Mangel ruft nach Vorräten, denn mehr Fachkräfte werden es nicht

Ein Gastbeitrag von Martin Gaedt, Gründer und Geschäftsführer der YOUNECT GmbH.

Gastautor: Martin Gaedt, YOUNECT

Backyard Monsters erfreut sich auf facebook großer Beliebtheit. Es geht darum, eigene Siedlungen und Silos zu schützen und parallel Gebiete der Gegner anzugreifen, um möglichst viele Rohstoffe, Zäune aus Stahl und Gold sowie Nahrung für die eigenen Monster zu bekommen. Die Spieler versuchen, ihre Vorräte aufzufüllen und die Monster mit schmackhaften Speisen kampfbereit und bei Laune zu halten. Vorräte sind das hehre Ziel – bei Backyard Monsters und bei Fachkräften.
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Über die Größe der Fachkräftelücke herrschen unterschiedliche Meinungen. Doch fest steht, mehr Fachkräfte werden es nicht. Im Gegenteil: Heute ist jeder zweite Deutsche zwischen 15 und 64 Jahre alt, 2035 gehört nur noch jeder Vierte in diese Altersgruppe. „Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft viel schneller als im Durchschnitt der OECD-Länder“ (Focus.de 14.02.2012). Seit 1984 diskutiert Deutschland über Fachkräftemangel, doch wenig passiert. In Wachstumsbranchen wie IT und in ländlichen Regionen mit Abwanderung ist der Mangel längst Realität. „Etwa 800.000 Einwohner hat Deutschland seit 2002 verloren. Bis 2050 dürften sich die Verluste auf mindestens zwölf Millionen summieren“ (Newsletter DEMOS Nr. 129 vom 28.11.2011 Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung). „Im thüringischen Kreis Greiz fällt die Prognose noch finsterer aus: Nur 19 der 196 Dörfer scheinen eine sichere Zukunft zu haben“ (Welt Online 18.11.2011). Die renommierte Studie „Wettbewerbsfaktor Fachkräfte“ 2011 von McKinsey Deutschland stellt fest: „Unternehmen wie öffentliche Arbeitgeber müssen und können mehr tun als bisher, um die begehrten Fachkräfte für sich zu gewinnen und Standorte zu sichern.“ Peter Englisch kommentiert die Ergebnisse vom „Mittelstandsbarometer 2011“ von Ernst & Young so: „Die meisten Mittelständler ahnen noch gar nicht, was da auf sie zukommen wird – und viele haben noch keinen Plan, wie sie dem Problem begegnen könnten.“

Fachkräftesicherung wird für Wirtschaftsförderungen der Landkreise, regionale Netzwerke und Branchenverbände eine immer wichtigere Aufgabe. Was können Unternehmen, Städte, Regionen, Bürgermeister, Landräte, Clustermanager jetzt tun? Mangel ruft nach Vorräten wie bei „Backyard Monsters“. Jedes Unternehmen möchte gute Bewerber horten und bei Bedarf einstellen. Datenbanken werden gefüllt − Problem gelöst? Nein. Wartelisten haben ausgedient, denn Bewerber suchen jetzt. Kandidaten warten nicht auf einzelne Firmen, sondern orientieren sich um und verlassen im schlimmsten Fall Region und Branche. Wenn ein Unternehmen gute Arbeitnehmer nicht einstellen kann, wer dann? Hier macht Zusammenhalt den Unterschied. Regionale Netzwerke sichern einen Mehrwert für alle, denn sie vermitteln sich intern gute Arbeitnehmer weiter und lassen sie nicht davonziehen.

Andere Unternehmen in der Region und Branche müssen schnell und einfach von den Bewerbern und deren Qualitäten erfahren. Könnten sich Bewerber allen Unternehmen der Region präsentieren, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie vor Ort bleiben. Eine Fachkraft zurückzuholen, die aufgrund einer Absage weggeging, ist deutlich schwerer und teurer, als sie gleich bei der ersten guten Bewerbung an Region und Branche zu binden. Ein Verbund mehrerer Unternehmen gibt Empfehlungen untereinander weiter und hält so aussichtsreiche High Potentials. Der Abwanderung wird ein Riegel vorgeschoben.

Die niedersächsische Studie von 2011 „Fachkräftemangel und demographischer Wandel bis 2020“ kommt zu den Strategie-Empfehlungen „Ausbau überbetrieblicher Kooperationen“ und „Vernetzung von KMU und Schulen“ sowie zu den Handlungs-Empfehlungen „Überbetriebliche Kooperationen und branchenspezifische Unternehmensnetzwerke“ und „Innovative Verbund-Modelle zwischen KMU und (Berufs-)Schulen“.

Im Sport stehen Silber- und Bronzemedaillen-Gewinner auf dem Siegerpodest: Was für ein Triumph, zu den besten drei Sportlern zu gehören! Der Arbeitsmarkt geht da härter vor. Zweit- und drittplatzierte Kandidaten bekommen Absagen und keine erneute Chance. Warum verschwenden Branchen gute Bewerber?“, fragt sich Martin Gaedt, Geschäftsführer der YOUNECT GmbH. „Regionale Netzwerke und Talentpools stoppen diese Vergeudung und halten Kandidaten mit der ersten Bewerbung. Die Stadt und der Landkreis Goslar, Stadt und Landkreis Coburg, DEHOGA Berlin und DEHOGA Region Hannover, Media.net Berlin Brandenburg und viele weitere praktizieren schon die netzwerkinterne Empfehlung guter Bewerber. Durch die positive Erinnerung der Empfehlung klopfen Interessierte, die Unternehmen ablehnen mussten, zu einem späteren Zeitpunkt mit ausgeweiteter Expertise noch einmal an die Personaltür. Haben Firmen nun den passenden Bedarf und freie Stellen, kehrt der Vorteil zum eigenen Unternehmen zurück.“

Erfolg erwächst aus Einzigartigkeit“, sagt Peter Kreuz, Business-Querdenker und Autor der Bestseller „Alles, außer gewöhnlich“ und „Nur Tote bleiben liegen“. „Das Besondere aber fällt nicht vom Himmel, sondern erfordert Leidenschaft und wirkliches Bemühen um Originalität.“ Das gilt nicht nur für Menschen und Unternehmen, sondern auch für Regionen und Branchenverbände.

Bei der Fachtagung „Regionalentwicklung Fachkräfte“ am 29. März 2012 in Berlin erleben Interessierte Peter Kreuz zu dem Thema „Nur Tote bleiben liegen. Alle anderen gehen weg“. Sabine Jung, Geschäftsführerin German Scholars Organization e.V. und Expertin für Braindrain und Brain(re)gain spricht über Abwanderung von High Potentials ins Ausland und deren Rückgewinnung. Social Media- und Personalmarketing-Experte Henner Knabenreich rundet die Vortragsreihe mit einem Ausblick auf effektives Personalmarketing ab. Zusätzlich kommen Praktiker und Talentpool-Nutzer zur Wort: Andrea Peters, Geschäftsführerin media.net berlinbrandenburg, René Leibold, Geschäftsführer connect Neustadt GmbH & Co. KG und Beirat der Coburger Arbeitsmarktinitiative, Stefan Hinterleitner, Geschäftsführer Regionalmanagement Stadt und Landkreis Coburg GmbH, und nicht zu vergessen Pascal Bothe, 18-jähriger Ratsherr der Stadt Goslar, der einen regionalen Talentpool angestoßen hat, „damit Goslar nicht alt aussieht“.

 

Über den Autor
Martin Gaedt moderiert seit 1991 Veranstaltungen, Open Spaces, Podien sowie Gruppenprozesse und Ideenwerkstätten. Seit 1999 ist er selbständiger Ideenentwickler und Dozent. 2002 schließt er das berufsbegleitende Aufbaustudium zum „Business Innovation Manager“ an der Europäischen Wirtschaftsakademie (EWA) und der WHU Koblenz ab. Fünf Jahre später gründet er mit vier Kollegen die YOUNECT GmbH, die 2012 den Titel „Ort im Land der Ideen“ beim bundesweiten Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“ erhält und zu den Nominierten für den Bundessieg gehört.
Kontakt Martin Gaedt: gaedt[at]younect[dot]de

Hinweis zu diesem Artikel:
Fachtagung 29.03. „Regionalentwicklung Fachkräfte“
www.amiando.com/YOUNECT
Pressekontakt zur Veranstaltung ist Nina Königsmark: koenigsmark[at]borgmeier[dot]de

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