Ein Gastbeitrag von Marcel Bruder.
Die meisten deutschen Unternehmen führen mittlerweile mehr oder weniger regelmäßig Mitarbeiterbefragungen durch. Die Einsatzzwecke sind dabei vielfältig: Pulschecks, Engagement-, Commitment- oder Zufriedenheitsbefragung. Verschiedene Zielsetzungen spiegeln sich in einer klaren Fokussierung des Instruments wider. Was die meisten Befragungsansätze eint, ist das Ziel – die Gewinnung relevanter Informationen zur Steigerung des Unternehmenserfolgs. Doch von der Konzeption des Instruments bis hin zur Umsetzung der abgeleiteten Maßnahmen sind zunächst einige Hürden zu nehmen. Aus ihrer Praxis nennen Personaler dabei als größte Herausforderungen den Folgeprozess, die strategische und inhaltliche Positionierung der Mitarbeiterbefragung sowie die Fragebogenentwicklung.
Das Beste kommt zum Schluss, oder warum sich auch wirklich etwas ändern muss!
Kontinuierlich und konsequent realisierte Folgeprozesse stellen die größte Herausforderung im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung dar. Im Anschluss an die Auswertung und Auslieferung der Ergebnisberichte sollten auch tatsächlich positive Veränderungen im Unternehmen angestoßen und umgesetzt werden.
Wo liegen die typischen Herausforderungen im Nachfolgeprozess?
Die konkrete Ausgestaltung eines Folgeprozesses hängt natürlich immer vom jeweiligen Anlass der Befragung ab. Zugleich erzeugt jede Befragung Erwartungen bei den Teilnehmern, denen anschließend im Veränderunsgprozess entsprochen werden muss. Enttäuschungen sollten vermieden werden, da diese die Produktivität und den Willen, zukünftig an Befragungen teilzunehmen, deutlich reduzieren können. Die Befragung sollte deshalb nur thematisieren, was tatsächlich auch verändert werden kann.
Klare Verantwortungen
Von Konzeption der Befragung bis zur Auslieferung der Berichte ist klar geregelt, wer für das Projekt „Mitarbeiterbefragung“ verantwortlich ist. In Bezug auf den Folgeprozess kommt es allerdings häufig zu „Verantwortungsdiffusion“. Auch hierfür sollten Verantwortlichkeiten und Rollen daher frühzeitig festgelegt werden. Stellen sich nach dem Start der Maßnahmenumsetzung nicht unmittelbar Erfolge ein, landet die Belegschaft oftmals in einem Leistungstief, dem sogenannten „Tal der Tränen“. Die Praxis zeigt, dass viele Change-Projekte genau an diesem Punkt scheitern. Aufgrund der anfänglichen Leistungsabnahme werden dem Projekt zu schnell die nötigen Mittel entzogen und es wird eingestellt. Die Betroffenen verbleiben im „Tal der Tränen“, können die neuen Ansätze nicht austesten und schaffen somit nicht den Übergang in die folgende Phase, in der die erhoffte Leistungssteigerung schließlich sichtbar würde. Gute Planung unter Berücksichtigung des typischen Verlaufs eines Veränderungsprojekts, kontinuierliche Begleitung und hohe Verbindlichkeit sind hier unerlässlich.
Die Strategische und inhaltliche Positionierung: Was soll erreicht werden, wer ist mit an Bord?
Eine Mitarbeiterbefragung bietet eine gute Grundlage, um eine Organisation auf all ihren Ebenen weiterzuentwickeln. Ausgangspunkt vieler Mitarbeiterbefragungen sind oft die strategischen Ziele einer Organisation. Diese werden durch das Management gesetzt. Daneben gibt es noch weitere Gruppen, die mit der Befragung Interessen verfolgen. Denn: Aufgrund der vielfältigen Ansatzpunkte einer Mitarbeiterbefragung hat diese Auswirkungen auf eine große Anzahl von Personen. Deren Einstellungen, Erwartungen und Interessen in Bezug auf Befragung und Nachfolgeprozess können stark variieren, so z.B. von Abteilung zu Abteilung (etwa Verwaltung vs. Produktion) oder von Ebene zu Ebene (beispielsweise Top-Management als Auftraggeber vs. Führungskräfte im mittleren Management). Mit einer Akteursanalyse können die Interessen und Bedürfnisse der verschiedenen Akteures- und Interessengruppen abgeschätzt und möglichen Konflikten vorgebeugt werden. Typische Fragestellungen sind dabei z. B. Wer braucht welche Informationen? Müssen Informationen speziell aufbereitet werden, bspw. für das Management oder bestimmte Teams? Wie lassen sich wichtige Schlüsselakteure als Multiplikatoren für die Befragung und den Folgeprozess gewinnen? Wer hat Interesse am Erfolg des Projektes? Wer könnte es blockieren? Wer würde sich womöglich gerne stärker als gefordert engagieren?
Das Ergebnis der Akteursanalyse trägt dazu bei, mögliche Hindernisse abzubauen (z.B. gegenläufige Interessen, die zu Blockadestrategien führen können) und Reibungsverluste zu minimieren (z.B. durch Optimierung der Kommunikation und Klärung von Zuständigkeiten). Etwaige Blockaden nach Ankündigung einer Mitarbeiterbefragung können insbesondere durch Ängste ausgelöst werden, so etwa, wenn Mitarbeiter einen Personalabbau befürchten oder Führungskräfte eine schlechte Beurteilung ihres Führungsstils.
Mit Hilfe einer Akteursanalyse können mögliche Probleme und Konflikte bereits im Vorfeld der Befragung zu Tage gefördert und durch eine zielgruppengerechte Positionierung der Befragung sowie geeignete Kommunikation bearbeitet werden.
Fragebogenentwicklung: Mit klaren Fragen zum Ziel.
Bei der Gestaltung von Fragebogen und Auswertung gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten. Viele Detailfragen sind zu klären: Welche Themen sind relevant? Können alle Mitarbeiter zu jedem Thema Auskunft geben? Wie viele Einzelfragen soll ein Themenfeld umfassen? Wie sollen die Einzelfragen konkret formuliert sein? Welches Antwortformat wird gewählt?
Bei fast allen dieser Punkte kann sich eine Diskussion in methodischen Details verlieren. Wichtig ist der gemeinsame Blick aller Beteiligten auf das vorab definierte Ziel der Befragung. Das Ziel ist es letztlich, aus dem sich die relevanten Entscheidungsparameter ableiten lassen. Dies wiederum hilft, verbindliche Absprachen treffen und etwaigen Widersprüchen zwischen bereits genutzten Management-Instrumenten und dem Erhebungsinstrument entgegenzuwirken.
Fazit
Mitarbeiterbefragungen sind ein anspruchsvolles und vielfältiges Managementinstrument,
welches einen konkreten Beitrag zum Erfolg eines Unternehmens leisten kann. Das Meistern der beschriebenen Herausforderungen ist eine wichtige Grundlage für eine hohe Akzeptanz des Instruments, eine hohe Rücklaufquote und Datenqualität und somit letztendlich einem gelungenen Folgeprozess.
Über den Autor
Marcel Bruder beschäftigt sich seit 2009 mit Personalbefragungen und angeschlossenen Veränderungsprozessen, insgesamt fünf Jahre als Mitglied der Geschäftsführung der tivian GmbH und aktuell, zusammen mit Simone Weltzin, als Managing Director der PRIOTAS GmbH.
Über PRIOTAS
PRIOTAS ist spezialisiert auf die Analyse von Organisationen mittels Feedback sowie die anknüpfende Planung und Realisierung von Veränderungsprozessen. Das Leistungsspektrum umfasst u.a. Change-Beratung, Mitarbeiterbefragungen, Führungskräfte-Feedbacks und Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastung.