suchen ein Gegengewicht, eine Form der Stabilität zu der zunehmenden Dynamik, die Unternehmensvertreter betrifft (Fusionen, Restrukturierungen etc.). Dieser Themenkomplex hält also stärker Einzug in die Überlegungen des IME bei der Gestaltung von Inhouse Entwicklungsprogrammen für Führungskräfte und Mitarbeiter ihrer Kunden.
Außerdem hat Herr Karger auf einen weiteren Trend hingewiesen, welche sich nicht unter den 9 Nennungen finden: Lernen und Arbeiten mit älter werdenden Belegschaften. Der demographische Wandel wirft seine Schatten voraus. Daher, so der IME-Chef, wird das Thema Umgang mit älteren Mitarbeitern zusehends Eingang finden in zielgruppengerechte Personalentwicklungsangebote. Gut, wer dort gerüstet ist. Ich denke, dass ist eine sehr interessante Ergänzung.
Yvonne Neubauer schaut mit dem breiten Fokus der Online Fach-Journalistin auf die Branche. Sie hätte sich wahrscheinlich zu vielen dieser Trends äußern können. Aber in der Zuspitzung sind für sie Employer Branding (3.Trend) und die Stärkung von sozialen Kompetenzen (Nr.9) die bedeutsamsten Trends. Sie stellt auch einen Zusammenhang zwischen beiden her, indem Sie darauf hinweist, dass verstärkte Markenbildung/ Branding über gerade auch Social Media bei Unternehmen und Mitarbeitern besonders ausgebildete soziale Kompetenzen fordert.
Darüber hinaus ist es für Yvonne Neubauer auch ein Trendthema, sich die Frage zu stellen, wie es Unternehmen schaffen externes Wissen remote sinnvolle einzubinden. Das klingt für mich ein wenig nach einer Mischung aus Enterprise 2.0 und Distance Learning? Auch nicht gerade Schalgworte, die völlig trendfrei sind, oder?
P.S: Auf HRInside können Sie Yvonne Neubauers eigenen Messebericht zur Zukunft Personal 2010 lesen.
Jannis Tsalikis von Scholz & Friends vergibt in seiner Einschätzung ebenfalls einen großen Aufmerksamkeitspunkt für den Trend Werte und Wertschätzung als Wettbewerbsfaktoren (Nr.4). Auch er baut eine Brücke zum Trend soziale Kompetenzen im Fokus (Nr.9), indem er herausstellt, dass in Diskussion um den Umgang mit der Generation Y andere, veränderte Werte benötigt werden, um diese Personengruppe erfolgreich zu führen und zu binden. Weiterbildung für Führungskräfte hält er in diesem Sinne in der Schnittmenge dieser beiden Trends für bedeutsam.
Florian Schiffer, als Vertreter von 1000jobboersen.de, repräsentiert in meiner kleinen Interviewrunde eine Perspektive aus der großen Community der Online Stellenmärkte. Auch wenn 1000jobboersen.de einen eigenen, wie ich finde spannenden Ansatz verfolgt, haben sie doch mit anderen Stellenbörsen gemein, dass sie über den Umweg Arbeitsmarkt sicher einen recht aufschlussreichen Blick auch auf Weiterbildungstrends haben. Auf diese Vielzahl für ihn verfügbaren Informationen in Form von Jobsuchprofilen bezieht sich Florian Schiffer dann auch, als er als seinen Top-Trend das Thema Employer Branding (Nr.3) benennt. Er schätzt das Thema als so stark ein, dass es uns wohl in noch größeren Umfang beschäftigen wird. Und wird wissen: So etwas schlägt immer auch auf Weiterbildung durch, wie man an den zahlreichen Employer-Branding-Social-Media-Recruiting-Seminarangeboten ablesen kann. Aber: Wo eine Nachfrage ist, sind Angebote nur recht.
Friedbert Gay ist nicht nur ein langjähriger Kenner der Weiterbildungsszene, sondern mit persolog als Anbieter von Lösungen für unterschiedliche Entwicklung-Fragestellungen immer den Trends in der Weiterbildung auf der Spur. Die persolog GmbH stellt Lerninstrumente, für Entwicklungsmaßnahmen bereit und adressiert sowohl Trainer, als auch Unternehmen mit seinen Lösungen. Insofern war es mir eine Freude mit Herrn Gay sprechen zu können und seine im positiven Sinne breite Perspektive zum Thema einzuholen.
Er teilte die generellen Trendeinschätzungen von Frau Bußmann in allen Punkten (1-7), ohne einen dieser Trends spezifisch hervorzuheben. Stattdessen sagt Friedbert Gay, dass er die Internationalisierung in der Weiterbildung (meine Trendergänzung, Nr.8) als noch viel zu wenig erkannten und viel zu wenig wertgeschätzten Trend sieht. Nach seiner Meinung ist dieser Trend wettbewerbskritisch und deutsche Trainer, Berater und Weiterbildungsanbieter haben oftmals noch nicht ausreichende Sprachkompetenz in Englisch für entsprechende Businessprojekte mit international aufgestellten Kunden.
Übrigens: Im persolog-Blog wird auf ein zur Messe vorgestelltes persolog-Produkt hingewiesen: Ein online Zeitmanagement-Profil. Das klingt mir doch ganz nach einer Lösung im Sinne von Trend Nr.5 (Employee Assistance Programme bzw. Life-Coaching).
Fazit Teil 2: Meine Einschätzung
Meine kleine Interviewreihe hat ganz bewusst nicht versucht eine wissenschaftlich repräsentative Analyse zu sein (sonst hätte ich eine Studie gemacht). Also können von diesen Eindrücken keine allgemeingültigen Aussagen abgeleitet werden. Dennoch: Jeder meiner Gesprächspartner hat einen unterschiedlichen Blickwinkel auf die Branche und macht das Bild schon damit perspektivenreicher. Aus meinen weiteren Gesprächen, welche in u.a. teilweise am Messestand von IME geführt habe (Danke nochmals dafür liebes IME-Messeteam!) und den Interviews kann ich zumindest ein gefühltes Fazit ziehen.
Es zeigte sich in den Antworten meiner Gesprächspartner, dass zwar unterschiedliche Blickwinkel bestehen und einzelne Trends individuell als stärker bewertet wurden. Allerdings kamen die folgenden Trends immer wieder zur Sprache, so dass ich diese als
die Top-Trendthemen identifizieren würde:
– Werte und Wertschätzung als Wettbewerbsfaktor (Nr.4)
– Markenbranding/ Employer Branding (Nr.3)
– Soziale Kompetenzen (Nr.8)
Als bedingt wichtige Trends wahrgenommen:
– Social Learning (Nr.2)
– Internationalisierung der Weiterbildung (Nr.8)
– Lernen und Führen älterer Belegschaften (zuvor nicht als Trend prognostiziert)
– Employee Assistance Programme bzw. Life-Coaching (Nr.5)
In den Gesprächen (inkl. Kamera und ohne) spielten de facto keine Rolle:
– Systemisches Denken in der Weiterbildung (Nr.6)
– Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (Nr.7)
– Mobile Learning (Nr.1)
Es scheint gefühlt so, dass die Trendprognose vom Januar 2010 in weiten Teilen zutrifft. Auch freut mich natürlich persönlich, dass meine Trend-Ergänzungen (Nr.8 und 9) auch immer wieder genannt wurden. Dass die Schlagworte aus den Trends Systemisches Denken und Corporate Social Responsibility keine Rolle spielten wundert mich nicht wirklich. Diese Themen sind vermutlich zu global, um im Rahmen von Messegesprächen eine größere Rolle zu spielen, da die Messe doch eher auf pragmatische, angewandte Lösungen fokussiert. Dass der Trend zu Mobile Learning keine Rolle spielte finde ich schon interessant: Keiner meiner Gesprächspartner hatte dazu eine Meinungsäußerung. Es scheint fast so, als ob dieses Thema im Zuge vom Hype um iPhone und „Apps“ hochgespült und nun wieder vergessen wurde.
Jetzt sind Sie gefragt: Helfen Sie mit den Trends auf die Spur zu kommen!
Welche der 9 Trends beschäftigte Sie im Jahr 2010? Welcher ist für Sie irrelevant? Welche Themen müssen diese Liste ergänzen?
Schreiben Sie Ihre Meinung dazu.
Ich freue mich darauf und bin gespannt!
Christoph Athanas
Finde dein Format der Berichterstattung von der Zukunft Personal spannend – bringt Spaß! Danke für deine Interviewanfrage!
Hallo Herr Athanas,
vielen Dank für diesen Blogartikel und die Interviews. Die Idee bei Experten einmal Nachzufragen was sie zu einer Trendliste für Einschätzungen haben, finde ich äußerst spannend.
Die Bestätigung der Trends hat sicherlich viel damit zu tun, wen man fragt, da die eigenen Themen die Wahrnehmung beeinflussen – so auch bei mir.
Es freut mich sehr, dass das Thema Soziale Kompetenzen als wichtig eingestuft wurde – wenn es auch nicht verwunderlich ist. So lange Menschen zusammenarbeiten, so lange muss es ein Dauerbrenner sein.
Die wirklich spannende Frage ist, ob soziale Kompetenzen – zu denen ich auch mein Schwerpunktthema Interkulturelle Kompetenz zähle – schulbar sind. Bei der Betrachtung der Weiterbildungsprogramme von Unternehmen, wird offensichtlich, dass dort offenbar der Eindruck besteht, dass dies möglich ist.
Das Mittel der Wahl um dies zu tun, sind ein- oder zweitägige Trainings und ähnliche Formate.
Ich halte Menschen für lern- und veränderungsfähig. Die eigentliche Frage für mich ist daher nicht das „ob“. Für das „wie“ gibt es eine Reihe von überzeugenden Lösungsvorschlägen. Die eigentliche Frage ist für mich, wie wir diese tatsächlich wirkungsvollen Formate überzeugend an unsere Kunden bringen können. Bislang werden sogar neurowissenschaftliche Erkenntnisse ziemlich konsequent ignoriert.
Da sich über Ihren Blogartikel noch viel Weiterführendes schreiben ließe, bin ich sehr gespannt auf die Kommentare weiterer Kolleginnen und Kollegen.
Viele Grüße
Steffen Henkel
@Yvonne – Danke, dass Du als Gesprächspartnerin zur Verfügung gestanden hast. Ich freue mich schon auf weitere Dialoge mit Dir.
@Steffen Henkel
Danke für den Eintrag. Ja, klar es gibt immer eine Tendenz, je nachdem wen man fragt. Ich wollte ja auch eher den Trendemfindungen von Marktteilnehmern nachgehen, denn systematisch erheben (was auch spannend wäre).
Ich schließe mich an, wenn Sie sagen, eine Kernfrage von Weiterbildung sollte stets das „Wie“ sein. Trends sind sicher das eine, gute Lösungen um diese in echte Anwendungen und Nutzen für Zielgruppen zu transformieren ist das andere. Dort ist eine kluge Antwort auf „Wie“ immer wichtig und willkommen.
Christoph Athanas
Hallo Herr Athanas!
Sie haben in unserem Telefonat letzte Woche wirklich nicht zu viel versprochen: Ihr neuer Beitrag mit den Video-Interviews ist wirklich spannend! Tolle Interviewpartner haben Sie da gewinnen können und das Ergebnis ist sehr interessant.
Ich bewege mich ja nun auch täglich im Weiterbildungssektor und nehme sowohl von Unternehmens- als auch von Trainerseite recht unterschiedliche Strömungen wahr. Zwei Trends fallen mir aber auch recht durchgängig auf: a) Deutschland und seine Positionierung zur Trainingssprache Englisch und b) die Frage: Darf Lernen Spaß machen?
a) Uneingeschränkt recht geben kann ich Herrn Gay: Es ist schon erstaunlich, dass wir hier in Deutschland doch noch recht – nun ja – ‚lokalpatriotisch‘ daherkommen: Ich suche z. B. manchmal für Kundenprojekte Trainer, die ihr Thema auch in seminarsicherem Englisch bringen können. Und glauben Sie mir: Sie zu finden ist gar nicht so einfach. Liebe Trainer, Berater, Coaches: Vielleicht holen Sie doch den verstaubten Englischkurs nochmal raus?
b) Was ich an den Videos erstaunlich finde: Moderne Lernformen wie M-, E- oder Blended Learning spielen offenbar eine untergeordnete Rolle – anders als Frau Bußmann (und ich) es eingeschätzt hatte. Sollten wir hier in Deutschland etwa dem internationalen Standard hinterhinken? Scheint so, denn kürzlich berichtete der Geschäftsführer eines jungen Unternehmens im Bereich Serious Gaming (auch so ein Trend), dass es z. B. in den Nachbarländern Frankreich und Niederlande sehr viel leichter wäre, Lernspiele zu verkaufen: Die Unternehmen und Mitarbeiter seien offen für und neugierig auf die neuen Tools. Wir Deutsche dagegen seien da eher skeptisch und bierernst: ‚Ja, darf Lernen denn überhaupt Spaß machen?‘ … Tja, wie war das gleich nochmal damals, als ich eingeschult wurde? Welchen Satz hörte ich von den Großen am häufigsten? ‚Na, jetzt fängt wohl der Ernst des Lebens an, gell?‘ Schönen Dank, liebe Erwachsene! Dann weiß ich ja schonmal, was mir für den Rest des Lebens bevorsteht. Es wäre sehr wünschenswert, dass sich das ganz schnell ändert!
In diesem Sinne: Mut zum Neuen, liebes Deutschland!
Das Trendthemen sind idR gut diskutierte Themen. So auch im Fall der Weiterbildungstrends 2010.
Mich freut es in großem Maße, dass Nicole Bußmann mein Trend-Nachfassen auf der Messe so positiv aufgenommen und zum Anlass genommen hat, mit einem ihrerseits neuen Artikel die Diskussion voran zu bringen. Diesen neuen Artikel gibt es im MS-Newsblog hier: http://www.managerseminare.de/blog/weiterbildungstrends-2010-auf-der-zukunft-personal-ueberprueft/2010/10
Jochen Robes hat im Weiterbildungsblog ebenfalls die Trenddiskussion aufgegriffen, zusammengefasst und mit einem kleinen eigenen Kommentar versehen: http://www.weiterbildungsblog.de/2010/10/19/weiterbildungstrends-2010-nachgefasst-interviews-auf-der-zukunft-personal/
Ich danke beiden für die produktive Beschäftigung mit dem Thema und freue mich, auf diesen Wegen wieder neue Einblicke bekommen zu haben.
Spannend ist, Nicole Bußmann nimmt ihre Eindrücke von der Messe gleich in eine neue Trendformulierung mit, welche da lautet:
– Weiterbildung insgesamt (als Meta-Trend überhaupt)
– E-Learning
– Burn-Out/ Psychische Leiden/ Druck/ Stress
– Demographiemanagement
Ich nutze die Gelegenheit hier, um dies ebenfalls zu kommentieren.
Ich bin ganz bei Frau Bußmann, wenn Sie vom Meta-Trend „Weiterbildung“ spricht. Indizien dafür sind nicht zuletzt die vielen Messen, Konferenzen und on-/offline Publikationen zum Themenkreis (auch dieses Blog ist ja ein Teil dessen).
Beim Thema e-Learning möchte ich folgendes ergänzen:
Tatsächlich waren e-Learning-Themen in den von mir geführten Gesprächen unterrepräsentiert (sowohl in den Videointerviews, als auch in sonstigen Gesprächen auf der Messe). Zum einen liegt das meiner Einschätzung nach natürlich an den Gesprächspartnern selbst, welche i.d.R. nicht aus dem direkten e-Learn-Umfeld kamen. Zum anderen hat die Zukunft Personal ja parallel zur Messe „Professional Learning Europe“ stattgefunden, worauf Nicole Bußmann ja in ihrem Antwort-Blogpost zurecht drauf hinweist. Ich vermute also, dass entsprechend die Themenfoki auch unterschiedlich waren.
Auch vermute ich, dass e-Learn-Elemente als quasi verlängerter Arm von offline-Lernen mittlerweile eher Standard sind, als dass diese nun wirklich trendy und neu (oder wieder neu) daher kommen. Deshalb wird dieses Thema auch nicht vordergründig angesprochen, was aber nicht heißt, dass das Thema keine Rolle spielt.
Technologische Gesprächsthemen waren zudem auf der ZP2010 klar von Social Media in Verbindung mit Employer Branding dominiert.
Mein Fazit: E-Learning und social learning unter Nutzung von Web2.0 Technologien ist wichtig, bleibt wichtig und findet weiter Beachtung. Das geht vielleich auch, ohne dass etwas als „Trend“ in jedermans Munde ist…
Nicole Bußmann ergänzt ebenso das Thema Demographiemanagement. Dazu denke ich…
…dass auch dieses Thema unter der Oberfläche, als package in anderen Themen, schon spürbar gewesen ist. Bspw. Förderungen sozialer Kompetenzen von Individuen und Organisationen wird oft an die Frage geknüpft, wie jüngere (Generation Y) und ältere (55+) zusammenarbeiten und lernen können. Ebenso durchzieht das Thema Demographie in Unternehmen implizit schon jetzt das Thema Branding (Wie finden auch die Älteren sich in einem Brand wieder?) oder auch Social Learning/ PLE (Wie lernen Ältere optimal und wie erreichen man auch die Älternen in informellen Lernarchitekturen?).
Ich glaube, Frau Bußmanns Reaktion hat ausgesprochen, was als Meta-Thema in vielen anderen aktuellen Themen steckt und also Teil der aktuellen Trends ist.
Ich freue mich in jedem Fall auf weitere Perspektiven zum Thema und natürlich auf die nächsten Trendgedanken von Nicole Bußmann. Vielleicht klappt das dann beim nächsten mal auch mit meinem Interview mit ihr :-)
Hallo Herr Athanas,
zunächst vielen Dank für einen weiteren, sehr interessanten Beitrag Ihrerseits:)
Mein Standpunkt zum Thema: Sehen Sie es mir nach, wenn ich nur an Trends glaube, die von der Wirklichkeit erzwungen werden und die ich in der Praxis erlebe:
Dazu gehören
• wegen der demographischen Entwicklung: die Weiterbildung von alternden Belegschaften (mit allem, was dazu gehört,
o wie Trainings für 30jährige, die zukünftig auch über 50jährige führen müssen,
o Fort- und Weiterbildung auch für Ältere,
o Ausbildung für Ältere wegen der lebenslang wiederkehrenden Erfordernis, einen ganz neuen Beruf zu lernen,
o health literacy um die Arbeitsfähigkeit bis ins hohe Alter zu bewahren
• wegen des bereits im vollen Schwung befindlichen Verkehrsinfarktes bei gleichzeitiger großer geographischer Streuung der Kompetenz: online-learning, vom Webinar bis zum Online-Workshop, hier kann man derzeit auch die größten technologischen Sprünge beobachten
• wegen des bereits herrschenden Fachkräftemangels (Streuung der Kompetenz, s.o.): Employer-Branding, die Marke wandert vom Produkt zum Arbeitgeber – allerdings ist das nur in Teilen ein Weiterbildungsthema
• Ein Metatrend: Weiterbildung wird noch stärker als bisher schon nutzenorientiert, wer zahlt fragt, was es bringt und erwartet Antworten in Zahlen….
• Und noch einer: die Tatsache, dass jeder zu jeder Zeit überall alles veröffentlichen kann, wird auch auf dem Weiterbildungsmarkt (weiter) zu wachsender Unübersichtlichkeit führen – was die Rolle des Metatrend 1 noch mehr betonen wird.
Es gibt Trends in der Weiterbildung, die sind so alt, dass ich nicht aus eigener Erfahrung vor ihr Entstehen zurückblicken kann – sie sind also SEHR alt. Die meisten sind seit jeher Wunschdenken oder nur Fassade (Nachhaltigkeit und CSR, Ethik in der Unternehmensführung wird schon seit über einem halben Jahrhundert diskutiert, um viele der glühendsten Befürworter ist es etwas stiller geworden, wer war gleich noch einmal Zumwinkel?), Untote (systemisches, früher “vernetztes”, Denken, war immer nur ein Trend, nie Wirklichkeit) oder mit untauglichen Mitteln durchgeführte Verzweiflungsakte (soziale Kompetenzen im Seminar an der Hochschule zu vermitteln, was dann zu Sätzen im Bewerbungsanschreiben führt wie:„Im Seminar Schlüsselqualifikationen habe ich einen guten Überblick über Teamfähigkeit und Handlungskompetenz bekommen.“) Viele Trends haben einfache eine große Zukunft hinter sich.
Aber vielleicht, ich gehöre ja fast noch zur I have a dream-Generation, erleben wir einen „Retrotrend“, von dem ich noch nirgends gelesen habe, zurück zu
• Orthographie,
• seltenem aber dafür richtigem Gebrauch von Fremdwörtern,
• ganzen und sinnvollen Sätzen.
Sollte das geschehen, bin ich bereit, über alle anderen Trends, auch die richtig komplexen, noch einmal nachzudenken.
Einen herzlichen Gruß
Ulf Uebel
Lieber Ulf Uebel,
ich freue mich hier von Ihnen zu lesen. Ihren ausführlicher Kommentar sehe ich als wichtigen Beitrag zu dieser Diskussion – vielen Dank!
Nun zum inhaltlichen Teil: Sie zeigen uns eine, wie ich finde, gesunde Skepsis gegenüber Trends und Trendaussagen. Das halte ich für wertvoll. Denn jeder wird in seiner/ihrer Realität nur einen Teil dieser Entwicklungen spüren und ggf. noch ganz andere Bewegungen wahrnehmen.
Sie sprechen insbesondere zwei Aspekte an, die ich im Rahmen dieser Diskussion (face2face, im Blog, auf Twitter…) immer wieder angetroffen habe und aus meiner Perspektive als wirklich wesentliche Ergänzung festhalten möchte:
– Bildund als Megatrend insgesamt
und
– Demographiethemen / Lernen in älter werden Belegschaften…
Beide Aspekte lese ich nicht nur von Ihnen. Martin Karger (vom IME) spricht
das Demographiethema im Interview an und Nicole Bußmann hat in Ihrer Reaktion beides benannt (link siehe meinen voherigen Kommentar).
Da haben wir sich überlagernde Trendaussagen von Personen, welche alle in der Branche an Multiplikatoren-Stellen arbeiten und somit besonders gut viele Meinungen wahrnehmen können. Obwohl subjektive Aussagen, habe ich den Eindruck, dass die Qualität insgesamt immer besser wird. Das freut…
Interessanter Blog, gutes Interview und sehr anregende Kommentare
Insbesondere bei „Employee Assistance Programs bzw. Life-Coaching“, aber generell auch bei “Burn-Out/ Psychische Leiden/ Druck/ Stress” scheint der Trend immer noch bei Seminaren zu liegen, in denen die Verhaltensprävention betont und die Verhältnisprävention vernachlässigt wird. Solche Weiterbildungen sind zählen jedoch nicht als Weiterbildung im Bereich des heutigen Arbeitsschutzes, in dem der Gesetzgeber und die Rechtsprechung der Verhältnisprävention den Vorrang geben.
Sehr interessant, obwohl schon 3 Jahre zurück.