Medienfasten – ein persönlicher Erfahrungsbericht

Medienfasten - digitaler Verzicht

Meinen drei Wochen langen Urlaub im Juli dieses Jahres nutzte ich zu einem kleinen Experiment: Medienfasten. Den kompletten Verzicht auf soziale Medien und das Internet ganz generell, sowie keine Nutzung des Mobiltelefons und auch kein TV. Hier ist mein Erfahrungsbericht dazu.

 

Die Idee
Fasten, also die Idee des zeitweiligen Verzichtens ist bekanntermaßen schon sehr alt. Meistens geht es dabei darum eine Weile auf Nahrung allgemein oder auf bestimmte Lebensmittel im Besonderen zu verzichten. Oft erfolgen solche Rituale mit Blick auf ein höheres Ziel, geistiger Reinigung oder religiöser Läuterung. Sich die digital-mediale Kost zu versagen ist gewissermaßen eine postmoderne, spielerische Variante dieser alten Rituale, aber natürlich ganz religionsfrei… Eine Parallele zu Motiven des klassischen Fastens kann ich jedoch zweifelsohne ziehen: Die Vorenthaltung meines (digitalen) Futters sollte meiner Konzentration und stärkeren Fokussierung auf andere Aspekte, sprich meinen Urlaub und meine Erholung fördern. Nein, keine Sorge, das hatte mir kein Arzt verordnet. Es war ganz allein meine Idee. Außerdem fand ich es wichtig, wieder einmal zu erfahren, wie es sich anfühlt über eine so lange Zeit ohne die genannte Technologie auszukommen: Keine Telefonate, keine eMails, kein iPhone, kein Twitter, kein Blog… Das ich mich dabei im balinesischen Dschungel und an den schönsten Stränden dieser wunderbaren Insel aufhalten konnte, erleichterte zugegebenermaßen dieses mein Vorhaben. Nachvollziehbar, oder?

 

Meine Ausgangslage
Meine Ausgangslage für die mediale Vollbremsung war die folgende: Mein normales, teilweise berufsbedingtes Mediennutzungsverhalten umfasst jede Woche ein paar dutzend Telefonate, 30-40 eMails je Woche, Twitter, täglich mitlesen und i.d.R. alle 2-3 Tage selber tweeten, manchmal aber auch durchaus jeden Tag. Dazu quasi wochentägliches Querlesen meiner Lieblingsblogs im Web und einiger Newsseiten. Weiterhin bin ich häufig, wenn auch nicht täglich, auf Xing und/ oder auf Facebook aktiv. Sporadisch und phasenweise kommen andere Social Media Tools und Netzwerke hinzu. Selbstredend kommt für mich die Betreuung des metaHR Human Resource-Blogs hier hinzu, wo ich monatlich i.d.R. zwischen 4 und 8 Beiträge veröffentliche. Fernsehen schaue ich nur wenige Stunden in der Woche.

Nur damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Ich mache das alles gern und die Nutzung dieser Medien stellt natürlich auch einen Teil meiner Arbeit dar. Auch weiß ich, dass ich verglichen mit echten Heavy-Social-Usern nicht wirklich besonders viel Zeit in sozialen Netzwerken verbringe. Aber darum geht es nicht. Es ist einfach eine tägliche Gewohnheit und eine (Un-)Sitte unserer Zivilisation, ständig informiert zu sein, ständig erreichbar zu sein, mobil und stets und überall… Genau dieses oft nützliche, manchmal nervige, gelernte Verhalten wollte ich mal wieder für mehr als einige Stunden oder ein Wochenende lang durchbrechen und sehen, wie es mir damit geht.

 

Stecker raus: So verlief mein Medienfasten
Wie beim herkömmlichen Fasten üblich, war es ebenso für mein Medienfasen sinnvoll ein paar Vorbereitungen zu treffen. Insofern hatte ich einige enge Geschäftspartner und Freunde davon informiert, dass ich in der betreffenden Zeit nicht kommunizieren würde, weder per Handy, noch per eMail oder Direktnachricht in einem sozialen Netzwerk. Mein Smartphone ließ ich dann auch gleich in Deutschland – keine halben Sachen.

Zu Beginn ließ sich der Komplettverzicht auf genannte Medien für mich recht unspektakulär an. Ohnehin war ich mit einer langen Flugreise und den ersten neuen Eindrücken in Indonesien beschäftigt. Da hätte ich mich vermutlich auch ohne mein Vorhaben kaum anders verhalten. Ein paar gute Bücher mit dabei waren zudem hilfreiche Reisebegleiter.

Nach einigen Tagen stellte ich immer noch keine „Entzugserscheinungen“ fest. Tatsächlich fand ich es schon nach einem Tag ausgesprochen normal ohne Mobiltelefon unterwegs zu sein. Auch waren die beeindruckende Umgebung und die freundlichen Menschen um mich herum ausfüllend genug, so dass ich weder Nachrichten sehen oder hören wollte, noch irgendwelche Internetseiten oder RSS-Feeds lesen mochte. Meine ausschließliche Fokussierung auf´s „Offline“ schärfte hingegen meine Sinne dafür wie oft Menschen doch quasi beiläufig in ihren mitgeführten digitalen Medien versinken. Ein paar Beispiele: Auf Bali gibt es in vielen Bars, Restaurants und Cafés kostenloses WiFi (WLAN). Dies verführt dort insbesondere westliche oder japanische Touristen dazu andauernd irgendwo an ihren Devices herumzunesteln und online zu sein, während das „offline“ drum herum mehr oder weniger ignoriert wird. Ich sah Paare, die in Beachrestaurants saßen und die schönsten Sonnenuntergänge verpassen, weil beide unabhängig voneinander in den Displays ihrer iPads versunken waren. Auch redeten diese Personen wenig miteinander. Einmal nahm eine vierköpfige Familie neben mir im Restaurant Platz und Mutter, Tochter und Sohn surften dann jeweils mit dem eigenen Tablett unabhängig nebeneinander her im Netz. Das wirkte schon irgendwie etwas irritierend auf mich.

Tatsächlich juckte es mich aber dann doch mal nach meinen eMails zu schauen. Diese leichte Neugier auf was sich wohl inzwischen privat und im Business ereignet hatte begann interessanterweise als ich nach ca. zwei Wochen keinen guten Lesestoff mehr in Buchform hatte. Ich überlegte für einen Tag und gönnte mir dann einen knapp einstündigen Besuch im Internetcafé. Inzwischen waren etwas über 2 Wochen vergangen und ich beschloss mein Medienfasten hierdurch langsam ausklingen zu lassen. Dieses Vorgehen war für mich in Ordnung und da dann auch kurz darauf die Olympischen Spiele in London anfingen und ich ein wenigsten die Nachrichten über die ersten Wettkampfergebnisse mitbekommen wollte, nutze ich in den letzten vier Tagen meiner drei wöchigen Auszeit auch das Angebot des Deutsche Welle TV ein wenig. So „wärmte“ ich schließlich ein wenig wieder an die Medien an ;-)

Tempel auf Bali: Schöne Impressionen im "Offline" erleichterten die Abwesenheit im Digitalen

Meine Lessons Learned
Medien bereichern meine Welt und ich mag insbesondere das Internet und seine Möglichkeiten. Auch mobil via Smartphone viele Kommunikationsmöglichkeiten zu besitzen finde ich ausgesprochen charmant. Aber der Verzicht auf diese Medien gelang mir leicht und ich habe die technischen Spielereien nicht wirklich vermisst. Ich fühlte mich nicht abgekoppelt von der Welt, nur weil ich drei Wochen kein soziales Netzwerk besuchte (hatte ich allerdings auch nicht von mir erwartet). Das fand ich ein gutes Ergebnis.

Nebenbei meine ich, dass ich besser Erholen und neue Kräfte tanken konnte als in manch anderen Urlauben. Ob ich das jedoch allein dem Medienverzicht zurechen kann ist fraglich. Sicher aber war es ein erholungsförderlicher Faktor. Ein Gefühl der „Entschleunigung“ meines Lebens durch meinen temporären Medienverzicht kann ich schon bestätigen. Meine Sinne für meine Umwelt wurden geschärft und ich habe manchmal mit einem Stirnrunzeln beobachten müssen, wie Menschen abgelenkt durch Smartphones und Tablett-PC´s sich weder mit ihrer Umgebung noch mit ihren Partnern beschäftigen. Dies sagt mir umso mehr, dass es auch mit liebgewonnenen digitalen Medien so ist wie mit den meisten Dingen im Leben: Alles in Maßen und zur Richtigen Zeit. Insofern ziehe ich ein positives Fazit nach meinem kleinen Experiment und würde Anderen im Zweifel auch dazu raten sich mal für einen überschaubaren Zeitraum – vielleicht ideal im Urlaub – komplett auf´s Offline zu konzentrieren.

2 Gedanken zu „Medienfasten – ein persönlicher Erfahrungsbericht

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