Urlaub so viel jeder will: Motivations-Turbo oder Eigentor?

Richard-BransonDas Versprechen einer sinnerfüllten, selbst gesteuerten und in Teilen demokratischen Arbeitskultur klingt charmant. Was eine konkrete Maßnahme im Geiste dieser Denkhaltung bringt kann in Kürze bei einem Teil der Unternehmensgruppe Virgin besichtigt werden. Unternehmensgründer und Dauervisionär Richard Branson hat angekündigt die Urlaubsregelungen abzuschaffen. Jeder Mitarbeiter soll dann selber entscheiden, wann und wie viel Urlaub er oder sie nimmt.

 

Branson ist für innovative und visionäre Ideen genauso gut bekannt wie für seine gekonnte Selbstinszenierung. Diesmal hat er also eine neue Spielart der Arbeitsorganisation gepaart mit einem entsprechenden Selbstverständnis über Arbeit auf dem Plan. Branson experimentiert ein wenig mit „New Work“-Attitüden, mag man meinen. In jedem Fall will Branson den Angestellten seiner Virgin-Holdinggesellschaft in England und den USA zukünftig freistellen wann und wie viel Urlaub sie nehmen. Urlaub muss nicht mehr eingereicht und genehmigt werden. Jeder entscheidet selbst. Bei einem entsprechendem Erfolg dieser Initiative steht im Raum das Prinzip zukünftig auf andere Bereiche der Unternehmensgruppe auszudehnen.

Freie Urlaubsplanung aber bitte das „Kleingedruckte“ beachten…
Die Maßnahme wird jedoch an zwei Bedingungen gekoppelt: Sofern jemand in Urlaub geht darf die Arbeit nicht liegen bleiben und Richard Bransons erwartet von seinen Leuten, dass diese verantwortungsbewusst mit der neuen Freiheit umgehen. Doch wie SPON berichtet wirkt die Ankündigung des Chefs unter Umständen einschüchternd und könnte dazu führen, dass niemand es mehr wagt in Urlaub zu gehen.

Chancen und Risiken vollkommen frei bestimmter Arbeitszeiten
Mal unabhängig vom Unternehmen Virgin. Was bringen solche Regelungen? Sind das Motivations-Turbos für Mitarbeiter? Bergen solche Arbeitszeitansätze mehr Chancen auf Freiheit und echte Selbstbestimmtheit für Angestellte? Oder überwiegen die Risiken des sozialen Drucks, der aufgebaut wird wenn jeder genau hinschaut und mitzählt wie viel oder wenig Urlaub ein Kollege sich genommen hat?

Wie wirken sich solche Freiheiten auf die Arbeitgeberattraktivität aus?
Wie geht Ihr Unternehmen damit um? Welche Erfahrungen haben Sie damit?

Mich interessiert Ihre Meinung dazu!

 

Foto v. Richard Branson CC BY 2.0 by Jarle Naustvik Gulltaggen

4 Gedanken zu „Urlaub so viel jeder will: Motivations-Turbo oder Eigentor?

  1. Hanne Philipp

    Auf den ersten Blick wirkt das sicher positiv und attraktiv. Vielleicht zielt Virgin damit auf die vielbeschworene Generation Y ab, versucht hier Selbstverwirklichkung zu ermöglichen.
    Insgesamt bin ich eher skeptisch: Halte das eher für ein Eigentor, mittelfristig würde ich für Virgin eher Probleme sehen:

    1) Wer nimmt denn dann wirklich noch ausreichend Urlaub?
    Es gibt heute schon genug Unternehmen in Deutschland, die nicht umsonst Fristen einrichten, bis wann Resturlaub genommen werden muss. Dies zeigt, dass im operativen Alltag der Urlaub schnell „hinten runter fällt“.
    Der schon im Artikel angesprochene soziale Druck, Zielvorgaben gekoppelt an Bonus, Arbeitsplatzangst in Krisenzeiten… Wenn dann Urlaubsregelungen fehlen, dann wird’s ein reines „Survival of the fittest“ – keine nachhaltige Personalpolitik.

    2) Urlaub ist im unternehmerischen Interesse
    Urlaubsanspruch wurde nicht aus Sozialromantik eingeführt, sondern zur Erhaltung der Arbeitskraft. Wenn nun keine geregelte Urlaubsabstimmung stattfinden, erhöht dies den Leistungsdruck und das Burn-out-Risiko. Vergreisung der Gesellschaft, längere Lebensarbeitszeiten… Eigentlich müsste Urlaub verlängert werden.

    3) Urlaub – noch mehr Streitthema
    In vielen Abteilungen ist es in Deutschland jetzt schon schwer, Urlaub mit Schulferien, saisonalen Branchenanforderungen, Jahresabschlüssen, etc. zu koordinieren. Nicht selten ist Urlaub ein Streitthema als Zerreissprobe fürs Team.

    Dennoch: Innovationen erfordern Mut.
    Es braucht neue Ideen und Spielräume, um die Arbeitswelt zu verbessern. Einige der oben genannten Risiken lassen sich sicher vermeiden. Was es dazu braucht:
    Eine Unternehmenskultur, in der Nachhaltigkeit nicht nur Floskel ist.
    Führungskräfte, die nicht nur an kurzfristigen Ergebnissen gemessen werden.
    Teams, in denen offen die Bedürfnisse aller diskutiert werden. Individuen, die achtsam leben.

    Seien wir gespannt, wie sich das Experiment bei Virgin entwickelt. Seien wir gespannt, wie ernsthaft das Unternehmen mit diesem innovativebn Ansatz umgeht und Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet!

    Beste Grüße aus Regensburg
    Hanne Philipp

  2. Christoph Athanas

    Hallo Hanne Philipp,
    danke für den umfangreichen und differenzierten Kommentar. Ich denke ähnlich: An und für sich ein echtes Chance-Thema, aber die genaue Ausgestaltung ist entscheidend. Dazu kommt natürlich noch in welchem unternehmenskulturellen Umfeld sich das abspielt. Insofern kann eine ähnliche Maßnahme in zwei verschiedenen Unternehmen auch ganz anderes aufgenommen werden, sprich Erfolg haben oder zum genannten Eigentor werden…
    Beste Grüße.

  3. Karlsson

    Eine Vision mag ich darin nicht erkennen. Den unregulierten Urlaub halte ich nicht für einen innovativen Ansatz, sondern eine Gabe auf dem Altar des Kapitalismus zur Förderung der Selbstausbeutung.

    Es gibt sie noch, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, und die gesetzliche Pflicht zur Urlaubsnahme – zumindest in Deutschland.

    Freundlicher Gruß

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