Der Gaul muss durchs Tor oder was HR aus der Troja-Sage lernen kann

hr-epos-trojaDas meta HR Blog ist stets offen auch für ungewöhnliche Ansätze. Dieses Credo und möglicherweise meine griechischen Wurzeln haben offenbar dazu geführt, dass mir kürzlich ein Gastartikel angeboten wurde, welcher tut, was meines Wissens nach bisher noch nie geschehen ist: Er betrachtet die aktuelle Personalarbeit im Lichte der Ur-Sagen aller antiker Sagen, der Illias, dem Epos um Troja und seine Helden. Was also braucht HR, damit man deren Geschichte auch noch in 3000 Jahren erzählen wird? Vor allem: Was braucht HR jetzt und was kann dazu aus Homers Erzählung gelernt werden. Gastautor Stefan Reiser geht diesem Gedanken mit entsprechendem Sprachgebrauch nach!

 

Ab hier: Ein Gastbeitrag von Stefan Reiser.
Die Ebene von Troja. Die HR-Achäer belagern nun schon seit 9 Jahren Troja und nix geht vorwärts in Sachen HRelena. Immer die gleichen blutleeren Karriere-Websites, uninspirierten mimimi-Versuche, den Platz am olympischen CEO-Tisch zu bekommen und kompetenzgeschwängertes Gewäsch, warum HR Treiber der Digitalisierung sein soll, aber nicht kann. Die Gesänge über den trojanischen Krieg hallen seit 3000 Jahren durch Europas Kulturgeschichte. Aber welche HR-Helden sind es wert, in perfekten Daktylen besungen zu werden?

illias-zitat

Ein zorniger HReld, der/ die mal mächtig Schwung rein bringt und den Trojanern zeigt, was ne Harke ist: Die Ilias als gedankliche Figur, an der man sich in der HR-Arbeit orientieren kann?

Schauen wir uns das Homer’sche Epos in einer (nahezu unverschämt verkürzenden) Kurzfassung an:
Die Achäer belagern Troja und nix geht vorwärts. Soweit waren wir schon. So langsam macht sich aber Frust breit und einige diskutieren eine Heimreise: Soll sich Menelaos doch damit abfinden, dass das mit der Helena nichts mehr wird.
Da tritt Achilles auf, Sohn des Peleus und der Titanin Tethys, mit guten Connections Richtung Olymp. Er heizt, ordentlich ein – zuallererst aber mal den eigenen Leuten. Agamemnon entrinnt dabei im Streit um hübsche Kriegsbeute nur knapp seinem wohl letzten Showdown mit Achilles. Dieser legt eine demonstrative Kampfpause ein (schmollend ab), weswegen die Achäer auf den nächsten paar dutzend Seiten ordentlich von den Trojanern auf die Mütze bekommen. Ohne den göttlichen Zorn des Achilles läuft´s halt nicht und es steht buchstäblich „auf Messers Schneide“.
Es folgen erfolglose Überredungsversuche, aber erst der Verlust des geliebten Freunds Patroklos bewegt die Inkarnation des Zorns, dann doch das Schlachtfeld zu stürmen und das Blatt zu wenden. Nach vielem splattermäßigem (Homer war ein Freund expliziter Lyrik) hin und her, allerlei Frauengeschichten sowie göttlichen Cameo-Auftritten sind beide Seiten ausreichend dezimiert: Der Zorn des Achilles hat dem Styx-Fährmann Charon haufenweise Fahrgäste von Rang und Namen beschert.
Kurzum: Man ist dem Ziel ein gutes Stück näher gekommen, Paris hat im Zweikampf vor Menelaos Reißaus genommen und die Trojaner sitzen in der Falle. Bleibt nur noch dieses Tor, durch das man irgendwie durch muss. Auftritt Odysseus, der Mister Disruption der Antike von Ithaka: Der heckt die legendärste aller Finten aus (ob Moderationskarten bei der Ideenfindung im Spiel waren ist nicht überliefert), Troja fällt, episches Schlussgemetzel, Aus.

Verlassen wir nun die Ebene von Troja und machen einen Sprung ins HR-Jahr 2016. Auch wir haben ein, wenn nicht mehrere, trojanoide Sehnsuchtsobjekte – sei es die C-Level-Funktion, der Sprung aus der administrativen Nische zum strategischen Player, perfekte Candidate Experience oder das Blockbuster-Thema Digitalisierung. Und seien wir ehrlich (wir sind ja unter uns): Mehr Erfolge als bis zum Eröffnungsgesang der Ilias haben wir bislang auch nicht eingefahren. Es erinnert vielfach wirklich an eine Belagerung – und mancher hat es sich hinreichend gemütlich eingerichtet.
Was lehrt uns also das antike Epos? Selbstreferentielles Mimimi führt nirgendwo hin.
Die Gnade der Götter gabs in der Antike nur mit Zorn, Leidenschaft und herausragendem Skillset. Ohne den göttlichen Funken war alles nichts (daher rührt auch die Vielzahl an Heldensagen, in denen meistens Götter den Weg weisen).

Egal, ob es der Platz im C-Level-Olymp, anerkennendes Staunen der Business Units oder Bewerber mit godspeed sein sollen – wenn man das mit antiken Augen sieht, es weisen Exzellenz, Leidenschaft und unkonventionellem Denken den Weg. Gibt es diese HR-Pendants zu Achilles und Odysseus? Sehr wohl gibt es die! Genauso gibt es aber die Agamemnoi, die sich mit selbstgerechtem Gejammer und einem Berg Grillfleisch mit der Situation arrangiert haben.
Deshalb: Die innovativen Köpfe in HR brauchen quasi-olympischen Rückenwind, wenn man nicht 9 weitere Jahre ergebnislos in der Ägäis-Sonne brutzeln und die Unmöglichkeit des Unterfangens besingen will.
Eine naheliegende Forderung wäre nun, man solle ihnen endlich „eine Chance geben“. Ach, Quatsch! Mit „Chancen“ allein wären Achilles und Odysseus nicht weit gekommen. Sie hatten Management-Attention durch Athene, Hera und Hephaistos – und ähnliches braucht es auch in der Queste um das HR-Troja.

Es geht um ein dreifaches „auf“: Köpfe auf, Türen auf, Budgets auf. Dazu gehört dann wohl auch, dass Heads of HR (ja, genau die!) Lernreisen dahin machen, wo es komprimiert bahnbrechende Inspiration und Irritation zugleich gibt (meinetwegen auch ins Silicon Valley). „Best Practice im DACH-Raum“ mag für viele zwar noch Science Fiction genug sein, mutiert über kurz oder lang aber doch zum Disruptions-Schneckenrennen.

Wir wissen – empirisch absolut fundiert – dass Führung und Unternehmenskultur in hohem Maße auf Unternehmenserfolg einzahlen. Warum arbeiten wir nicht stringent daran?
In allen Bereichen gibt es F&E-Abteilungen, Inkubatoren, Startup-Beteiligungen, hastenichgesehen. Warum leistet sich HR den Luxus, darauf zu verzichten? Das ist es nämlich im Kern: Verzicht. Auf. Erneuerung.
Damit sollten wir dringend aufhören. Jetzt! Damit sie noch in 3000 Jahren singen – von den Helden, die die HRelena befreit haben.

P.S.: Der Vollständigkeit halber sei gesagt: Achilles überlebt die Aktion in Folge eines göttergelenkten Pfeils selbst nicht. Und Odysseus macht eine etwas längere Dienstreise durchs Mittelmeer. Das sollte man vorher wissen, wenn man sich aufmacht, Hauptfigur eines (HR) Epos werden zu wollen…

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Über den Gastautor:
Stefan Reiser arbeitet im Employer Branding der Lechwerke AG, einem regionalen Energieversorger in Bayerisch-Schwaben mit Sitz in Augsburg. Das Herz des Diplom-Pädagogen schlägt für frisch gedachtes Personalmarketing, selbstbewusstes HR, diverse Ballsportarten und Satirisches aller Art. Er ist hier auf Twitter aktiv.