Personalmarketing unter Wettbewerbsperspektiven

Das dcif, Deutsches Competitive Intelligence Forum, organsierte gestern unter Federführung von Prof. Martin Grothe einen Vortragsnachmittag in Berlin unter dem Motto „Competitive Intelligence meets Human Resources“.

 

dcifWem das eine etwas zu große Anglizismenverdichtung ist, dem sei gesagt, dass Competitive Intelligence eine systematische Dispziplin für Wettbewerbsanalysen und -verhalten darstellt (war mir zumindest neu). Insofern bietet diese Schule einen anderen Blickwinkel, um HR Handeln von Unternehmen im (achtung!) „war for talents“ zu betrachten.

Die dcif-Veranstaltung wurde entlang von drei Impulsvorträgen durchgeführt. Die Beiträge wurden vorgetragen von Prof. Martin Grothe (Vorstand dcif / complexium), Andrea Schönwetter (Deutsche Telekom, Leiterin Personalmarketing) und der Vater der „Suppentheorie„, Robindro Ullah (Deutsche Bahn, Leiter ZusatzServices).

Die Vorträge eröffnete Prof. Grothe, welcher neben allgemeinen Worten über Competitive Intelligence den Bezug zu HR Handeln im Social Web herstellte, indem er für ein Mehr an HR Social Media Strategie plädierte. Er sprach sich damit nicht gegen Social Media Experimente von Unternehmen aus, sondern für eine ganzheitlichere Betrachtung des Themas. Dies kann bzw. sollte nach seiner Auffassung auch gerade die Beobachtung und Betrachtung von Wettbewerbern einschließen. Ebenso berührt es ggf. Fragen der Unternehmens- und Informationssicherheit. Aus diesen Erkenntnisse ließen sich ggf. später, wenn sich ein weiter verschärfender Fachkräftemangel offenbart, Optionen für Unternehmen ableiten, die zu konkreten Kooperations- bzw. Konkurrenzszenarien am Personalmarkt ausgebaut werden könnten.
In der nachfolgenden Diskussion jedoch wurde von mehreren Diskutanten ein hartes Konkurrenzverhalten unter Personalern von Wettbewerbsfirmen analog zu beinhart konkurrierenden Marketingabteilungen als eher unwahrscheinlich bewertet. Grund dafür sei u.a. eine eher auf Kooperation ausgelegte Kultur in Personalbereichen. Die Zukunft wird´s zeigen…

Prof. Grothe stellte zudem im Überblick die von ihm und seinem Team erarbeitete 5e Vorgehensweise vor. Mit 5e legt er ein Angebot vor, womit ein strategisches Social Media Management organisiert werden kann. 5e steht für:
Explore (zuhören, verstehen, lernen), elaborate (Ziele, Maßnahmen, Aktivitäten), enable (quaifizieren, mobilisieren) establish (Infrastruktur, Prozesse, Akteure) und enter (Dialog, Wirkungsmessung).

Der Einstieg war ein interessanter aber doch noch sehr globaler Blick auf das Thema. Insofern war es spannend dann anschließend die Vorträge von Andrea Schönwetter und Robindro Ullah zu hören.
Sie förderten jeweils interessante Aspekte aus Ihrem Wirken als HR Social Media Pioniere zutage. Bemerkenswert finde ich nebenbei bemerkt, dass gerade die ehemaligen Staatsunternehmen und Ex-Monopolisten Bahn und Telekom sich so positiv hervortun beim Experimentieren mit Social Media im HR bzw. im Personalmarketing. Passt irgendwie gar nicht so zu dem teilweise diesen Konzernen immer noch zugeschriebenen sperrigen Images.

Allerdings gaben auch beide an zunächst „einfach mal gemacht“ zu haben, während teilweise PR-Abteilungen noch darüber nachdachten, ob man „tweets“ nun essen können oder freigeben müssen… Mittlerweile gilt für beide Konzerne, dass die ehemaligen HR Social Media Pioniere und ihre Teams mit ihren Tätigkeiten soweit etabliert sind, Social Media aber dennoch längst nicht in der Breite der Unternehmen angekommen ist. Der Weg dahin ist weit und mir scheint es, als wäre das Employer Branding nach außen für solch große Konzerne mitunter deutlich einfacher umzusetzen, als ein Social Media getriebenes Employee Branding nach innen zu verwirklichen.

Natürlich lies bei dieser Gelegenheit die Diskussion darüber, wie authentisch welche aktuelle oder vergangene Employer Branding Kampage ist, nicht lange auf sich warten. Bspw. sprachen viele der Anwesenden über die Bewertung der aktuellen McDonalds Kampagne.
Ich persönlich denke, dass die Diskussion um Authentizität letztlich müßig ist, weil zu subjektiv. Außerdem wird m.E. „finde ich authentisch“ oft mit „ist mir sympathisch“ verwechselt. Interessant wäre es in diesem Zusammenhang mal ein wirklich „übles“ Unternehmen ganz authentisch, also ganz echt, von sich erzählen zu lassen. Zum Beispiel so: „Ja, ich bin der Boss von 100 Leuten. Die sind mir echt egal. Hauptsache die Zahlen stimmen. Wir mögen uns untereinander auch nicht, aber wir verdienen hier ein Heidengeld. Ja und wer´s nicht bringt fliegt sofort wieder raus, aber nicht ohne vorher von allen zu hören, was für eine Niete er/sie ist…“
Könnte doch absurd authentisch sein, oder?

In Bezug auf die Wettbewerbsfragestellung war die Quintessenz der beiden Praktiker, dass ein „play fair“ unter den Wettbewerbern, wie auch unter den Akteuren und Beobachtern („Suppe“) gegenwärtig de facto implizit hergestellt sei. Das bedeutet praktisch, das niemand auf Fehler oder Unzulänglichkeiten anderer im Social Web in böser Absicht hinweist („finger pointing“). Eine solche Fairness auch zukünftig unter Wettbewerbsunternehmen im Hinblick auf Personalmarketing beizubehalten scheint bedeutsam. Andererseits, wie Robindro Ullah sagte, dass es praktisch keinen offiziell vereinbarten (achtung Anglizismus-Alarm!) „code of conduct“ zwischen den Wettbewerbern geben müsse. Diese Haltung wurde unter der Zuhörerschaft allgemein geteilt, was zumindest in dem kleinen Rahmen der Veranstaltung für diese These sprach.