Candidate Experience ist wohl zu einem der Top-HR-Themen dieses Jahres avanciert. Das freut mich als Co-Autor der ersten deutschsprachigen, wissenschaftlich begleiteten Studie über diese Materie. Doch bei allem Geschreibe zum Thema, scheint manchmal noch zu wenig deutlich argumentiert zu werden, warum das Thema Candidate Experience jetzt auf jede HR-Agenda gehört. Daher also mein Einwurf an dieser Stelle. Hier kommen sieben Gründe, warum es wichtig ist:
1) Kandidatenerfahrungen beeinflussen das Arbeitgeber-Image
Die Candidate Experience ist für die Wahrnehmung und die Ausprägung des Arbeitgeberimages seitens des Kandidaten mitverantwortlich. Positive Candidate Experience führt zu einem Imageplus, negative Kandidatenerfahrungen können das Image eines Unternehmens bei Bewerbern nachhaltig schädigen. D.h. negative Candidate Experience schädigt die Arbeitgebermarke und konterkariert ggf. Image- und Personalmarketingmaßnahmen. In der Folge kann es zu einer Reduzierung der Bewerberanzahl oder zum Sinken der Bewerberqualität kommen.
2) Differenzierung geht am besten über Emotionen
Für viele Unternehmen, insbesondere für Mittelständler, stellt sich die Frage, wie sie sich gegenüber ihren Wettbewerbern auf dem Bewerbermarkt abgrenzen können. Eine entsprechende Arbeitgebermarke ist dazu hilfreich. Doch enden Employer Brand Projekte zu oft allein in neuen Claims und schönen, neuen Bildwelten für Karriere-Webseite und Bewerberbroschüren. Differenzieren können wir aber noch viel besser über erlebte Emotionen. Diese seinen Bewerbern anzubieten, natürlich in möglichst positiver und besonderer Form, ist ein große Chance zur Differenzierung. Das Erlebnis, verankert in einer guten Emotion prägt viel stärker als es Bilder und Claims können. Passend gestaltete Candidate Experience kann dies leisten – gerade auch für kleinere Unternehmen.
3) Bewerbungserwartungen verändern sich
Reicht das angebotene Bewerbungserlebnis nicht zum außergewöhnlichen Exempel, so sollte doch jede rekrutierende Firma mindestens eine sich an aktuellen Erwartungen von Bewerbern orientierende Rekrutierungslogistik bieten. Beispielhaft dafür ist die stark gestiegene mobile Jobsuche: Jeder Dritte sucht bereits über Smartphone und Co. nach Jobs. Bei den unter 26Jährigen sind es schon fast 60%. Hingeben sind viele Karriere-Webseiten nicht mobil optimiert und Jobposts oft nicht mobil abrufbar. Vergleichbares gilt für die oft bereits seit vielen Jahren eingesetzten e-Recruiting-Frontends. Bewerberformulare sind unbeliebt bei den Kandidaten, doch werden diese besser akzeptiert, wenn sie wenigstens kurz gehalten sind und leicht bedienbar sind. Wo aber oft nach endlosen Dateneingaben noch ein Lebenslauf oder ein anderes Dokument mit nur maximal 2 MB Größe hochgeladen werden muss ist der Frust geradezu vorprogrammiert.
4) Arbeitgeberreputation: Bad news travel like wild fire
“Bad news travel like wild fire” heißt es in einem Johnny Cash Song. In der Tat: Negative Bewerbungserfahrungen finden häufiger Eingang in Arbeitgeberbewertungsportale. 4 von 5 Bewerbern teile ihre gemachten Erfahrungen aus Bewerbungsverfahren gegenüber Freunden und Bekannten mit. Ein Viertel dieser Kommunikation findet auch via soziale Netzwerke statt und bekommt somit zusätzlich Reichweite. Hier kann die einfache Ausbreitung vor allem von Negativ-Geschichten über Shares und Likes tatsächlich zum „wilden Feuer“ werden und die Reputation von Arbeitgebern schädigen. Ein konsequent auf positive Kandidatenerfahrungen ausgerichteter Bewerbungsprozess schützt davor.
5) Arbeitgebermarkenversprechen werden in der Cand Ex real – oder eben nicht
Angenommen Ihre Arbeitgebermarke erhebt den Anspruch für Innovation zu stehen? Ihr Rekrutierungsprozess sollte dies besser widerspiegeln. Gefordert sind dann bspw. mobil-optimierte Karriere-Webseiten, User-freundliche, intuitive Jobsuche und Navigation auf der Seite und natürlich sehr unkomplizierte Bewerbungseinreichungen. Jene am besten mit dem Angebot der One-Click-Bewerbung und ohne sich zuvor zwingend in einem eRecruiting-System angemeldet haben zu müssen. Eine solche technisch-moderne und innovative Recruiting-Architektur würde einen Innovations-Brand gut widerspiegeln. Im umgekehrten Sinn ergeben sich sonst schnell Brüche und gefühlte Inkonsistenzen zwischen Employer Brand Kommunikation und realem Handeln der Organisation gegenüber seinen Bewerber/innen.
6) Die Erfahrungshintergründe digitaler Bewerbergenerationen
Mehr und mehr haben es Unternehmen mit Bewerbern zu tun, welche bereits eine lange persönliche Erfahrungshistorie im digitalen Bereich hat. Das betrifft bei weitem nicht nur das Thema Bewerbung und Karriere. Nein, Online-Shopping, Kommunikation via soziale Medien und überhaupt die stets zunehmende Verwendung von Smartphones hinterlassen eine Gewohnheit, einen Trend zur insbesondere digitalen Convenience. Einfachheit und Unmittelbarkeit wird heute vielfach eher erwartet, eher vorausgesetzt, anstatt sie als Luxus zur Kenntnis zu nehmen. Die Konsequenz ist, dass eine „saubere“ digitale Kandidatenerfahrung schon de facto erwartet wird seitens der Jobsucher, mindestens bei den Top-Employer Brands. Diese digitale, eher technisch-prozessuale Candidate Experience wird recht bald zum quasi „Hygienefaktor“ in der Wahrnehmung von Bewerbungsprozessen werden. Ergo: Das wird erwartet werden, ohne dass Ihr Brand damit schon besonders hervorsticht. Aber wehe wenn die digitale Convenience nicht da sein sollte…
7) Recruiting-Orientierung an relevanten Kennzahlen
Personalbeschaffung ist für nicht wenige Unternehmen ein Geschäft, welches im mindestens halben Blindflug abgewickelt wird: Wie viele Bewerber kamen über welchen Personalmarketingkanal? Unbekannt. Wie viele Bewerber haben im eRecruiting-System die Bewerbungseinreichung abgebrochen? Keine Zahlen verfügbar. Welchen Zielgruppen haben diese Bewerber angehört? Wissen wir nicht. Wer sich, wie ich das bedingt durch meine Arbeit als Recruiting-Berater tue, für die Recruitingvorgänge von Unternehmen interessiert, wird leider häufig feststellen, dass Personaler hier viel zu wenig Transparenz über ihre eigenen Prozessvorgänge haben. Das ist den Recruitern vor Ort oft selber bewusst und hat verschiedene Gründe. Da sind z.B. „sperrige“ Bewerbermanagement-Lösungen, wenig kooperative HR-IT-Systemdienstleister oder auch die mangelnde Vorstellungskraft darüber welche Zahlen einem wobei helfen können Ursache dieser Teilblindheit.
Gerade aber in einer immer mehr digitalen Recruitingarbeit wird die Orientierung an Zahlen und Recruiting-Kennzahlen relevanter. Die digitale Welt bietet immer eine Fülle von Zahlen an. Die Herausforderung ist es u.a. die wesentlichen auszuwählen und konsequent zu nutzen. Hierbei ist das Thema Candidate Experience ein echtes Geschenk: Wem sonst, wenn nicht einem der wichtigsten Recruiting-Stakeholder, „dem Bewerber“, sollte zugehört werden? Candidate Experience lässt sich ohne entsprechende Kennzahlen und deren regelmäßig Erhebung nicht sinnvoll managen. Daher ist das Thema eine große Chance für Recruiting-Abteilungen Zahlen getriebener zu werden und auch intern besser argumentieren zu können. Bewerbungsverfahren schließlich modernisieren sich besser, wenn man auch anhand von Messdaten weiß von wo nach wo man gehen mag. Aber Achtung: Bewerbungsprozesse sind erfahrungsgemäß sehr unternehmensindividuell. Achten Sie also bitte stets darauf, dass eine solche Cand Ex Messung spezifisch auf Ihr Recruiting abgestimmt ist. Wenn Sie obendrein Benchmarks beziehen können – wie bspw. über meta HR, aus unserer wissenschaftlich begleiteten Candidate Experience Studie – dann nur zu.
>>> Wer mehr zum Recruiting- und Employer Branding-Thema Candidate Experience erfahren möchte, schaut am besten hier vorbei, bei der HR-Blogger-Challenge zum „Jahr der Kandidaten“, lädt hier kostenfrei unsere Candidate Experience Studie runter oder guckt hier mal nach, wo wir von meta HR Sie bei der Bearbeitung des Themas unterstützen können.
PS: Und für alle, die eine Stunde Zeit investieren mögen – am Di, 08.09. von 14 – 15 Uhr gebe ich zusammen mit der Videorecruiting-Expertin Hanna Weyer von viasto ein Webinar zum Thema. Hier geht´s zu Infos und Anmeldung (kostenfrei).