Fünf Candidate Experience-Tipps: Was Recruiting vom Verkauf lernen kann

saleJobsuche und Kaufentscheidungen weisen eine Reihe Gemeinsamkeiten auf: Kandidaten vergleichen verschiedene Arbeitgeber. Sie wägen Kosten und Nutzen gegeneinander ab, bspw. wenn es um den Weg zur Arbeit geht oder um die Aufstiegschancen. Aber wie bei wichtigen Kaufentscheidungen sind rationale Überlegungen nur eine Seite der Medaille: Vielleicht noch wichtiger ist die im Rahmen des Bewerbungsprozesses gemachte emotionale Erfahrung. Wie hat sich die Arbeitgebermarke „angefühlt“? Der von Arbeitgebern angebotenen Candidate Experience kommt daher eine enorme Bedeutung zu, wenn es um das Ja oder Nein seitens der Bewerber geht. Hier kommen fünf Tipps, was Recruiting vom Verkauf lernen kann.

 

Interessenten in loyale Kunden zu verwandeln, am besten solche, die sich dazu noch positiv über das Produkt äußern, das ist das Ziel wenn Unternehmen clevere Kaufprozesse entwerfen. Der Fokus liegt also gleichermaßen auf dem Eigeninteresse des Verkaufes, wie auf den Interessen des Käufers. Im Zweifel aber haben die Kundenbedürfnisse Vorrang. In der Umsetzung mündet dies in einer Vielzahl von Maßnahmen, die wir alle schon selber beim Einkaufen erlebt haben, zum Beispiel: Dem Kunden wird der Kauf so einfach wie möglich gemacht. Der Kunde wird stets über seinen Auswahl- und Kaufvorgang informiert und er wird durch alle möglichen Annehmlichkeiten in den Verkaufsräumen in einen Wohlfühlmodus versetzt, um nur einige Beispiele zu nennen.

Und im Recruiting?
Die über hunderte von erlebten Kaufprozessen gereifte (Anspruchs-)Haltung als Kunde überträgt sich immer mehr auf die Ansprüche in der Kandidatenrolle. Warum auch sollten Jobsucher vor zusätzliche Hürden gestellt werden? Warum ist es so verdammt einfach bei Amazon einen neuen Mixer mit nur einem Klick zu kaufen, aber oft so irre umständlich sich durch ein Bewerbungsportal und seine Formulare zu hangeln? Mehr und mehr Jobsucher hinterfragen so etwas. Gerade gut qualifizierte Menschen sind weniger bereit als gefühlte Bittsteller vor Arbeitgebern zu stehen. Dies hat Konsequenzen: Die besten Talente zu finden ist für Unternehmen leichter möglich, wenn sie die Analogien aus dem Umgang mit Kunden auf ihr Recruiting übertragen. Professionell angegangen wird so die im Bewerbungsprozess erzeugte Candidate Experience zum attraktiven Angebot des Unternehmens und seiner lebendigen Arbeitgebermarke selbst. Die positiven Auswirkungen liegen auf der Hand: Weniger Bewerbungsabbrüche und ein besseres Arbeitgeberimage. Prof. Peter M. Wald und ich haben in unserer umfangreichen Candidate Experience Studie solche und weitere Auswirkungen nachweisen können und ausführlich dokumentiert (siehe dazu auch die Grafik am Ende dieses Beitrags).

Für rekrutierende Arbeitgeber, die den Wert einer positiven Candidate Experience verstanden haben, geht es um die Umsetzung von bewerberorientierten Rekrutierungsprozessen: Dazu gibt es hier fünf Tipps als praktische Learnings aus dem Bereich Verkauf.

1) Bewerbungseinreichung: Weil einfach, einfach, einfach ist
Der ehemalige Slogan eines Mobilfunkanbieters sollte stets Motto für die Bewerbungsabgabe sein. Machen Sie die Einreichung der Bewerbung so einfach wie möglich. Der Bewerber soll den Job möglichst ohne große Hürden „kaufen“ können. Die Analogie aus dem im e-Commerce gängigen One-Click-Kauf ist die One-Click-Bewerbung. Statt einer umständlichen Formularbewerbung, im schlimmsten Fall noch mit zuvor notweniger Benutzeranmeldung, bevorzugen Kandidaten ohnehin zu rd. 70%die Bewerbung per eMail. Etwa jeder 10. Bewerber lehnt Online-Bewerbungsformulare komplett ab und verzichtet im Zweifel sogar auf eine entsprechend Bewerbung, wenn es keine alternative Einrichtungsform angeboten wird (vgl. meta HR / Stellenanzeigen.de Candidate Experience Studie 2014).

2) Realistic Job Preview: Lassen Sie den Bewerber den „Job“ aus der Verpackung nehmen
Wenn wir uns als Kunden für ein spezielles Produkt interessieren, ist es in vielen Fällen möglich das Produkt aus der Packung zu nehmen oder es sogar vorher auszuprobieren. Mindestens aber ist es üblich genaue Abbildungen des Produktes ansehen zu können. Das kommt bei Kunden gut an und hilft eine positive Emotion gegenüber dem Produkt aufzubauen – oder eben auch nicht.
Übersetzt in Bewerbungsprozesse bedeutet dies, dass der Charakter des jeweiligen Jobs deutlich gemacht werden soll. Wie fühlt es sich wohl an in dem Job zu arbeiten? Wie sehen die entsprechenden Büroräume aus und wer wären die Kollegen? Genau diese Informationen sollten Sie als Arbeitgeber großzügig bereitstellen. Realistic Job Previews über die wichtigsten Aufgaben und zu den Arbeitsumfeldern sind hierzu dienlich. Vor allem in Bild und Ton. Dazu können insbesondere für Berufseinsteiger noch Self-Assessments kommen, welche zur Orientierung über die eigene Passung zum entsprechenden Berufsbild dienen. Reale Testimonials, als echte Mitarbeiterstatements, gesprochen in deren authentischen Worten, bieten Einblicke in die Landschaft der Kollegen. Alles dies sind schöne Contents für eine Karriere-Webseite. Die eins zu eins Analogie zum „Produkt ausprobieren“ ist letztlich ein Probearbeiten bzw. ein direkter, ungezwungener Kontakt mit dem späteren Vorgesetzten und Team. Wo es passt z.B. auch über Videointerviews oder Skype-Video-Chats. Mit einem Mix dieser Maßnahmen holen Sie den Job für Ihre Bewerber „aus der Verpackung“. Die Vorteile liegen auf der Hand: Wer hierdurch bemerkt, dass er oder sie nicht gut passt wird von der Bewerbung eher Abstand nehmen, die passenden Bewerber können eine positive Beziehung zum Arbeitgeber und zum avisierten Job aufbauen. Ein anschließender Job-„Kauf“ wird so wahrscheinlicher.

3) Den Bewerbern Ansprechpartner auf Augenhöhe bieten
Wenn wir hochwertige Produkte oder Dienstleistungen kaufen, schätzen wir es als Kunden einen persönlichen Ansprechpartner zu haben. Diese Person soll für uns leicht erreichbar sein und möglichst nicht wechseln. Es ist ein Statement über das Maß an Augenhöhe gegenüber dem Kunden. Ist der Käufer gleichberechtigter Partner oder muss er über eine anonyme Hotline beim Anbieter anfragen, wenn er Fragen hat. Selbes Prinzip gilt für das Recruiting. Bewerber wünschen sich Ansprechpartner mit Namen und Kontaktdaten, an welche sie sich wenden können. Personalbereiche sollten sich trauen „Gesicht zu zeigen“ und sich nicht hinter zentralen Einwahlnummern oder jobs@-eMail-Adressen zurückziehen. In unserer Studie haben wir beschrieben, dass eine gute Candidate Experience letztlich den erfolgreichen Aufbau einer Vertrauensbeziehung zwischen Kandidaten und Arbeitgeber beschreibt. Beziehung geht aber von Mensch zu Mensch leichter. Daher: Sein Sie für Ihre Bewerber zugänglich und erreichbar. Es zahlt sich aus!

4) Informieren Sie proaktiv und personalisiert
Nehmen wir noch einmal den Onlinekauf als Analogie: Sobald Sie eine Bestellung ausgelöst haben bekommen Sie die Bestellbestätigung in Ihr Postfach. Wird die Lieferung verschickt, erhalten Sie erneut eine Information darüber. Meistens wird dann gleich die Trackingnummer mit gesendet, so dass Sie auch über die Webseite des entsprechenden Logistikdienstleisters stets über den Status Ihres Lieferung informiert sein können. Jeder Schritt, jede Statusänderung wird mitgeteilt und zwar mit persönlicher Anrede und unter Verwendung ihres Namens. Beim e-Commerce absoluter Standard.
In Bewerbungsverfahren schätzen es Menschen in der Rolle als Bewerber ebenso wie in der Rolle als Kunde, zeitnah und personalisiert Informationen zum Status ihrer Bewerbung zu erhalten. Technisch ist es sehr einfach automatisch personalisierte E-Mails zu verschicken. Dies sollte das Mindestmaß an unmittelbarer Kommunikation seitens des Arbeitgebers sein. Darüber hinaus gilt zeitnahes und möglichst personalisiertes Kommunizieren mit dem Bewerber gerade auch wenn es zu einer Ablehnung kommt. Wenig verwunderlich, dass in unserer Candidate Experience Studie diejenigen Bewerbungserlebnisse am schlechtesten bewertet wurden, wo keine Absage erfolgt bzw. die Bewerber nach langem Warten selber nachfragen mussten.

5) Feedback einholen
Haben Sie vielleicht kürzlich in einem Hotel übernachtet? Wenn ja, dann haben Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit einige Tage nach Ihrem Aufenthalt eine eMail erhalten, wo Sie vom Hotel selbst oder vom Buchungsportal gebeten wurden Ihren Hotelbesuch zu bewerten. Ein mittlerweile sehr üblicher Vorgang, dessen Ergebnisse allen Beteiligten nutzen: Das Hotel kann seine Services verbessern und anderen Kunden helfen die Bewertungen bei der Kaufentscheidung.
Holen Sie auch von Ihren Bewerbern Feedbacks nach dem Abschluss eines Bewerbungsverfahrens ein. Laut unserer Studie haben bei fast 1400 untersuchten einzelnen Bewerbungsverfahren nur 14%aller Befragten gesagt, dass von Ihnen ein Feedback zum gemachten Bewerbungserlebnis nachgefragt wurde. Dabei liegen gerade hier große Reserven für die optimale und bewerbergerechte Ausrichtung ihrer Rekrutierungsprozesse. Allerdings gibt es eine natürliche Hürde, welche zu bedenken ist: Abgelehnte Bewerber könnten Nachteile durch ein direktes Feedback an das Unternehmen befürchten im Fall einer eventuellen erneuten Bewerbung, sofern sie sich kritisch äußern. Da aber gerade die Feedbacks von abgelehnten Bewerbern und von Bewerbungsabbrechern für Arbeitgeber besonders wertvoll sind, wäre es schade diese Gruppen nicht zu befragen. Daher macht es hierfür Sinn einen neutralen Dienstleister einzuschalten, der mit der Methodik der Candidate Experience Messung vertraut ist. Ein solcher Dienstleister hat deutlich bessere Möglichkeiten Bewerberfeedbacks von allen Bewerbergruppen zu erhalten.
Die durch solche Befragungen generierten Candidate Experience Insights können gezielt eingesetzt werden um die Candidate Experience Ihrer Bewerber zu verbessern. Eine regelmäßige Nutzung solcher Bewerberfeedbacks stellt außerdem einen wichtigen Baustein im Candidate Experience Management dar.

Fazit:
Viele in Kaufvorgängen und in Kundenprozessen typische und hilfreiche Maßnahmen lassen sich auf das Recruiting übertragen. Die damit zu erzielenden Vorteile sind je Maßnahme und je adressierten Kontaktpunkt unterschiedlich. Gemeinsamer Nutzen ist, dass Ihre Kandidaten partnerschaftlicher behandelt werden und es ihnen leichter gemacht wird Ihr „Recruiting-Produkt“, sprich den entsprechenden Job zu „kaufen“. Schließlich hilft ein aufmerksamer Umgang mit der Candidate Experience Ihrer Bewerber das Arbeitgeberimage aktiv vor Schaden durch ablehnende Kommentare bspw. auf kununu zu schützen. Besonders zum Zusammenspiel von positiver bzw. negativer Candidate Experience und der Bewertung des Images des jeweiligen Arbeitgebers konnten wir die in unserer Candidate Experience Studie eindrucksvolle Aussagen machen (siehe Grafik).

Candidate Experience und Arbeitgeberimage

PS:
Möchten Sie wissen, wie die Candidate Experience Ihrer Bewerber ist?
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Bild „Sale“ CC BY 2.0 by Ged Carroll

2 Gedanken zu „Fünf Candidate Experience-Tipps: Was Recruiting vom Verkauf lernen kann

  1. Patrick

    Wirklich interessant!
    Leider kenn ich schlechte Erfahrungen während des Bewerbungsprozesses nur zu gut, weshalb ich es sehr begrüßen würde, würden diese Tipps seitens Recruiting-Teams beherzigt werden.

Kommentare sind geschlossen.