Employer Branding ist seit einigen Jahren eines der Top-Themen in der HR-Arbeit. Mehr und mehr Unternehmen sehen die Bedeutung der eigenen Arbeitgebermarke. Employer Branding Experte Wolf Reiner Kriegler hat sein Wissen zum Thema in ein Buch gegossen. Ich habe dieses Buch gelesen und mit dem Autor dazu ein Interview geführt.
Das Buch:
Wolf Reiner Kriegler legt das „Praxishandbuch Employer Branding“ vor. Es ist vor allem ein Arbeitsbuch, welches grundsätzlich alle nötigen Arbeitsprozesse beschreibt. Der Leser kann somit auf rund 400 Seiten die Prozesse zur Definition, Entwicklung, Kommunikation und Pflege einer wirksamen Arbeitgebermarke nachvollziehen. Entlang dieser Prozessschritte gibt der Autor viele beachtenswerte Hinweise zur Umsetzung und stellt die verschiedenen Auswirkungen an zahlreichen Beispielen dar. Kriegler unterfüttert dies alles mit vielen Grafiken, einem umfangreichen Anhang und verschiedenen Arbeitshilfen wie bspw. Checklisten.
Die Buchkritik:
Das Buch besticht durch seinen logischen und strukturierten Aufbau. Der Employer Branding Prozesses wird für den Leser gut transparent gemacht und auf die einzelnen jeweiligen Herausforderungen wird prozessbezogen hingewiesen. So kann der Lesen jederzeit leicht im Buch manövrieren und man kann bspw. auch kapitelweise ins Buch einstiegen. Empfehlen würde ich allerdings das Konzept des Autors Schritt-für-Schritt nachzuvollziehen, da sich das Thema vermutlich dann erst dem Leser in voller breite und mit seinem ganzen Anspruch präsentiert.
Bedeutend finde ich es, dass sich der Autor Zeit nimmt das Thema ausreichend zu definieren. In einer Zeit in der wir schnell sind im Umgang mit so manchen Buzzword ist das hilfreich und bildet die Grundlage und Begründung für viele operative Vorgänge in der Nachfolge. Besonders das Eingehen auf die Wichtigkeit einer guten Analyse der IST-Situation in einem Unternehmen und die individuelle Entwicklungsarbeit in Sachen Arbeitgeberpositionierung sind eindringlich geschildert.
Das Buch behält seinen klaren Working-Charakter auch über die volle Distanz meistens bei und bietet viele interessante Anmerkungen und Vertiefungen. Ein wenig schießt der Autor allerdings im hinteren Teil des Buches übers Ziel hinaus. Dort werden viele thematische Nischen rund um die Kommunikation der Arbeitgebermarke teilweise recht umfangreich besprochen. Da dies zum Teil in Form von Gastbeiträgen oder Interviews geschieht, stört es die Kompaktheit und die Klarheit in dem Buch leider etwas. Abseits dieser manchmal leicht ablenkenden Vertiefungen liegen die wirklichen Stärken dieses Buches: Struktur, Klarheit im thematischen Kernbereich und ein guter Anwendungsbezug.
Wer sich mit dem Thema wirklich intensiv und praxisnah auseinandersetzen möchte, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen.
Christoph Athanas, meta HR (CA):
Reiner, Du bist schon viele Jahre in Sachen Employer Branding aktiv. Was hat Dich dazu gebracht nun ein Buch über das Thema zu veröffentlichen?
Reiner Kriegler (RK):
Der Haufe-Verlag sprach mich an und bat mich dieses Buch zu schreiben. Es hat mich schon lange in den Fingern gejuckt die in den letzten 13 Jahren gesammelten Lerneffekte und Erfahrungswerte einmal niederzuschreiben und auch für Unternehmen, die nicht unsere Kunden sind, zugänglich zu machen. Auch die Erkenntnisgewinne aus sechs Jahren Grundlagenarbeit unseres Akademiebereichs flossen mit ein. Die Anfrage von Haufe war die willkommene Chance, das zu tun.
Außerdem brannte es mir schon länger auf der Seele, einmal ganz grundlegend aufzuräumen mit den vielen Missverständnissen und sogar Missbrauchsversuchen, die es bis heute rund um das Thema Employer Branding gibt.
Christoph Athanas (CA):
Employer Branding gehört zumindest in den letzten Jahren immer zu den meistgenannten Buzzwords im HR-Umfeld. Wo steht das Thema in Deutschland Deiner Einschätzung nach?
Reiner Kriegler (RK):
Es steckt auch sechs Jahre nach dem großen Boom noch in den Kinderschuhen. Unter dem Stichwort Employer Branding wird so ziemlich alles vermixt, was wenig, gar nichts oder nur zum Teil mit Arbeitgebermarkenbildung zu tun hat. Viele Unternehmen machen schon ganz zu Anfang entscheidende Fehler, die dazu führen, dass ihre teils enormen operativen Investments markentechnisch verpuffen. Doch immer mehr verstehen, worauf es ankommt: Dass Employer Branding nur teilweise ein Marketingthema ist, sondern vielmehr ein Prozess der Kultur- und Identitätsentwicklung. Marke ist nicht Marketing.
CA:
Missverständnisse bzw. sogar Missbrauch des Themas hast Du ja oben schon erwähnt. In Deinem Buch sprichst Du von einem großen Missverständnis im Employer Branding: Zu viele Unternehmen legen den Fokus auf die rationalen Faktoren ihrer Arbeitgebermarke. Also was läuft das falsch?
RK:
Für mittlerweile sechsstellige Budgets werden Employer Value Propositions entwickelt, die allzu oft Aneinanderreihungen austauschbarer Selbstverständlichkeiten sind. Mit Profilierung und Differenzierung, und genau das muss Markenbildung, also auch Employer Branding leisten, hat das nichts zu tun. Man kann den Eindruck gewinnen: Viel Employer Branding, kaum Employer Brands.
CA:
Wenn ein Unternehmen sich eine Arbeitgebermarke schaffen will, welche Grundvoraussetzungen sollte es mitbringen?
RK:
Die Bereitschaft vieles wegzulassen. Profil entsteht immer dann, wenn man sich auf wenige Themen konzentriert. Und der Mut, Ecke und Kante zu zeigen. Also auch die Dinge nicht zu verschweigen, die das Arbeiten bei mir vielleicht auch schwierig machen. Das ist nicht nur wichtig, um glaubwürdig für sich zu werben, sondern auch im Sinne von Markenbildung höchst wirkungsvoll: Wer sich nicht nur in den schillernsten Farben zeichnet sondern echte Kante zeigt, gewinnt am meisten an Profil. Wir nennen das die Effektivität der Ehrlichkeit.
Das ist nicht nur ein Segen für die Markenbildung, sondern auch für das Unternehmen und die Bewerber. Wer klar macht, was bei ihm los ist, der zieht nur die an, die wirklich zu ihm passen. Das ist vielleicht der wertvollste Effekt von Employer Branding wenn es richtig praktiziert wird: Die Verbesserung der Passung von Organisation und Mensch.
CA:
Demnach: Was macht eine gute, weil wirksame Arbeitgebermarke Deiner Meinung nach aus?
RK:
Marke funktioniert emotional. Es geht um Orientierung für Bewerber, Identifikation von Mitarbeitern und mehr Leistungsmotivation. Mit rationalen Benefits lässt sich das nicht erreichen. Hervorragende Entwicklungsprogramme, ein ambitioniertes Gesundheitsmanagement, gute Sozialleistungen und der tägliche Obstkorb in der Kaffeeküche – all das sind längst Hygienefaktoren, wie Sie Herzberg einst nannte: Selbstverständlichkeiten, die heutzutage extrem viele Unternehmen anbieten, und die die Menschen emotional nicht berühren oder binden.
Niemand identifiziert sich mit einem Weiterbildungsprogramm, flexiblen Arbeitszeitmodellen oder der Gehaltserhöhung. Es wird nach kurzer Zeit schlicht als selbstverständlich wahrgenommen. Das mag undankbar erscheinen, ist aber ganz normal. Da die meisten Arbeitgeber in diesen harten Faktoren ihrer Arbeitgeberqualität immer besser werden. Das ist ein Wettrüsten, das viel Geld verschlingt, ohne dass die spezifischen Attraktivitätsziele eines Arbeitgebers damit erreicht werden. Eine gute Arbeitgeberqualität macht noch keine Arbeitgebermarke.
CA:
Das klingt zwar alles nach einer schönen Herausforderung für Unternehmen, aber nicht nach Unmöglichkeiten. Zumindest die großen Unternehmen sollten doch nach einigen Jahren der Beschäftigung mit dem Thema hier gut dastehen, oder?!
Wie kann es dann nur sein, dass so viele Unternehmen, die angeblich auf ihr Employer Branding achten und sogar spezielle Positionen wie bspw. einen EB Manager geschaffen haben, dann nicht konsequent ihren Employer Brand auch in ihren Karrierenwebseiten zu Wirkung kommen lassen oder in ihren Anzeigen kommunizieren. Woher kommt diese allgegenwärtige Beliebigkeit?
RK:
Gerade den Großen scheint es scheinbar schwer zu fallen, eine Arbeitgeberpositionierung, also eine EVP zu entwickeln, die Mitarbeitern unter die Haut geht und den Zielgruppen da draußen klar macht, was in dem Laden los ist. Die EVP vieler DAX 30 sind tatsächlich nur Aneinanderreihungen beliebiger, austauschbarer Faktoren. Daher ähneln sie sich so sehr. Aber kein Wunder: Wer nur das positionieren will, was allen gefällt und niemandem weh tut, der bekommt auch kein Profil. Aus Markensicht heißt das: Thema verfehlt.
Dabei ist es nicht so, dass Konzerne per se keine profilstarke EVP entwickeln können, wie wir aus der eigenen Praxis wissen. Ob bei einem global aufgestellten Finanzkonglomerat der Chemieindustrie oder einem Premium-Automobilhersteller mit 100.000 Mitarbeitern weltweit – es finden sich immer kulturelle Gemeinsamkeiten, die attraktiv sind, Profil verleihen, von anderen Arbeitgebern unterscheiden und die passenden Bewerber anziehen. Mittelständischen und kleinen Unternehmen fällt das übrigens viel leichter.
CA:
Warum erkennen die Employer Brand Manager der Unternehmen das nicht und steuern gegen?
RK:
Weil ihnen niemand beigebracht hat, was eine Marke braucht, wie Marke geht und welche spezifischen Anforderungen die Arbeitgebermarkenbildung mit sich bringt. Es gibt bislang keine Ausbildung dazu, die Menschen in dieser Position das nötige Rüstzeug vermittelt. Gerade deshalb hat die DEBA übrigens mit TU München und der Wirtschaftsuni Wien den ersten universitätszertifizierten Lehrgang „Employer Brand Manager/in“ aus der Taufe gehoben. Ab März 2013 startet die erste Studiengruppe.
CA:
Gut zu wissen. Nun zurück zu den Inhalten aus Deinem Buch: Ein wichtiger Bereich ist natürlich die gelungene Kommunikation der Arbeitgebermarke nach außen. Dafür brauchen Unternehmen mehr oder weniger externe Unterstützung. Dazu also eine Umsetzungsfrage: Zugespitzt sagst Du in Deinem Buch, dass die Kreativagenturen keine Ahnung von HR haben und die Personalmarketingagenturen nicht ausreichend kreativ sind. Wie löst ein Unternehmen dieses Dilemma auf, wenn es mit externen Agenturen und Dienstleistern zusammenarbeiten muss? Wie ist Dein Rat?
RK:
Tatsächlich ist das die – natürlich zugespitze – Bilanz nach all den Jahren Employer Branding. Wir haben für große wie kleine Unternehmen Agenturpitches organisiert und von den Unternehmen viel gehört über ihre Erfahrungen mit der Agenturwelt. Du findest einfach keinen Dienstleister, der überall richtig gut ist. Das wäre ja auch seltsam. Marke ist ebenso wie Kommunikation von einer Welt der Generalisten zu einer Welt der Spezialisten geworden. Keiner kann mehr alles.
Wir empfehlen unseren Kunden daher eine Dienstleisterkette. Wer eine wirklich gute Kampagne haben will, sollte sich an eine klassische Werbeagentur oder Kreativagentur wenden. Die haben das Personal dafür an Bord, ganz anders die etablierten Personalmarketingagenturen. Wann immer wir beide Agenturgattungen in einem Pitch erleben, hat sich das Unternehmen für die Kreativagentur entschieden. Den Rahmenvertrag für die Umsetzung würde ich hingegen eher den Personalmarketingagenturen in die Hand drücken – sie haben bessere Einkaufskonditionen bei den Jobbörsen und Stellenmärkten, kennen die Bedarfe im Personalbereich viel besser und können den operativen Alltag auch günstiger anbieten.
Mein Rat also: Kreativkonzept von einer echten Kreativagentur, dann Buy-out der Nutzungsrechte und Übergabe an die Personalmarketingagentur der Wahl. Für beide Etappen ist ein Screening oder ein Pitch eine gute Möglichkeit, um sicherzustellen, dass der Dienstleister auch passt.
CA:
Abschließend: Du stellst im Buch eine Reihe von Fallstudien vor. Darin hast Du die fürs Employer Branding verantwortlichen Personen oft nach ihren Top-3 Lessons Learned oder ihren Top-3 Tipps gefragt. Daher soll nun auch unser Interview so zu Ende gehen, indem ich von Dir wissen möchte, was waren aus Sicht des Beraters Deine Top-3 Learnings im beim Aufbau bzw. der Pflege von Arbeitgebermarken?
RK:
Schöne Frage. Das sind meine Top-3 …
1. Für Employer Branding brauchst du die Tiefseetaucherflasche und keinen Schnorchel. Man muss sich wirklich auf den Grund gehen, um die kulturellen Themen und Identitätsmerkmale zu finden, die tatsächlich das Zeug haben, aus einem Arbeitgeber eine Marke zu machen.
2. Binde alle ein, die du nicht ungestraft weglassen kannst! Wer schon zu Anfang gut überlegt, wer eine Rolle in dem Prozess spielen soll, der hat die Basis für einen erfolgreichen Employer Branding Prozess gelegt, der auch wirklich alle relevanten Stakeholder einbindet und den meisten davon auch noch richtig Spaß macht.
3. Und zu guter Letzt: Entspannt herangehen. Offen sein für das, was in dem Prozess passieren wird. Denn der hat meistens eine eigene Dynamik, die nicht vorher berechnet werden kann. In dem Buch schreibe ich: Employer Branding ist keine Gerade und auch kein Billy-Regal. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Unternehmen den idealtypischen Weg zur Arbeitgebermarke gehen konnte. Und du kannst auch mal ein Schräubchen weglassen, ohne dass alles gleich zusammenbricht.
CA:
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit Deinem Buch!
Über meinen Interviewpartner Wolf Reiner Kriegler:
Wolf Reiner Kriegler gilt als Pionier des Employer Brandings in Deutschland. Seit 1999 begleitet der Markenexperte Unternehmen auf dem Weg zur Arbeitgebermarke. 2006 gründete er die DEBA Deutsche Employer Branding Akademie, die Employer Branding interdisziplinär erforscht, praxisnah weiterentwickelt sowie Unternehmen in Aufbau und Führung ihrer Arbeitgebermarke berät und weiterbildet.