Kennen Sie das auch?
Sie sind interner oder externer Berater, Coach oder Trainer oder einfach in der Situation einem Kunden, Geschäftspartner, Kollegen oder Vorgesetzen eine Lösung für ein Problem vorzustellen. Sie wissen ganz genau, dass Sie einen guten und passenden Lösungsansatz haben. Und weil Sie sich schon so gut ausmalen können, wie es besser, schöner usw. wird mit Ihrer Lösung, sind Sie etwas aufgekrazt und ganz erwartungsvoll?!
Genau, Sie sind in einer wirklich motivierten Stimmung und wollen am besten gleich anpacken… und ausgerechnet in solch guter Stimmung und mit einer patenten Lösung dringen Sie nicht durch, weil Ihr Gesprächspartner plötzlich „zu macht“. Haben Sie von so einer Situation gehört oder waren Sie vielleicht selber beteiligt?
Vermutlich kennen einige Menschen solche Situationen, wenn die eigene Hochstimmung beim anderen überhaupt nicht ankommt und man selbst sich mehr und mehr ins Zeug legen möchte, aber immer weniger erreicht. Woran hat es gelegen? Hier eine Liste mit Vermutungen darüber, was in der Kommunikation passieren kann, wenn jemand in Problemlösungsabsicht auf den vermeindlichen „Problembesitzer“ trifft.
1) Problem? – Hier gibt´s kein Problem!
Wenn wir als Beobachter oder externe, nicht betroffener Person auf jemanden zugehen und – auch in bester Absicht – ein Problem als solches ansprechen, senken wir die Chance auf die Akzeptanz unseres Anliegens! Wer hat schon gern ein Problem?! Wer gibt eins zu? Ein Problem von außen heraus an eine Person oder eine Organisation offen zu formulieren bestärkt oft die Abwehrhaltung und die Tendenz sich zu verschließen beim Ansprechpartner.
Gegenmittel: „Das Problem ist nicht im Raum!“ Beschreiben Sie lieber Alternativen zum IST-Zustand und laden Sie den anderen ein hypothetisch mitzudenken. Nennen Sie Beispiele für andere Behandlungen des Themas. Das Problem ist dem Anderen ggf. durchaus schon bewusst, aber so kann Ihr Gesprächspartner „weich“ ins Thema einsteigen, ohne quasi vor Ihnen die „Eignerschaft“ für das Problem übernehmen zu müssen.
2) Das ist neu! – Nein, nein alles schon gehabt!
Sie haben eine neue Idee? Sie haben eine innovative Lösung? Das kann gerne in der Tat so sein. Aber gerade ein vermeindlicher Wissensvorsprung kann den Gesprächspartner in sein Schneckenhaus treiben. Einige Menschen sind eitel in Ihrem Fachgebiet. Etwas (noch) nicht zu Wissen stellt für diese Personen eine Schwierigkeit dar. Diese besteht darin Wissen als Macht zu definieren (was m.E. eine veraltete Ansicht ist). Leider wird ein solcher Gesprächspartner in seinen Kategorien denkend einen solchen „Machtverlust“ bzw. Ihren „Machtvorsprung“ nicht mit Vertrauen und Offenheit belohnen, eher mit dem Gegenteil.
Gegenmittel: Ihr Wissen ist toll, aber halten Sie sich damit zurück. Unterstellen Sie dem Gesprächspartner lieber, er wisse eigentlich mehr als Sie und finden Sie heraus, ob Ihr Gesprächspartner eher Bewährtes mag oder im Grunde neue Ansätze bevorzugt. Passen Sie Ihre Argumentation darauf an. Im ersten Fall ist Ihr Vorschlag bspw. im Grunde eine Verlängerung des Bewährten (was ja an die Leistungen Ihres Gesprächspartners ankoppelt). Im letzten Fall ist der neue Ansatz bspw. zwar technisch oder in Details neu, aber die Logik dahinter dem Gesprächspartner natürlich schon bekannt…
3) Wie können Sie nur so gut gelaunt sein?! Oder: Problemlösung ja, aber bitte pietätvoll.
Stellen Sie sich eine Anwendung beim Arzt vor, während welcher der Patient still und voller Kummer auf seinem Stuhl sitzt und gleichzeitig der behandelnde Arzt laut und voll guter Laune vor sich hin pfeifft! Ok, das dürfte reichen… Richtig, selbst wenn ein Problem als solches erkannt wurde und Ihre Lösung akzeptiert wurde, muss es nciht heißen, dass Ihr Gesprächspartner sich so auf Ihre Lösung freut wie Sie sich. Vielleicht muss er von liebgewordenen Verhalten loskommen oder bequeme Positionen aufgeben. Bremsen Sie also Ihre Euphorie ein wenig. Kaum jemand „kauft“ Ihren Lösungsvorschlag, weil er Sie dabei in Aktion sehen will, sondern weil ihm/ihr dadurch ein Nutzen entsteht oder ein Schaden verhindert wird. Dies jedoch kann unter Umständen zunächst auch negative Emotionen wecken.
Gegenmittel: Bremsen Sie jede Form von Euphorie. Gesunder Optimismus ist gut, insbesondere, wenn dieser dem Gesprächspartner Mut macht. Zeigen Sie aktiv Verständnis für die Mühen, welche ein Anderer ggf. auf sich nimmt, wenn er/sie Ihre Lösung annimmt.
Für Coaches und Prozessberater, welche ja in klassicher Rolle selbst keine Lösungsvorschläge formulieren, gilt hierzu noch: Verständnis, Verständnis und fragen, fragen und wieder von vorn… Ermutigungen sind ok, aber achten Sie darauf, dass Ihr Klient die Lösung wirklich selbst gewählt hat und nicht wegen Ihrer verbalen Bonbons verfolgt. In Coach-Klienten bzw. Berater-Klienten-Systemen kann eben auch Ihre übermäßige Begeisterung gefahrvoll sein (also ein verbaler Bonbon).
4) Druck erzeugt Gegendruck
Kurz und bündig: Wer sich besonders ins Zeug legt für seine Lösung, neigt eher dazu den Anderen (versehentlich) überreden zu wollen. Das geht meistens schief. Druck beantworten Menschen entweder mit Gegendruck oder mit Rückzug.
Gegenmittel: Bleiben Sie im Dialog. Gefahr droht immer, dann wenn Sie selbst zu hohe Redeanteile haben. Bauen Sie Pausen und fragen Sie häufiger nach. Geben Sie dem Anderen Raum sich einzubringen. Eine gemeinsam „entwickelte“ Lösung ist ohnehin viel eher und nachhaltiger akzeptiert.
Diese Liste mit den vier Kommunikationsphänomen beim Besprechen von Problemen und Lösungsansätzen ist keinersfalls vollständig. Insofern freue ich mich über Ihre Ergänzungen!
Ich habe diese Aufstellung nach der Auswertung von Gesprächen mit Geschäftspartnern und Kollegen, sowie meiner eigenen (Seminar-)Erfahrungen erstellt. Ich analysiere gern solche Situationen mit Hilfe verschiedener Kommunikationstools und versuche Lösungen und Auswege zu finden. Hilfreich sind mir dazu neben dem Schulz-von-Thun-Klassiker auch das LAB-Profile und das Selbstwert-Modell in Anlehnung an Virginia Satir.
Ich freue mich auf Ihre Ergänzungen und Meinungen.
Christoph Athanas
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Vielen Dank für den praxisnahen Artikel!
Wir haben bald eine Couchschulung. Bei meiner Vorbereitung bin ich auf diesen Artikel gestoßen. Wirklich super hilfreich – Danke nochmal!