Das Coronavirus beschäftigt die gesamte Welt. Auch Deutschland in trifft es mit voller Härte. Zahlreiche Gegenmaßnahmen werden ergriffen, die privates, öffentliches Leben und die Wirtschaft zum Teil stark beeinträchtigen. Selbstverständlich bleibt dies auch für das Recruiting nicht ohne Folgen. Wie verändert die Coronakrise das Vorgehen im Recruiting? Welche Maßnahmen werden getroffen? Wie gehen Recruiter mit der Situation um? Eine Blitzumfrage, initiiert von Wolfgang Brickwedde (ICR) versucht seit dem 17.03.2020 Klarheit in diese Fragen zu bringen. Freundlicherweise hat Wolfgang mir einen Einblick in die interessanten Zahlen gewährt – danke dafür. Hier folgt mein Blitzlicht auf die Ergebnisse
Die Ergebnisse der elf Fragen umfassenden Befragung habe ich auf dem Stand vom 23.03.2020 um 8:50 Uhr festgehalten. Bis zu diesem Moment hatten 440 Recruiterinnen und Recruiter an der Befragung teilgenommen. Bereits am letzten Freitag signalisierte mir Wolfgang, dass die Teilnehmerzahlen nur noch leicht steigen und die Ergebnisse recht stabil seien. Daher sollte das vorliegende Datenmaterial jetzt grob aussagekräftig dafür sein, wie die Recruiting-Abteilungen in Deutschland aktuell mit der Coronakrise umgehen, selbst wenn es bei der Befragung noch ein paar Nachzügler geben sollte. Natürlich sollte dennoch der Befragungszeitraum im Hinterkopf behalten werden: Die Woche in welcher die Schulen und Kitas deutschlandweit geschlossen wurden und viele Unternehmen große Teile der Belegschaft ins Homeoffice geschickt haben. Auch begannen nun erste Betriebe ihre Leute in Kurzarbeit zu schicken. Angesichts solcher Herausforderungen kann es durchaus sein, dass die Auswirkungen aufs Recruiting noch nicht richtig erfasst werden konnten. Eine tiefer gehende Betrachtung ist in naher Zukunft also in jedem Fall sinnvoll. Für den Moment sind die vorliegenden Zahlen jedoch ein lohnender Blick auf die Situation.
Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick
(nachfolgend dann die Grafiken zu den einzelnen Resultaten):
- Bewerberzahlen: Ein gemischtes Bild. Etwa die Hälfte der befragten Recruiter meldet sinkende oder stark sinkende Bewerberzahlen. Die andere Hälfte gibt an entweder keine Veränderung in den Bewerberzahlen festzustellen, bzw. in wenigen Fällen sogar mehr Bewerbungen zu erhalten.
- Einfluss der Coronakrise auf Recruiting insgesamt: Rund 60 % der Befragten vermuten, dass Recruitingaktivitäten in Summe infolge der Krise zurückgefahren werden. Nur 16 % erwarten keine Veränderungen.
- Einfluss der Coronakrise auf das Recruiting im eigenen Unternehmen: Etwas weniger skeptisch als für die landesweite Entwicklung geben sich die Befragten bezogen aufs eigene Unternehmen. Hier geben nur rund 46 % an, dass das Recruiting vermutlich zurückgefahren werden wird.
- Corona als Antreiber für die Recruiting-Digitalisierung: Zwei Drittel der Befragten geben an, dass infolge der Coronakrise in ihrem Unternehmen mehr auf digitale Recruitingprozesse gesetzt werden wird.
- Videointerviews (Skype, zoom etc.) sind die Gewinner der Situation. Etwas mehr als 50 % der sagen, dass sie als direkte Krisenreaktion darauf umgestellt haben.
- Auch digitale Candidate-Assessment-Methoden werden mehr nachgefragt. Während eine z.B. rund 16 % der Befragten angeben, dass sie z.B. den Cultural Fit ihrer Kandidaten in Kürze digital prüfen wollen, sagen rund 50 %, dass auch absehbar das persönliche Gespräch für die Cultural Fit Überprüfung genutzt werden soll.
- Die Mehrzahl der Recruiterinnen und Recruiter hat bereits Homeoffice-Erfahrung und sieht die Arbeit von zu Hause aus eher nicht als problematisch an.
- Größte Herausforderung für Recruiterinnen und Recruiter: Das fehlen der Kollegen!
Hier kommen die Grafiken zu den Detailergebnissen.
Zweigeteiltes Bild: Etwa die Hälfte der befragten Recruiter sagen, dass die Bewerberanzahl bei ihrem Arbeitgeber sinken bzw. deutlich sinken. Demgegenüber steht die andere Hälft jener Befragter, die melden, dass ihre Bewerberzahlen sich entweder nicht verändert haben oder sogar in wenigen Fällen steigen würden.
Die Einschätzung zur Entwicklung von Recruitingaktivitäten im Zuge der Coronakrise ist recht eindeutig: Mehr als die Hälfte der Befragten erwarten, dass Recruiting nachlässt und entsprechende Bemühungen zurückgenommen werden. Allerdings sagen auch rund 9 % eine antizyklische Entwicklung voraus, nämlich, dass Recruiting ausgebaut wird. Dies dürfte in der Tat wohl in den kommenden Wochen und Monaten zu beobachten sein bei denjenigen Unternehmen, welche von der sich abzeichnenden Wirtschaftskrise kaum betroffen sein werden. Sie können dann u.a. endlich massiv die Talente an Land ziehen, um die vorher sehr hart gekämpft werden musste. Aber noch sind dies nur Vorahnungen…
Interessant ist im Hinblick auf die Einschätzung der Recruitingaktivitäten am Gesamtmarkt und im Vergleich dazu beim eigenen Unternehmen, dass die Befragten hier für den eigenen Arbeitgeber deutlich weniger von abnehmenden Recruitingbemühungen ausgehen (45,9 % vs. 58,4 % im Gesamtmarkt. Ob dieser Optimismus begründet sein wird, wird die Zeit zeigen. Immerhin rd. 30 % erwarten keine Veränderung zum Zustand vor Corona.
Die Coronakrise ist aus der Sicht von über zwei Drittel der Befragten ein echter Beschleuniger für die Digitalisierung von Recruitingprozessen. Nur rd. 28 % vermuten, dass ihr Recruiting im wesentlichen unverändert bleiben wird. Gute Aussichten also für Change und digitale Upgrade?
Was wird im Detail schon jetzt getan, um die Bewerberinterviews „Corona-neutral“ zu gestalten. Klarer Favorit: Videointerviews mit Skype, zoom oder ähnlichen Webkonferenz-Tools. Etwa jede achte Befragte äußerte zudem, dass aktuell nur noch telefonische Bewerberinterviews durchgeführt werden.
Auch für die kurzfristige Zukunft (einige Wochen) sind Videointerviews Trumpf:
Wie wird die Passung von Kandidaten im Lichte der Corona-Herausforderung überprüft. Etwa jeder fünfte befragte Recruiter gab an, dass nunmehr aus digitale Assessments umgestellt werden soll.
Cultural Fit: Mit rd. 51 % wollen relative viele Recruiter die kulturelle Passung ihrer Kandidaten aus aktuell bzw. zukünftig weiter in vor allem persönlichen Interviews überprüfen. Knapp 16 % geben an, jetzt die Weichen zu stellen, um digitale Cultural Fit-Checks zu ermöglichen. Tatsächlich passt das zu unseren Erlebnissen der letzten Tage: Während Workshops und Beratung weitgehend auf Pause stehen, sind wir in mehr Gesprächen aus gewöhnlich, was unserer digitales Tool, den Cultural Fit Evalueator betrifft. Wer mehr über dazu wissen möchte, nehme gern Kontakt zu mir auf!
Das Thema Homeoffice ist für 2 von 3 befragten Recruitern keine neue Sache. Sie haben bereits von zu Hause gearbeitet. Viele andere stellen diese Tage auf Homeoffice um. Nur ein kleiner Teil gibt an, dass Homeoffice kein Thema in ihrem Job sei bzw. das aus irgendwelchen Gründen nicht möglich wäre:
Das Größte Problem im Homeoffice sind aus Sicht der meisten Recruiter die fehlenden Kollegen. Technische Schwierigkeiten haben nur 13,6 % erlebt bzw. erwarten diese. In Summe scheint die Recruiter-Community ausgesprochen Homeoffice-erprobt zu sein. Antworten hier:
Nochmals besonderen Dank an Wolfgang Brickwedde vom ICR für die Initiative und Durchführung dieser Blitzbefragung. Weitere Infos finden sich zuverlässig hier auf der Webseite vom ICR und hier kann man Wolfgang auf Twitter folgen!
Ich möchte außerdem noch auf die gerade gestartete Blogparade von Bloggerkollegen Stefan Scheller hinweisen. Unser dem Hashtag #HRvsCoronaKrise sollen entsprechende Beiträge gesammelt und verbreitet werden. Hiermit steuere ich (und somit indirekt natürlich auch Wolfgang Brickwedde) gerne etwas bei.